Axel Heil: Theatrum Mundi (mit Hundi)

kunstportal-bw-Beiträge anlässlich Uwe Lindaus 70. Geburtstag im Februar 2020

Uwe Lindau, 2014 vor der Galerie Schrade in Karlsruhe
© Foto: privat,

Uwe Lindau lebt, von gelegentlichen Ausflügen nach Oberitalien abgesehen, seit Jahrzehnten in einem großzügigen, L-förmigen Atelier mit Atrium im Hinterhaus eines Hinterhauses der badischen Metropole – nur einen Steinwurf entfernt von Arbeitsamt, Bundesanwaltschaft und dem Karlsruher Centre Pompidou, dem ZKM. Er lebt zurückgezogen, er malt zurückgezogen. Lindau weiß, worauf er sich verlassen kann. Gerade das Profil seines künstlerischen Werks steht wie kaum ein anderes für die Überreste und Fortentwicklungen dessen, was als „Karlsruher Figuration“ in den 1960er Jahren schon einmal Kunstgeschichte schreiben sollte. 

Uwe Lindau hat malend und übermalend einen bildnerischen Kosmos geschaffen in dessen unendlicher Bewegung und Verwandlung immer wieder auch die Erdenbewohner einen Platz finden. Dabei geht es ihm nicht um das traditionelle Ebenbild des Menschen, gar sein Ideal, schon gar nicht um eine „Ideal-Figuration“. Ideal ist nichts in dieser Welt – figürlich, wenn man das so will – fast alles. Lindaus Figurationen erschließen sich über einen ständigen Perspektivenwechsel, sie sind endlose Metamorphosen, in deren Verlauf sich Menschliches und Allzumenschliches im Spannungsfeld zwischen Mikro- und Makrokosmos, zwischen Traum und Albtraum täglich neu erfinden muss. Seine Tierwesen sind „Hineingeworfene“ seiner eigenen, individuellen Mythologien, sind „Apatrides“, staatenlose Mangelmutanten, Ufo-Käfer und Kartoffelesser, Blutküsser, Fauchschaben oder sogar abgeschlagene Hände, die sich, wie in jedem guten Splattermovie, längst selbstständig gemacht haben.

Lindau ist Ekstatiker und Existenzialist. Er hat Leidenschaften, große Leidenschaften, die ihm Leiden schaffen und er hat, wie jeder gute Maler, feste Regeln beim Malen. Ich male nicht nach festgelegten Regeln, wird er sagen müssen, ich explodiere nur – gelegentlich – wie ein Vulkan – hundert Jahre schlafend und dann … Ich höre keine Musik, wenn ich male – bei mir läuft der Fernseher. Mich inspiriert Leonardo genauso wie Leonardos Mauer, (eines der schönsten Beispiele nördlich der Alpen hat er im Blick aus seinem Fenster). Ich liebe Reiterschlachten, aber auch die Wüste. Es ist überhaupt unmöglich, eine vernünftige Aussage über ein Bild von mir zu machen, hören wir ihn noch sagen und müssen uns per retrospektivem Blick die inneren Bezüge seiner Bilder zueinander- und zurechtsortieren. Über Lindau zu schreiben, verführt zum Lob des Untadeligen; zum Anekdotischen, zu den Klischees vom „Peintre maudit“ bis zum „verkannten Genie“, gar zur Stilisierung der einsamen Künstlernatur, die die Welt mit sich in eins fallen lässt. Aber es gibt sie nicht, die Rollenverteilung zwischen Gut und Böse, zwischen Kreativität und Craziness. Hier nicht und in keinem anderen Leben. Es gibt nur das authentische Verlorensein. Die wunderschönsten Perlen will man in einem genialen Werk gebündelt sehen. Diese Aufgabe bleibt uns bei Uwe Lindau erhalten.

Axel Heil, Karlsruhe 2010

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