Ton Art Keramik – die Bildhauerin Sabine Classen

Sabine Classen im Internet: Sabine Classen | https://www.sabineclassen.de

© Sabine Classen | VG Bild-Kunst Bonn, 2023

TON ART KERAMIK steht auf ihrem Logo.

Ahnlich wie bei ihren Skulpturen gelingt es der Diplom-Keramikerin Sabine Classen hier verschiedene Elemente, Inhalte und Assoziationen auf einen – auf den? – Kern zu bringen. In einer gemeinsamen Expedition wollen wir deshalb erforschen, wie diese Einheit entsteht, durch die sich ihre Keramikskulpturen für mich auszeichnen.

Ganz aktuell hat sie ihre Wirkungsstätte verlegt:
Der Erfolg bei ihren meist ausgebuchten Kursen hängt auch von der Bereitschaft der TeilnehmerInnen, sich von Sabines Experimentierlust anstecken zu lassen und eigene kreative Möglichkeiten zu entdecken. Sabine meint: “Es hängt von der einzelnen Person ab, wie sie mit etwas umgeht.”

Das sehen wir genauso und beginnen unsere Exkursion deshalb bei Sabine selbst. Geboren in Stuttgart, arbeitete Sabine schon als Schülerin mit Ton. Zuerst studierte sie Mode-Design in Pforzheim und anschließend Keramik an der Freien Kunstschule Nürtingen, was sie durch ein Jahr Arbeit im Großhandel finanzierte.

Mit einer Werkstatt und Galerie in Nürtingen startete sie in die Selbständigkeit, die dann durch ein zweites Studium – Freie Kunst/ Keramik in Kassel – auf eine noch bessere Grundlage gestellt wurde. Nach dem Examen 1990 und der Teilnahme an verschiedenen Ausstellungen und Projekten arbeitet sie seit 1993 in ihrer Werkstatt in Karlsruhe-Grötzingen.

Seit 1994 ist sie GEDOK-Mitglied.
Wir haben Sabine Classen gebeten, ihre Arbeitsweise zu beschreiben und auch zu erklären, warum sie für ihre keramischen Skulpturen Texte verwendet und wie sie mit diesen umgeht.

“Zu den ältesten Zeugnissen der menschlichen Kultur gehören Fundstücke aus gebranntem Ton mit Texten oder Zahlen. Ton ist zwar ein vergängliches Material, aber – wie die Geschichte zeigt – doch ein erstaunlich haltbares Material, das sehr viel überliefert. Ich hatte immer das Bedürfnis, nach Texten zu suchen, die diesen Wert, dieses Beständige ausdrücken. Es sind Texte, die mich bewegen, die heute wichtig sind, die noch einmal aufleuchten sollen. Und es war ein längerer Prozess herauszufinden, wie kann ich heute in unserer Zeit mit Texten arbeiten. Ich mußte nach neuen, zeitgerechten Lösungen suchen.”

Das scheint eine Spur zu sein für unsere Fragen: SÜDWEST-ONLINE, das Magazin ohne Angst vor Klischees, glaubte schon, in der vielzitierten Einheit von Form und Inhalt den zentralen Punkt zu erkennen.

Ganz so einfach ist es nicht, dafür aber interessanter: Sabine sagt: “Meine Arbeit beinhaltet den Prozeß des Werdens und Vergehens: wenn ich anfangen würde, zu graben, fände ich viele Schichten vergangener Kulturen.

Mit den Texten gehe ich ähnlich um: Ich forme eine Tonplatte. Wenn diese lederhart ist, drucke bzw. drücke ich zuerst den gesamten Text mit hölzernen Großbuchstaben in den Ton; manchmal auch nur einzelne, wesentliche Wörter.

Der Text wird so gedruckt, daß zwischen den einzelnen Buchstaben größere Zwischenräume entstehen, die Platz zu weiterer Gestaltung bieten. Darüber wird dann wieder der Text oder eine Textpassage gedruckt; diesmal in einer neuen Variation. Dabei wird jeweils der darunter liegende Text zerstört, es bleibt nur noch sein Liniengerüst übrig.

Ahnlich den Grundmauern, wie man sie von Ausgrabungen kennt. So entsteht, auf den Mauern des alten aufbauend, sofort wieder der neue Text. “

Zu ihren Skulpturen wurde Sabine unter anderem durch Hölderlin und Else Lasker-Schüler angeregt. Einer mindestens halbjährigen intensiven Auseinandersetzung mit diesen Texten folgen mehrere Wochen gestalterischer Arbeit an einer Tonskulptur. Diese wird dann – wenn sie nicht zu groß ist – im eigenen Elektro-Ofen gebrannt (bei meist rund 1200 °C.)

Sicherlich interpretieren Sabines Skulpturen die enthaltenen Texte. Aber es geschieht noch mehr. Aus der Verbindung von Thema, Text und der Skulptur mit ihrer besonderen Oberfläche, in deren Farbe und Struktur viel Arbeit investiert wird, entsteht etwas vollständig Neues, eine Einheit, die auch dem Betrachter etwas abverlangt, was von der Künstlerin so gewollt ist: er soll sich eingehender mit der Skulptur und ihren rätselhaften Zeichen befassen.

Erst die dritte Dimension ermöglicht es, auf dieserart vielfältige Weise zu kommunizieren, wie es die Skulpturen von Sabine Gärtner-Classen tun.

Das klingt zu theoretisch? Stimmt aber trotzdem, ich habe es selbst erfahren. Der dritte Grund, warum ich über Sabines Arbeit berichten wollte, war, daß ich die Skulptur “Wilder, Eva”, die ich in einem Prospekt gesehen hatte und die für das Else-Lasker Schüler-Projekt entworfen wurde, im Original sehen und berühren wollte.

Jürgen Linde, 2002