Ein großer Abschied

Bekanntlich hat das überschaubare Volk der Iren am Westrand Europas eine ungeheure Vielzahl hervorragender Erzähler und Schriftsteller hervorgebracht (nicht nur Volksmusiker). Darunter etwa Samuel Beckett und James Joyce, Oliver Swift und Oscar Wilde oder auch Flann O’Brien und Sean O’Casey. Von den Lebenden ganz zu schweigen. Das muss nicht nur an salziger Seeluft, am strengen Katholizismus oder an Bier und Whiskey liegen. Kann aber…

Mit in die Reihe der herausragenden Schreiber gehört ohne Zweifel William Trevor, 1928 geboren, ausgebildet am Trinity College in Dublin, wurde zunächst als Bildhauer bekannt. Geboren wurde Trevor als Protestant, was in Irland nicht nur literarischen Zündstoff birgt. Im Süden Englands fühlte sich Trevor später wohl, erreichte dauerhaften literarischen Ruhm und erhielt zahlreiche Auszeichnungen (u.a. von der Queen höchstpersönlich).

Seine posthum (Trevor starb 2016) erschienenen „Letzte Erzählungen“ sind ein Nachlass von außergewöhnlicher Qualität und Stärke. Jede dieser zehn Erzählungen strotzt vor Präzision und Schärfe und zeichnet sich andererseits durch einen sehr lockeren und entspannten Stil aus.

Das ist an sich schon außergewöhnlich. Dazu kommt, dass Trevor nicht irgendwelche schrägen Typen zeichnet und in den Mittelpunkt der Geschichten stellt, es handelt sich dabei durchaus um ganz durchschnittliche Mitmenschen, die eben – wie wir (fast) alle – irgendwo und irgendwie eine meist liebenswerte Macke haben. Ohne die wären wir aber vermutlich kaum meisterlicher Erzählungen wert.

Dazu kommt, dass die letzten Erzählungen von Hans-Christian Oeser (just mit dem Straelener Übersetzerpreis der Kunststiftung NRW ausgezeichnet) betont einfühlsam ins Deutsche übertragen wurden. Das allein ist schon eine Kunst.

William Trevor, Letzte Erzählungen, übersetzt von Hans-Christian Oeser, Hoffmann und Campe, 206 S., 24 Euro