Kunstausflüge mit Sigrid Balke | bis 28.09.2025 | Matgorzata Mirga-Tas im Kunsthaus Bregenz

Bild links: Sigrid Balke unterwegs im Kunsthaus Bregenz; © Foto: Harald Lambacher
„You hear, you smell and you feel the energy – you are in it“ – mit diesen Worten beschreibt Matgorzata Mirga-Tas ihre Arbeiten für die Sommerausstellung im Kunsthaus Bregenz. Sie tragen, nach Worten der Künstlerin, auch die besondere Atmosphäre aus Raum und Licht in sich, die das KUB auszeichnet. Die farbenfrohen Textil-Collagen treten in einen Dialog mit der Schlichtheit der Architektur, ihrer zurückgenommenen Ausmaße, die den Kunstwerken Raum lässt ihre Geschichten und Geschichte zu erzählen. Die Geschichte der Rom:nja und die Geschichten aus dem Heimatdorf der Künstlerin, aus dem Alltag ihrer Familie und der Dorfbewohner. „Der Schmid hämmert sein Elend hinaus, und abends trinkt er und tanzt mit den anderen auf dem Dorfplatz…“ ist ein Auszug aus einem der Gedichte von Jan Mirga, die in den drei Ebenen des KUB die jeweiligen Werke lyrisch begleiten. Wenige Worte, die genügen, an das Elend und die Vertreibung der ethnischen Minderheit zu erinnern. Erinnerungen die scheinbar in völligem Kontrast zu den Werken von Matgorzata Mirga-Tas stehen. Faszinierend in Form und Farbgebung, brillant in der Verdichtung der Narrative, porträthaft und eindringlich in der Darstellung verbinden sie überlieferte Erzählungen der Rom:nja mit Elementen der bildenden Kunst. Die von Vorurteilen geprägte Geschichte wird von der Künstlerin auf eine versöhnliche Art dargestellt, sie wählt bewusst Stereotype die sie durch ihre Darstellung hinterfragt und umdeutet. Eine kraftvolle Antwort auf jahrhundertealte Vorurteile.

Die großformatigen Werke im Kunsthaus zeigen Motive aus dem Alltag der Menschen und geben ihnen eine Bedeutung, die weit über das Alltägliche hinausgeht. Es ist die faszinierende Verbindung individueller Erinnerungen und kollektivem Gedächtnis. Die Stoffe, aus denen die Künstlerin ihre Werke fertigt, sind aus den Kleiderschränken und Wäschetruhen eben jener Dorfbewohner und der Familie, die anknüpfend an alte Traditionen gemeinsam mit der Künstlerin an den Werken arbeiten. „Stoffe, die die Geschichten ihrer früheren Träger:innen in sich tragen, ihre Energie, ihren Schutz“ beschreibt die Künstlerin ihr besonderes Verhältnis zu den Textilien die sie in ihren Collagen verarbeitet. Dabei verlässt sie immer wieder die Fläche, geht in einen Bezug zu den Skulpturen, die Matgorzata Mirga-Tas extra für diese Ausstellung geschaffen hat. Monochrome Wesen aus Wachs, Kohle und Metall. Mal sind es menschliche Figuren bei denen es nicht auf Details ankommt, sondern auf die schützende Symbolik der Handhaltung, mal Bären als mythische Wesen, die für sie Teil des menschlichen Lebensraumes sind, und schon immer Teil der Rom:nja Kultur waren.

Den Ausstellungstitel „Tete Cerhenia Jekh Jag“ – Unter dem bestirnten Himmel brennt ein Feuer, bezieht Matgorzata Mirga-Tas stark auf das bereits erwähnte Gedicht von Jan Mirga. „Mein Großvater war Schmied, und vieles aus diesem Handwerk kann als Metapher für die Lebensumstände der Rom:nja gesehen werden“. Die Installation eines begehbaren Hauses – die Schmiede – zeigt in eindringlichen Bildern das Leben zwischen Armut und Ausgrenzung auf der einen, und Überlebenskunst, Gemeinschaft, Stolz und Sehnsucht auf der anderen Seite. Eine Erzählung von Identität, Widerstand, und einem Leben, das sich trotz aller Widrigkeiten immer wieder neu formt – Unter dem bestirnten Himmel brennt ein Feuer…
2022 gestaltete Matgorzata Mirga-Tas den polnischen Pavillon auf der 59. Biennale in Venedig und wurde mit ihren Textilcollagen einem breiten Kunstpublikum bekannt.
Während der Ausstellungsdauer bis 28.September stellt das KUB im Eingangsbereich zusätzlich sein Projekt Michael Armitage, Maria Lassnig und Chelenge Van Rampelberg aus.
© Text: Sigrid Balke; Alle Fotos in diesem Beitrag: © Fotos: Harald Lambacher