Hinkelstein, der wöchentliche Newsletter des kunstportals baden-württemberg:
Jeden Sonntag frisch auf den Screen
Vorab: nach einem Jahr Hinkelstein war es Zeit für eine Innovation. Ab sofort gibt es unsere, besser: Ihre Hinkelstein-Feedback-Seiten; Raum für Ihre Meinungen und Entgegnungen zu unseren gemeinsamen Hinkelstein-Themen. Wir freuen uns auf Ihre Statements, die wir hier dann ungekekürzt und unzensiert veröffentlichen, wenn Sie dies möchten.

Bild oben: Sergei Moser: Der Späher II , 2018,
Linoldruck/Mischtechnik, 170 x 130 cm,
© Künstler, VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Liebe Leserinnen und Leser,
versprochen ist versprochen: “Endlich wieder die hiesige Medienwirklichkeit ins Auge zu fassen – mit Neuigkeiten aus der fortschreitenden Popkultur – ebendies hatten wir vor einer Woche versprochen.Und anders als in der Politik, wo ja das VersprecheN nur einen kleinen Tippfehler weit entfernt ist vom VersprecheR: hier wollen wir es zumindest versuchen.
Im kunstportal-bw, dem (u.a.) digitalen Fachblatt für radikales Denken, geht dies nicht, ohne dass wir uns vorab fragen, worüber eigentlich wir texten. Noch dazu sind wir modern und selbstkritisch und fragen nicht nur uns selbst, sondern gleich auch noch Google: Die Suche nach aktuelle popkultur in deutschland beantwortet Google (hier „KI-gestützt“) so:
Beispiele für Popkultur sind Musikstars (Elvis Presley, Beyoncé), Filme und Serien wie Game of Thrones oder Friends, Videospiele, Mode, soziale Medien, Sportveranstaltungen wie der Super Bowl und Ikonen wie Micky Maus oder die Beatles, welche die massenhafte Kultur prägen und globale Fangemeinden sowie kulturelle Trends beeinflussen.
OK; Wir (noch immer KI_frei, sowie sogar zoll– und laktosefrei) hatten es ja längst geahnt und hier mehrfach geschrieben: Popkultur ist 1. eigentlich alles und 2. was noch nicht Popkultur ist, wird von der Popkultur aufgesogen, integriert, assimiliert, vielleicht auch (ein Einwurf unseres teuren Experten für verwirrende Wortschöpfungen) eindimensionalisiert.
Wie auch immer: es geht also um Massenkultur, globale Fangemeinden und die Beeinflussung kultureller Trends. Kernelemente heutiger Popkultur sind klarerweise Internet und die Influencer-Szene, zu der mehr denn je auch Sportstars zählen (Michael Jordan, Tiger Woods und so), gar auch Fußballer.
Womit wir schon mitten ins Thema hineinstolpern: der reichweitenstärkste Influencer heute ist weder (hätte ich vermutet:) Taylor Swift noch ( hätte ich befürchtet:) Elon Musk: Nein es ist ein Fußball-Spieler: Cristiano Ronaldo ist der wohl einzige Influencer, der es zwischenzeitlich (mehrere Kanäle summiert) einmal auf > 1 Milliarde Follower gebracht hatte. Allein auf Instagram folgen ca. 660 Millionen ihrem Idol vom grünen Rasen. Respekt. Mithilfe seiner bestimmt hochprofessionellen Vermarktung soll er in 2024 damit immerhin 285 Millionen Dollar an Honoraren / Provisionen erreicht haben. Mit 12 wollte ich (originell)Fussball-Profi werden; wäre vielleicht doch schlauer gewesen?
Nun ja; es sei Ronaldo gegönnt, er hat ja auch saugut gekickt und schon von daher hatte ja das Kleingeld schon gereicht für den einen oder anderen kleinen (jedenfalls flachen) Wagen. Falls ihm seine heutige Auto-Sammlung doch mal peinlich wird, sind 1500 PS bestimmt hilfreich, um weg vom Fleck zu kommen: dazu steht vor seinem Haus ein Bugatti, den es nur einmal gibt. (Handmade; ein Unikat für Cristiano); 16 Zylinder, immerhin 1500 PS, Vmax 420 kmh/h.
