Demokratische Kritik?

Warnung: Die Kolumne wird anders als die vielen davor. Falls Ihnen etwas Spanisch vorkommt, bitte weiterblättern! Ein Grund: Dies ist kein üblicher Schmökertipp; es geht um ein Musikbuch. Kann man Musik lesen? Grund Nr. 2: Autor Thomas Zimmer und Autor Schwiers kennen sich seit knapp 40 Jahren. Was hilft: Beide haben nie zusammen Musik gemacht. Zimmer ist ein ausgewiesen guter Trommler in diversen Combos, der andere nur Sprecher mit Grundkenntnissen in Noten. Zimmer ist Rocker, der andere auch und dem Jazz zugewandt. Das könnte sachdienlich sein (Zimmer: “Schreib einen Verriss, keine Lobhudelei!”). Ja, wie denn, Thomas?

Vor Jahren erwähnte er, man müsse über Musik schreiben können wie Jack Kerouac in “On the Road”. Im zentralen Kapitel “Gott ist angekommen” beschreibt er den Auftritt George Shearings, eines blinden Pianisten, der den Bebop in die Tasten hämmerte. Bier und Schweiß flossen in Strömen. Man riecht es beim Lesen. Sein Vorbild.

In den Konzertkritiken der BNN, die er aus 20 Jahren zusammenstellte, kann man Kerouac herauslesen. Wenn man will. Es geht nicht um verpeilte Breaks, um verstimmte Klampfen oder kratzende Vocals, Riffs und doppelchörige Gitarrensoli. Es geht um Gefühl. Um nicht mehr, nicht weniger. Stilrichtungen sind ihm wurst, interessieren nicht. Der Leser nimmt teil. Das ist es!
Köstlich sind Leserbriefe, die ihn und die Kulturredaktion erreichten. Da wird „objektive, demokratische Musikkritik“ gefordert und darüber gemeckert, dass Zimmer bei einem Konzert der Toten Hosen 2000 verzweifelt den Punk suchte, aber nur Bier fand.

Ja, Musik kann man lesen. Bei Zimmer immer. Mit ihm kann man sich das Konzert ersparen. Der Leser war dabei. Zimmer ist angekommen.

Thomas Zimmer, Viel Lärm um alles – Konzerte zum Lesen, Eigenverlag, zahlr. s/w-Fotos, 236 S., erhältlich in der BNN-Geschäftsstelle, Lammstraße und im ausgesuchten Buchhandel, 14,90 Euro.