Hausbesuche: | Jürgen Linde zur aktuellen Ausstellung der Galerie „Die Fähre“ in Bad Saulgau: Remembering Nature

zum ersten Mal seit über 20 Jahren fand ich Gelegenheit, wieder einmal die Galerie Fähre in Bad Saulgau zu besuchen. Als eine der ältesten städtischen Galerien in Baden-Württemberg verdient die Fähre zum Einstieg eine kleine historische Vorabinformation:
Die Fähre ist eine städtische Kunstgalerie in Bad Saulgau im Landkreis Sigmaringen in Oberschwaben Sie wurde 1947 auf Initiative der französischen Besatzungsmacht vom damaligen Gouverneur Coup de Fréjac gemeinsam mit dem Saulgauer Landrat Karl-Anton Maier und dem Sprachforscher Josef Karlmann Brechenmacher als „Centre d`Information“ gegründet. Sie sollte nach der NS-Diktatur mittels Kunst und Kultur zur Demokratisierung der Deutschen sowie der Aussöhnung der ehemaligen „Erbfeinde“ beitragen. Unter dem symbolträchtigen Namen „Museum – Die Fähre“ entstand ein Ort der Bildung und Begegnung, der in den folgenden Jahren vor allem als Galerie bekannt wurde.
(Quelle und Links: wikipedia)
Die Gründung der Galerie nach dem 2. Weltkrieg erinnert mich daran, dass wir uns heute womöglich in einer Vorkriegszeit befinden, doch soll dieses Thema, das wir ja im Hinkelstein:, dem Newsletter des kunstportals-bw, ausführlich diskutieren, hier nicht im Fokus stehen.
Stattdessen zeigt uns Remembering Nature auf vielfältige und faszinierende Weise, wie die Natur, trotz oder vielleicht auch dank eines immer mehr erweiterten Kunstbegriffs heute wieder Gegenstand der künstlerischen Arbeit und Reflexion ist.
Leider können wir im Rahmen unseres Hausbesuchs nicht auf die einzelnen Werke eingehen, die die Fähre in den schönen Räumen des Alten Klosters zeigt. Hierzu verweisen wir auf die Präsentation der Ausstellung auf den kunstportal-bw-Seiten der Fähre und auf der Website der Fähre selbst.
Insgesamt 6 Positionen oder 6 Perspektiven bieten uns Betrachtern ein riesiges Spektrum, zahllose Anregungen, um über das Verhältnis von uns Menschen zur Natur neu nachzudenken.
So wie schon der Untertitel zur Ausstellung „Kunst aus den Werken, Dingen und Tönen der Natur“ zu allen vertretenen Künstlern einen Eindruck vermittelt von der Vielfalt der hier zu erlebenden Werke, so können wir auch die Textbeiträge zu den jeweiligen Künstlern im kleinen, sehr konzentrierten „Leseheft“ zur Ausstellung schon als Interpretationsansätze oder als Anregungen zum Denken auffassen:

Bild links: Waltraud Späth
Im Lot, 2023, Beton, Stahl, Birne (75 x 25 x25 cm)
Waltraud Späth (Bildhauerin): Konzeption und Sinnlichkeit
Pauline Adler (Bildobjekte): Open the Beauty“
Linde und Kiefer: Über Florian Staudenmaiers Porträts von Bäumen
Herman de Vries: Die Erde, die uns trägt
Verschiedene Lebensrealitäten: Im Gespräch mit der Dokumentarfotografin Jana Bauch über „Salt, Water, Salt“
Frank Wendeberg: „Where is Nature“ Soundinstallation zu Bildern von Karlheinz Grosshauser
Frank und Ursula Wendeberg: Im Vielklang mit der Natur – auf dem Klangteppich der Wildnis durch deutschen Nationalparks
Eine frappierende Vielfalt ist es, die die Kuratorin Alexandra Karabelas hier ausbreitet und dann mit viel Begeisterung auch kenntnisreich und (falls gewünscht, auch) detailgenau erläutert – alles sehens-, oder noch besser: erlebenswert.
Die Reise nach Bad Saulgau lohnt sich allemal. Sehr zu empfehlen ist dann auch das begleitende Leseheft, wo Sie unter anderem auch ein Interview finden: Dr. Nicole Fritz, die Leiterin der Kunsthalle Tübingen, im Gespräch mit Herman de Fries, dem hier beteiligten Künstler.
In unserer so multimedialen Welt komme ich immer wieder zurück auf Text und Papier; Sprache und Lesen bleiben unabdingbar für die Kunstvermittlung – und Kunstvermittlung ist eines der Hauptziele, das sich die (seit Oktober 20024) neue Leiterin der Galerie die Fähre, Alexandra Karabelas, auf die Fahnen geschrieben hat.
Sehr gut passt auch dazu der Slogan, den Sie am Eingang zur Galerie in Form eines Werkes der Lichtkunst sehen: Listen to your Eyes
Jürgen Linde am 20. September 2025