Harald Schwiers: Streifzug zur Städtischen Galerie Karlsruhe

Gleich fünf (in Ziffern: 5!) sehenswerte Ausstellungen mit einem Ticket besuchen – wo gibt es das? Klare Antwort: In der Städtischen Galerie Karlsruhe im Lichthof 10. Und dazu noch ein Schmankerl extra: Die eigentliche Sammlung der Galerie gibt es im 1. OG quasi obendrauf noch für umme.

Städtische Galerie im Lichthof 10 | © Foto: www.onuk.de, VG Bildkunst Bonn

Die einzige kostenpflichtige Ausstellung – die ständige Präsentation ist seit geraumer Zeit wieder ohne Eintritt zu sehen – sind die „Verborgene Spuren. Jüdische Künst­ler*in­nen und Archi­tek­t*in­nen in Karlsruhe 1900–1950“. Sicher ist das ein etwas sperriges Thema, das nun nicht gerade die Massen in die Städtische Galerie lockt. Aber: Das sollte es unbedingt. Denn hier gibt es jede Menge zu entdecken. Wer bedenkt, welchen Stellenwert Karlsruhe gerade in diesen 50 Jahren in der deutschen Kulturszene hatte, der weiß, dass da einiges im Verborgenen schlummern könnte, das einer gründlichen Beleuchtung Wert sein wird. Und genau so ist es auch.

Sicher kennt man einige der Spuren, die jüdische Künstler in Karlsruhe in den fünf Jahrzehnten hinterlassen haben und könnte der Meinung sein, hier werde wenig Neues geboten. Weit gefehlt. Zahlreiche Arbeiten sind zum ersten Mal (und vermutlich auch zum letzten Mal) in Karlsruhe zu betrachten. Einige Zeugnisse des Architekten Robert Curjel sind zwar noch im Stadtbild vertreten und Hilde Hubbuch kennt man durchaus als Modell für ihren Mann Karl, aber nur wenigen ist sie als eigenständige Künstlerin vertraut, für die Karl auch durchaus mal als Modell fungierte. Um nur zwei der präsentierten Künstler zu nennen. Über die künstlerische Kraft aller kann man auch und gerade in Kenntnis der widrigen Umstände der Zeit nur staunen.

Sonia Delaunay-Terk: Deux Fillettes Finlandaises, 1907, Kunsthalle Emden, © Foto: Elke Walford, Fotowerkstatt Hamburger Kunsthalle

Von der enormen Bedeutung, die Karlsruhe mit seiner Akademie und den anderen Kunstschulen bis zur Machtergreifung der Nazis hatte, vermittelt die Ausstellung einen tiefgreifenden und zugleich faszinierenden Eindruck. Andererseits ergreift den Besucher das Erstaunen über die Vielfalt des weitgehend verlorenen ungeheuren künstlerischen Potentials, für das die 24 ausgestellten Künstler stehen; dazu paart sich aber gleichzeitig die schiere Wut über die zerstörerische Kraft der Nazis, die davon nur noch wenig übrigließen. „Verlorene Spuren“ öffnet Augen und Verstand für das, was hätte sein können. Wer nicht da war, der versäumt viel. Sehr viel (leider nur noch bis 12. September, der lesenswerte Katalog dazu kostet 29 €).

Wilhelm Loth: Ohne Titel, 1966
Städtische Galerie Karlsruhe, Foto: Heinz Pelz

Wer zwei Stockwerke in der Galerie nach oben steigt, wird nicht allein mit einem fantastischen Blick in den Lichthof 10 belohnt, er findet dort auch eine beeindruckende Sammlung von Papierarbeiten von Wilhelm Loth aus den Jahren 1949 bis 1989. Loth, von dem die Galerie außer Plastiken eine Reihe von anderen Arbeiten verfügt, war einer der wichtigsten Lehrer an der Karlsruher Akademie; für ihn wurde die Bildhauerklasse eingeführt. Auch wenn Loth vornehmlich durch seine plastischen Werke aus Bronze, Stein, Aluminium oder Kunstharz (u.a.) bekannt ist, widmete er sich durchaus intensiv grafischen Ausdrucksweisen. Egal ob Holzschnitt, Lithografie oder Radierung, Loth versuchte meist nicht nur sein Sujet, den menschlichen Körper, widerzugeben, er lotete ebenso die Grenzen der verschiedenen Medien aus und erweiterte so die Ausdrucksmöglichkeiten der jeweiligen Technik.

Dabei blieb er aber meist in seiner körperbetonten und vitalen Darstellung der abgebildeten – meist weiblichen – Körper oder genauer: deren Ausschnitte. Die Städtische Galerie verfügt auch durch eine großzügige Schenkung von Loths Neffen und Nachlassverwalters eine wahrlich sehr repräsentative Sammlung von Arbeiten des Künstlers, der 1964 im Rahmen der Kasseler documenta 3 seinen großen Durchbruch hatte. Loths Papierarbeiten sind durchaus ein wenig kontemplativ, man sollte also genau hinschauen, aber die Zeit und die Ruhe dazu geben sich im 2. OG der Städtischen Galerie durchaus problemlos in der Regel (ebenfalls nur bis 12. September).

Ralf Gudat: Teil des Problems, 2020
Foto: Paul Gärtner

Durchaus bemerkenswert sind auch die drei „kleineren“ Schauen der Galerie: So sind Arbeiten von Ralf Gudat (Preisträger der Werner-Stober-Stiftung 2020) zu sehen (Titel: „The black, the green and the white gold“), der in der Galerie auch mit Arbeiten zwischen gestisch-freier Malerei und experimenteller Musik vertreten ist (bis 24. Oktober). Ebenso zu sehen sind bis zu diesem Datum die sehr humorigen Arbeiten von Peco Kawashima (Hanna-Nagel-Preis 2020) im ersten Obergeschoss. Nur noch wenige Tage (bis 12. September) läuft die Schau des Förderkreises (im Erdgeschoss) mit Arbeiten von Daniel Roth.

Daniel Roth: Landschaft, Netze, 2020
Landschaftsmodell Strand, 2020; Ausstellungsansicht Städtische Galerie Karlsruhe
© Künstler, Foto: Heinz Pelz,

Der Titel „Stac Lee“ greift eine Felsformation einer schottischen Insel als Situation auf und spielt mit möglichen Situationen die durch bruchstückhafte Hinweise entstehen können.

Wie das mit zeitgenössischer Kunst oft so ist: Ein Blick in die bereitstehenden Informationen und fünf Minuten Lesen helfen oft entscheidend weiter.

Peco Kawashima: Ausstellungsansicht
© Foto: Heinz Pelz, Städtische Galerie Karlsruhe

Städtische Galerie Karlsruhe, Lorenzstraße 27, Telefon 0721 133-4401