Gruß an Walter Benjamin – über Barbara Fuchs-Schneeweiss

Barbara Fuchs-Schneeweiss im Internet:
Website: www.fuchs-schneeweiss.com
E-Mail: bafuschnee@web.de
Als zeichenhaft, als eine ganz eigene Symbolsprache empfinde ich die Arbeiten von Barbara Fuchs-Schneeweiss. Die Künstlerin kenne ich schon seit 2002, als sie, gemeinsam mit Sëping, im Künstlerhaus des BBK Karlsruhe ausgestellt hatte.

Barbara Fuchs-Schneeweiss; © Foto: privat

Barbara Fuchs-Schneeweiss; © Foto: privat

Damals waren Bilder (meist Acryl auf Leinwand), aber auch Objekte und Fotografien zu erleben. Heute befasst sich Barbara Fuchs-Schneeweiss mit Siebdruck und Radierung. Diese aktuellen Arbeiten, mit denen die Künstlerin auf faszinierende Weise mithilfe dieser alten Technik gänzlich moderne, resp. zeitlose Arbeiten schafft, gaben nun den Ausschlag, endlich das lange geplante Künstlerinnenporträt zu schreiben.

Barbara Fuchs-Schneeweiss lebt mittlerweile in Heppenheim an der Bergstrasse, also in Hessen, arbeitet aber vorwiegend in Mannheim, wo sie die Werkstätten des BBK in der Alten Feuerwache nutzen kann.

Die Künstlerin stellt zuerst einmal die Technik in den Mittelpunkt: Sie will deren Möglichkeiten erkennen, erforschen und selbst erleben: Was ist möglich, welche besonderen Aspekte können dadurch in der künstlerischen Arbeit sichtbar gemacht werden, wo liegen die Grenzen dieser Werkzeuge ?

Der Betrachter hingegen geht zwangsläufig vom Ergebnis aus. Wirklich faszinierend für mich ist, als ich diese aktuellen Arbeiten entdeckte, wie unglaublich modern oder besser: wie zeitlos die Siebdrucke von Barbara Fuchs-Schneeweiss wirken.

Wer sich – beruflich oder privat – mit digitaler Bildbearbeitung befasst, kennt meist die Aufteilung des digitalen Bildes in die vier Farbebenen CMYK. “Übereinander gelegt“ ergeben diese vier Ebenen das komplette farbige Bild. Wir können aber auch die vier Ebenen jeweils einzeln betrachten: jetzt sehen wir einen “Farbausschnitt“ des kompletten Bildes, der gewissermaßen reduziert und dadurch meist sehr abstrakt wirkt.
CMYK – Cyan, Magenta, Yellow und Key, wobei Key die Farbtiefe ergibt – durch den Schwarzanteil. So wirkt die K-Ansicht oft wie ein (schlechtes) Schwarz-Weiß-Foto.

Mit der Technik des Siebdrucks, deren Ursprünge zurückgehen auf alte japanische Schablonentechniken aus dem 18. Jahrhundert, gestaltet Barbara Fuchs-Schneeweiss nun Bilder, die der moderne PC- und Internetmensch auf den ersten Blick durchaus für eine solche CMYK-Farbebene halten könnte.

Tanzende_4; © Foto: Künstlerin, VG Bildkunst Bonn 2020

Bei genauerer Betrachtung sehen wir dann doch einige Unterscheide; die spezielle feinkörnige Rasterung zeigt, dass es sich nicht um Bilder handelt, die etwa eingescannt und dann digital bearbeitet worden sind.

Tatsächlich kommt, wie ich bei Wikipedia entdeckt habe, der moderne Siebdruck nicht aus Japan, sondern eher aus den USA – aus dem Bereich der Schildermaler.

Weitere Assoziationen lassen nicht lange auf sich warten: Barbara Fuchs-Schneeweiss’ Siebdruckarbeit erinnert mich ein wenig an Andy Warhol.

“Ich liebe es, das Gleiche immer und immer wieder zu tun“ (Andy Warhol).

