Hausbesuche | Jürgen Linde zur aktuellen Ausstellung im Museum Ritter | 19.10.2025 – 19.04.2026: | Walter Giers – Einfach machen!
Gedanken über den Künstler und Philosophen Walter Giers
„In erster Linie war Walter Musiker“ (Pe Giers, die Witwe des Künstlers)
Vor 10 Jahren (2016) starb Walter Giers, der große Pionier der elektronischen Kunst, in Schwäbisch Gmünd. Zum eigenen 20. Jubiläum widmet jetzt das Museum Ritter in Waldenbuch, dem Autodidakten und, ich werde es gleich begründen, dem Philosophen Walter Giers, eine Einzelausstellung (19.10.2025 – 19.04.2026).
Museum Ritter Waldenbuch | 19.10.2025 – 19.04.2026 | Walter Giers – Einfach machen!
Schon am 16.10. gab es dazu einen Ausstellungsrundgang für die Presse, an dem auch Giers’ Frau Pe Giers und sein Sohn Victor teilnahmen.
Insgesamt ist es im Rahmen eines Hausbesuchs nicht möglich, die Vielfalt des Lebens und des Werkes des Künstlers, des Musikers, des Autodidakten und Erfinders, des gelernten Metallgraveurs und Industriedesigners auch nur annähernd zu veranschaulichen; ich bitte deshalb um Verständnis dafür, dass wir diesmal öfter als sonst die Möglichkeit externer Links nutzen, um dies dennoch immerhin zu versuchen. Walter Giers hätte dazu, da bin ich mir halbwegs sicher, gesagt: OK, Jürgen: einfach machen!
Es mir Einfach zu machen will ich auch versuchen, doch ist dies ist keine wirklich kurze,- sondern auch noch ein wenig eine persönliche Geschichte: Walter Giers hat mein Kunstverständnis, er hat meinen Blick auf die Kunst erweitert: Schon vor fast 20 Jahren gab es zum 70.ten Geburtstag des Künstlers, eine konzentrierte und inspirierende Ausstellung in dessen Heimatort Schwäbisch-Gmünd:
10.05. – 05.08.2007: Galerie im Prediger Schwäbisch-Gmünd: | Walter Giers zum 70ten Geburtstag – Schlüsselwerke, Sammlerstücke
Am Rande (des Pressetermins zu) dieser Ausstellung konnte ich Walter Giers damals persönlich kennen lernen und erinnere einen sehr herzlichen Menschen – voller Energie und mitreißender Lebendigkeit. Kaum ins Gespräch gekommen, nimmt er mich mit die Ausstellung, um seine Überlegungen anhand einzelner Werke zu erläutern.

Bild links: Walter Giers: Mr. Brabbel, 1968, Teile eines Röhrenradios, bemalt, geschäumtes Polystyrol, Drähte,
© Foto: Presseamt Schwäbisch-Gmünd
Der Kurator der Galerie im Prediger, Joachim Haller, schrieb damals zur Ausstellung (2007):
Aus optischen und akustischen Elementen technischer Bausteine kreiert er ein Instrumentarium immer wieder neuer Klang-, Licht-, Bewegungs- und Dialog-Erlebnisse: wie „Mr. Brabbel“ (1968), „Musik für 64 Lautsprecher“ (1976) oder „Kleine blaue Musik“ (1990). Die Qualität der so entstandenen Objekte liegt zum einen im hohen ästhetischen Reiz ihrer formalen Zusammensetzung – vom Plexiglas, das mal monochrom mal mehrfarbig ist, den elektronischen Bauteilen, Sendern, Empfängern, Transistoren, Verstärkern oder unzähligen Glühlämpchen. Zum anderen in den kurzen Lichtfolgen, zufallsgenerierten Klangsequenzen oder Sprachfragmenten, die beim Betrachter Erlebnisse, Erfahrungen und Emotionen auslösen. Viele Arbeiten sind durch Zufallsgeneratoren gesteuert. Durch die immer neuen Variationen eines komplexen elektronischen Innenlebens entwickelt sich eine eigensinnige, nicht vorher geplante Eigendynamik, die unabhängig aus sich selbst heraus bestehen kann.
Einfach machen – der geniale Titel der aktuellen Ausstellung in Waldenbuch (so viel Neudeutsch erlaube ich mir) evoziert bei mir als gelerntem Nebenfach-Philosophen natürlich philosophisch-politische Assoziationen, die nachfolgend aufzuschreiben ich mir erlaube, guten Gewissens, denn die damalige Ausstellung in der Galerie im Prediger Schwäbisch-Gmünd und auch die aktuelle Ausstellung in Waldenbuch sind auf den Websites der beiden Häuser umfassend und sehr gut erläutert und dokumentiert:
Ausstellung in dessen Heimatort Schwäbisch-Gmünd:
10.05. – 05.08.2007: Galerie im Prediger Schwäbisch-Gmünd: | Walter Giers zum 70ten Geburtstag – Schlüsselwerke, Sammlerstücke
Museum Ritter Waldenbuch | 19.10.2025 – 19.04.2026 | Walter Giers – Einfach machen!
Einfach machen – der Titel provoziert und ich erlaube mir dazu (k)eine kleine deutsche Realsatire.
Uns Deutschen fällt es ja sehr schwer, ins Handeln zu kommen, so die schöne Formulierung eines politischen Journalisten der FAZ. Ja, wir Deutschen machen halt nicht einfach etwas, und wir machen es uns sicher weder leicht noch einfach. Tatsächlich führt bei uns schon der Gedanke, handeln zu sollen oder zu müssen, gleich mal eher zur Konfusion – und da denke ich (platt-assoziativ) natürlich an Konfuzius, dem (unter vielen anderen) oft ein berühmtes Zitat zugeschrieben wird, das eigentlich von dessen Kollege Laotse stammt:
„Ein Marsch von Tausend Meilen beginnt mit dem ersten Schritt“

