Harald Schwiers im kunstportal-bw
über: Otto Jägersberg – Pianobar
Fouettés sind, das für Nicht-Kenner oder -Liebhaber des klassischen Balletts vorausgeschickt, kunstvolle schnelle Drehungen, praktisch auf der Stelle, mit denen man zwangsläufig auf der Bühne nur ganz allmählich vorankommt (obwohl man das nicht sollte!). Berühmte Fouettés sind in den bekannten Schwanensee-Choreografien zu sehen. Da sind es 32, am Stück.
Nun kann man dem schon seit „ewigen Zeiten“ in Baden-Baden lebenden Autor und Filmemacher Otto Jägersberg nicht nachsagen, er komme mit seinen literarischen Äußerungen nicht voran. Weit gefehlt. Aber Jägersberg ist von jeher ein ausgewiesener Meister der kleinen Formen, auch wenn er das große Format Roman durchaus beherrscht.
In „Pianobar“ entzückt Jägersberg mit 232 kleinen Prosa-Preziosen, einige wenige über mehr als eine Seite, andere wiederum nur zwei, drei kurze Sätze lang. Dabei wechselt er zwischen Prosa und gelegentlichen Gedichtformen, behält aber mit seiner meisterhaften Beherrschung der Sprache stets das Ende der Geschichte, der Begebenheit, der Petitesse im Auge.
So spielt der Autor dem Leser Seite für Seite ein Ostinato mit kleinen Veränderungen vor (oder lässt es von Pianisten interpretieren), oder genauer: Es sind kleine Stückchen Minimalmusic, wie sie die Wegbereiter der Musikrichtung in den 60ern geschaffen haben; gelegentlich meint man auch Eric Satie mit seinen Pianoschmankerln zu hören. Oder, moderner, Billy Joel mit seinem „Piano Man“.
Immer spürbar aber bleibt, auch bei aller Ironie, die Jägersberg so betont feinsinnig in seinen Texten unterbringt, alltagsphilosophische Gelassenheit und vor allem die Liebe zu den Menschen, auch wenn sie gelegentlich schwer zu ertragende Marotten pflegen. Hier sieht man auch die Nähe oder Verwandtschaft Jägersbergs zu Johann Peter Hebel, auf den sich Otto J. in Nr 32 sogar direkt bezieht: „Komme in den Weinbergen einen steilen Weg hochgestrampelt, gewiss kein sportlicher Anblick. Steht da ein Alter mit der Rebschere in der Hand und bemerkt trocken: >Wenn mes mache müsst, tät mes ned mache.<“
Dem ist nichts hinzuzufügen. Doch, zwei Dinge noch: 232 Seiten Lesevergnügen sind garantiert und so genannte Lesungen von Otto Jägersberg garantieren wunderbare Erzählerlebnisse.
Otto Jägersberg, Pianobar, Diogenes Verlag, 272 S., Lesebändchen, ISBN 978-3-257-07167-2, € 24