Kunstausflüge mit Sigrid Balke | Eine spannende Herangehensweise an das Werk von Gabriele Münter im Kunstmuseum Ravensburg:
Kunstmuseum Ravensburg | 22.11.2024 – 22.03.2026:
Kathrin Sonntag und Gabriele Münter. Das reisende Auge und
Gabriele Münter – Aufbruch in Form und Farbe
Zwei Frauen und Fotografie als verbindendes künstlerisches Element. Noch bis 22.März 2026 zeigt das Kunstmuseum Ravensburg die Ausstellung Das reisende Auge als eine Hommage an Gabriele Münter und ihre fotografischen Werke im Dialog mit Fotografien von Kathrin Sonntag und die Ausstellung Gabriele Münter – Aufbruch in Form und Farbe. Somit ist klar: das Kunstmuseum reiht sich nicht ein in die klassischen Ausstellungen die in diesem Jahr in Museen von Paris, Madrid bis New York der großen Meisterin des Expressionismus ihre Reverenz erwiesen. Wohlgemerkt Meisterin, denn als Frau war sie als Wegbereiterin des Expressionismus lange unterschätzt – man begrenzte ihr künstlerisches Werk auf ihre Arbeiten aus der Zeit des Blauen Reiters. Ganz anders die sehenswerte Ausstellung im Kunstmuseum in der sie als Künstlerin mit vielen Neuanfängen erlebt wird. Es sind zwei Ausstellungen auf zwei Stockwerken, mit denen das Kunstmuseum andere, überraschende Seiten der Künstlerin zeigt. Gabriele Münter ist mehr als die Mitgründerin des Blauen Reiters und mehr als die langjährige Lebensgefährtin von Wassily Kandinsky.
Als Waise waren Gabriele Münter und ihre Schwester schon früh auf sich gestellt, aber ein ansehnliches Erbe ermöglichte den Schwestern eine zweijährige Reise durch Amerika. Mit im Gepäck eine Kamera, das Geschenk zu ihrem 21. Geburtstag und für die junge Frau das Medium um die Wirklichkeit zu entdecken. Es entstehen Fotografien für die es keine Referenzen gibt, situative Annäherungen an die Motive und Momentaufnahmen, die Geschichten erzählen und nicht nur einmal die Fotografin als Schatten mit ins Bild nehmen. Das schärft ihren Blick für die Malerei, der sie sich nach ihrer Rückkehr in der Kunstschule der Künstlervereinigung Phalanx unter ihrem Lehrer und späteren Lebensgefährten Wassily Kandisky intensiv und immer wieder experimentierend zuwendet.
Kathrin Sonntag, international renommierte Künstlerin der Fotografie-Szene nahm die Fotografien von Gabriele Münter zum Anlass, in ihrem Archiv zu stöbern und Vergleichbares zu suchen. Das Resultat ist die Gegenüberstellung zweier Künstlerinnen und die Überbrückung einer Zeitspanne von gut 100 Jahren. Damals eroberten handliche Kameras gerade die nicht professionelle Fotografie, die Möglichkeiten waren gegenüber heute deutlich eingeschränkt. Die Assoziationen sind daher nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen. Mal spielerisch, mal humorvoll, hintergründig subtil oder augenzwinkernd, jede Gegenüberstellung von Kathrin Sonntag reflektiert die Fragen Mit welchen Bildern im Kopf reiste Münter nach Amerika? Was war aus ihrer Sicht fotografierenswert? Genau das macht den kuratorischen Reiz dieser Ausstellung aus. Es ist eine Einladung zum detektivischen Sehen – aktives Mitdenken unbedingt erwünscht.
Gabriele Münter – Aufbruch in Form und Farbe
Im Treppenaufgang zum zweiten Stock hängt noch eine Fotografie von Wassily Kandinsky, der seine Lebensgefährtin Gabriele Münter am Strand fotografiert. Das Ende der Ausstellung mit dem fotografischen Œvre der Künstlerin und der Beginn einer Zeitreise durch ihr Werk von 1915 bis die späten 50er Jahre. Die Werke mit dem Ausstellungstitel Aufbruch in Form und Farbe, spannen einen zeitlichen Bogen, und machen externe Einflüsse, aber auch persönliche Erfahrungen und ihre wiederholten Neuanfange für den Betrachter nachvollziehbar. Münter ist mehr als der Blaue Reiter – dass wird bei dieser Ausstellung deutlich und erweitert den Blick auf die herausragende Künstlerin, die von der UNESCO zu ihrem 150. Geburtstag 2027 mit einem Gedenkjahr geehrt wird. Die Werke in der Ausstellung stammen aus der Sammlung Selinka, privaten Sammlungen und der Gabriele Münter und Johannes Eichner Stiftung. Es ist die erste Einzelausstellung seit 20 Jahren in Baden-Württemberg.
Ausstellungsdauer: bis 22.März 2026
Fotos: Sigrid Balke, VG Bildkunst/Ferdinand Ullrich
© Text und Fotos: Sigrid Balke