Bild rechts: Stroboskop-Farben, 1975 © Nachlass Walter Giers, Foto: Gerhard Sauer
Ein Beispiel: Die deutsche Politik steht zweifellos vor der Aufgabe, Deutschland wieder international wettbewerbsfähiger zu machen, falls es dazu nicht schon zu spät ist. Seit Jahren schon erzählt man uns von dringend notwendigen, durchschlagenden Reformen, die man jetzt endlich anpacken w(u)erde. Ermutigenderweise sind sich alle verantwortungsvollen Parteien darin einig, dass eben solche dringend notwendige, durchschlagende Reformen jetzt endlich angegangen werden müssen. Dummerweise aber passiert nichts: noch bevor entsprechende Gesetzesvorlagen ins Parlament eingebraucht und dann wahrscheinlich abgelehnt würden, gibt es zahlreiche Hemmschwellen und Hinderungsgründe und wieder und wieder erleben wir: „Weil das morgen noch so ist, „weil es immer schon so war“. Diesen Titel kenn viele von Ihnen aus unserer Hinkelstein-Serie (dem Newsletter des kunstportals) , wo wir auch bald erneut auf die beängstigende Lähmung der deutschen Politik eingehen werden.
Einfach machen:
Ganz anders dagegen arbeite und lebte Walter Giers, der eben tatsächlich, wie auch seine Frau, Pe Giers, sagt, einfach macht(e), sobald er eine Idee hatte

Bild oben: Ausstellungsansicht „babel ii“ (1998) in walter giers. electronic art at zkm, karlsruhe, 2022
© zkm, center for art and media karlsruhe; photo: felix grünschloß
Als paradigmatisch für die Denk-und Arbeitsweise von Walter Giers erscheint mir das Werke Babel II: aus dem Turm gestapelter Koffer hören wir Stimmen in vielen Sprachen.
Was bibelgeschichtlich ja ins Bau-Chaos (ein sehr frühes Stuttgart ’21?) führte, hat der Künstler Walter Giers anders gedacht, anders konnotiert: Inspierierend für dieses Werk war, wie Pe Giers erklärt, seine Erfahrung auf dem Potsdamer Platz in Berlin – “ich höre hier Dutzende verschiedener Sprachen – und trotzdem funktionierts“.
Gut vorstellbar, dass Giers, als Künstler auch Forscher und Experimentator den berühmten Babelfisch aus Douglas Adams „Per Anhalter durch die Galaxis“ erfunden hätte.
Der lesens- und sehenswerte Beitrag zur Walter-Giers-Ausstellung im ZKM von Kurator Philipp Ziegler, erläutert – auch ganz konkret anhand verschiedener Werke – das Denken und Arbeiten des Künstlers Walter Giers:
So viele Ideen noch, Assoziationen und offene Fäden, doch hier müssen wir zum Endes des Textes kommen: wie s ooft enden wir am Anfang: „In erster Linie war Walter Giers Musiker“.
Der Jazzmusiker Walter Giers war unter anderem befreundet mit Wolfgang Dauner; bekannt als Gründungsmitglied des inzwischen legendären United Jazz&Rock Ensembles; auch durch gemeinsames Schaffen mit mit internationalen Größen wie dem genialen Posaunisten Albert Mangelsdorff, mit Larry Coryell, Eberhard Weber etc.
Mal mit klassisch tiefen Ernst, mal wild improvisierend; aber, genauso wie der Künstler Walter Giers, immer frei im Geiste, spielte Dauner v.a. Piano und auch Synthesizers ab der ersten Generation (Moog), die Wolfgang Dauner und Giers wohl zu den spannenden elektronischen Spielzeugen gezählt haben dürften.

Apropos zusammenhanglos: Walter Giers, das darf man glaube ich sagen, pflegte einen spielerischen Umgang zur und mit der Welt; das erinnert mich an Schillers schöne Erkenntnis: „Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“ und´, vielleicht in diesem Sinne, sagt auch Pe Giers (siehe oben): „Walter war in erster Linie Musiker“.
Was uns (besonders uns Deutschen; s..o.) fehlt, ist dieses Silerische, die Fähigkeit zum Spiel und in diesem Sinne empfehle ich zum Anhören das vielleicht erfolgreichste Stück des United Jazz & Rock-Ensembles:
The United Jazz & Rock-Ensemble plays Barbara Thompson: Wiederkehr
Bild rechts: Walter Giers; © Foto: Pe Giers
Über diese Ausstellung zu lesen, ist – hoffentlich – schön, aber nicht genug: man/frau sollte sie erleben (noch bis 19.04.2026 im Museum Ritter Waldenbuch); ich zitiere den Künstler und Philosophen Walter Giers:
Einfach machen.
Jürgen Linde am 18.10.2025