Früher war das ja alles anders mit den dem Fussball und dem Sport insgesamt. Spätestens seit Boris Becker (Tennis) – den kennen auch die jüngeren noch, oder? – sind Sport-Stars heute oft Popstars; und dann gerne auch Influencer.
In meiner Jugend in der Früh-Steinzeit; Fred Feuerstein und Barny Geröllheimer waren meine Mitschüler und Kumpane auch im lokalen Fußballverein, aber keine Popstars.
Damals dachten wir(?) bei Pop-Kultur an Musik: so sagte ja auch Zeitzeuge Robin Scott noch 1979: Everybody is talking ‚bout Pop-Music.
Na ja, nicht alles war früher besser.
Influencer waren damals (für mich) Leute wie David Gilmour (Pink Floyd), Little Feat oder Frank Zappa (der aus Joes Garage), John Coltrane oder Keith Jarrett, von denen ich gelernt habe, zu hören. (Hifi-Stereo und so) Das alles kannste heute niemandem mehr erklären, denn: Musik kommt von Spotify über Air Pods aufs Gehör.
Früher war halt fast alles besser.
Günter Netzer (Fussball) hatte schon damals das Zeug zum Popstar: den eher glamourösen Auftritt/Style auf Rasen und Parkett; und einen, glaube, gelben (!) Ferrari gefahren isser ja auch! Doch konnte er noch kein moderner Popstar werden: damals gab es noch kein Internet und keine Social Media.
Doch stört es ja heute niemanden, außer womöglich die Konkurrenz, wenn dank Cristiano Ronaldo Millionen Fans in den gleichen Fussballschuhen und Laufklamotten müde dahertrotten oder wenn sich alle ständig Taylor Swift auf die Ohren hauen? Da gäbe es doch Schlimmeres, oder?
Ja. Hier mal eine spontane Dystopie, die noch Satire ist (und bleiben will):
Was wäre, wenn
1. zig Millionen echter Fans, also die, die nicht nur so aussehen wollen wie ihre Idole, sondern auch so sein, so denken wollen wie selbige, weil: „Ja, keine Ahnung! Alles andere ist völlig uncool, das geht ja überhaupt gar nicht …„?
2.die Influencerwelt; Pop- und Politwelt einander noch näher rücken, als dies bereits der Fall ist: Schon heute sind ja etwa Elon Musk (deutlich über 200 Millionen Follower) und Donald Trump (etwa 80 Millionen Follower) für uns gefühlte Popstars; ich glaube, sie selbst fühlen sich auch als solche … und bewegen sich gar manchmal so!)?
und 3. Peter Thiel, der selbst nicht so furchtbar viele Follower, aber dennoch erheblichen Einfluß hat, als Regisseur im Hintergrund vielleicht ein paar Popstars in einen Pool überzeugender Influencer hineinholt, die dann gemeinsam Thiels libertäres Weltbild verbreiten?
Vielleicht ist dieses dystopische Szenario eher eine Verschwörungstheorie als eine reale Tendenz; vielleicht aber auch eine nahezu logische Entwicklung: Viele Pioniere des Internets, die dieses anfangs mit der Vorstellung einer Erneuerung der Demokratie verbunden und die Kommunikation unter Gleichen als wunderbares Szenario der Zivilgesellschaft gesehen hatten, haben inzwischen gelernt:
Das Internet ist kein “an sich“ demokratisches Medium; genauso wenig ist es ein “an sich“ autoritäres Medium. Doch wer sich einmal befasst hat mit dem enormen Gewicht der Medien (v.a. Radio per Volksempfänger) für die Machtstrategie des deutschen Faschismus, sieht: für autoritäre Systeme – kommen sie aus der westlich-kapitalistischen Welt, den USA, oder aus autoritären Einparteiensystemen wie Putins Russland oder China usw.(neudeutsch: CRINK=China, Russland, Iran und Nordkorea), sind globale Social Media das ideale Werkzeug: “Führer befiehl! Wir folgen.“ Logisch:. Follower brauchen Führer.
Diese Entwicklung, wenn es sie gibt, geht jedoch langsam, geschieht (wie auch Programmierer sagen würden) im Hintergrund, so dass wir es nicht sehen, nicht bemerken: Es stört uns nicht.
Hier ein Beispiel:
Wirklich neu erscheint mir die Entwicklung, dass erfolgreiche Verschwörungstheoretiker inzwischen Aufnahme finden in die Pop-Kultur, wo sie dann sogar Influencer-Status erwerben. Ein Beispiel:
Viele kennen vielleicht den Namen Candace Owens, eine Verschwörungstheoretikerin, die wir getrost der Champions-League des absoluten Schwachsinns zuordnen dürfen. Bekannt geworden ist die junge Schwarze im Rahmen von Trumps MAGA-Bewegung, wo sie gegen die WOKE-Kultur angetreten und dabei offenbar zum Online-Popstar geworden ist, und vielleicht auch zu einer Polit-Influencerin, einer neuen Gattung in der Medien- / Pop-Kultur insgesamt.
Zuletzt hat sie ihre Berühmtheit in den Social Media nochmal vergrößert durch die Behauptung, Brigitte Macron, die Frau des französischen Präsidenten, sei als Mann geboren, was sie (Owens) auch beweisen könne.
„Alles Glamour, alles nur Unterhaltung“ könnte man denken.
Nun gibt es aber wohl, was die FAZ (28.08.2025; S. 13: „Nur sie kennt die Wahrheit“) plausibel erläutert, tatsächlich Verbindungen von Owens zu Nazi-Kreisen. Könnten dann am Ende doch extremistische (hier: rechtradikale/antisemitische) Weltbilder Zugang erhalten in die Influencer-Szene? Ich denke, dass wir dies ernst nehmen müssen:
Follower brauchen Führer.
Jürgen Linde am 14.09.2025

Bild oben: Wolfgang Gießler: Studie zum Animalischen Depressionismus, 2005; © Künstler
Aus der legendären kunstwissenschaftlichen Serie:
Kunstführer & Flugschwein – Kunstrichtungen des 3. Jahrtausends
Ganz im Geiste des noch immer visionären Kunstführers von Wolfgang Gießler liefern wir wie gewohnt unsere
guten Nachrichten aus der Kunst vom 14. September 2025:
Städtische Galerie „Fähre“ Bad Saulgau | 14.09. – 23.11.2025 | Altes Kloster Bad Saulgau
Eröffnung: Sonntag, 14.09.2025, 17 Uhr: | Remembering Nature
Neu am 14. September 2025: | ZKM Karlsruhe | Fr, 24.10.2025 | Medientheater | Fake News und Deepfakes in einer postfaktischen Gesellschaft: | Symposium: | Die Fabrikation der Wahrheit
Neu am 14. September 2025: | Künstler | 27.09.2025 – 11.01.2026 | Mischa Kuball u.a. | Eröffnung: Fr, 26.09.2025, 19 Uhr I Kunstmuseum Wolfsburg, Wolfsburg /DE: | Utopia. Recht auf Hoffnung
Neu am 14. September 2025: | Künstler | Paul Blau: im heißen Herbst: | ... wie Blätter durch die Luft.
Neu am 14. September 2025: | Städtische Galerie Karlsruhe | | 27.09. – 02.11.2025 | Eröffnung: 26.09.2025; 19 Uhr: | „pe wolf: Ohne Titel„
Neu am 14. September 2025: | Museum im Kleihues-Bau Kornwestheim | Vernissage am 26.09.2025 um 19 Uhr: | „Daniel Wagenblast: Unterirdisches Heimweh“ | Faltblatt „Daniel Wagenblast – Unterirdisches Heimweh“(5,225 MB)
Neu am 14. September 2025: | ZKM Karlsruhe | Mi, 15.10.2025 19 Uhr | Kubus: | »Global Sonic Research« Präsentation
Neu am 14. September 2025: | Newsletter Hinkelstein: | Sonntag früh frisch auf den Screen: | Hinkelstein 56 | 14.09.2025 | Follower brauchen Führer.