Im Wesentlichan aber beschränkt sich diese Analogie auf die serielle Arbeitsweise und auf die gerasterte Struktur der Bilder, zumal, wenn man sie am Bildschirm betrachtet. Ansonsten setzt Barbara Fuchs-Schneeweiss ganz eigene künstlerische Prioritäten. “Die Fotografie und deren Detailgenauigkeit ist das Reizvolle. Daneben sind die eingefügten Flächen abstrakt und plakativ.”

Barbara Fuchs-Schneeweiss arbeitet fast immer in Serien; dies tat sie schon, bevor sie den Siebdruck für sich entdeckt hat. Hier aber gehört das “Serielle“ sozusagen zur Technik. Anders als bei Zeichnung und Malerei ist hier ja der kreative Prozess aufgeteilt in zwei Produktionsschritte: Das Drucken läuft einerseits getrennt vom formalen Gestalten und ist andererseits für das jeweilige Ergebnis mitentscheidend: verschieden in Farbgebung und auch in der Stärke des Farbauftrages ist nachher jeder Siebdruck ein Unikat.

Ausschnitt

Ausschnitt | Foto: Künstlerin, VG Bildkunst Bonn 2020

Während beim CMYK-Bild jede Ebene immer nur eine von vieren ist und eben nur in Bezug auf die anderen drei existiert, ist bei den Siebdrucken von Barbara Fuchs-Schneeweiss jedes Bild, jeder Druck ein in sich abgeschlossenes Ganzes, ein fertiges Kunstwerk.

Deutlich wie selten wird hier, was Reduktion im besten Sinne bedeutet: Es fehlt nichts, es wird nichts weggelassen, sondern der Blick wird gelenkt auf das Wesentliche.

Ich will versuchen, die zahlreichen Assoziationen, die die künstlerische Arbeit von Barbara Fuchs-Schneeweiss in mir hervorruft, in einen Zusammenhang zu stellen:

Andy Warhol hat durch seine serielle Produktionsweise unsere kapitalistische Produktionsweise und die Rolle der Kunst in der modernen Gesellschaft kommentiert und, nach meinem Empfinden, unsere Massengesellschaft ironisch persifliert.

Frau 1_2_4 | Foto: Künstlerin, VG Bildkunst Bonn 2020

Frau 1_2_4
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Ein kurzes Zitat nur genügt, um daran zu erinnern, wie witzig-radikal Warhol gerne unsere Klischees und Erwartungshaltungen entlarvt:
»Sagen Sie mir einfach etwas vor, und ich wiederhole es dann. Ich bin heute vollkommen leer, mir fällt nichts ein«, schlägt er dem Interviewer vor und beruhigt ihn zugleich: »Keine Sorge… das könnte nett werden.«

Dies zitiere ich natürlich, weil der Text Spaß macht, aber auch, weil ich hier eine Verbindung sehe zu Barbara Fuchs-Schneeweiss: der zweifellos große Ernst, mit dem die eigene Kunst betrieben wird, kombiniert sich mit der souverän-lockeren Art, humorvoll mit all dem und mit sich selbst umzugehen.

Denn natürlich legte Warhol allergrößten Wert auf Genauigkeit und auch bei unserer Künstlerin geht es eben um die Feinheiten, um die jeweils besondere Materialität jedes einzelnen Drucks. Gerade die Vervielfältigung lenkt unsere Aufmerksamkeit dialektisch zwingend eben auf die feinen Unterschiede, die sie so erst sichtbar macht.
Einmal mehr erleben wir Kunst als Sehschule.

Mit dem Stichwort Vervielfältigung fällt uns ein weiterer wichtiger Name ein – Walter Benjamin: “Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit” – so der Titel des berühmten Aufsatzes von Walter Benjamin (Zeitschrift für Sozialforschung, 1936).

Frau 1_2_13 | Foto: Künstlerin, VG Bildkunst Bonn 2020

Mit dieser Thematik und auch speziell mit diesem Aufsatz hat sich Barbara Fuchs-Schneeweiß sehr intensiv befasst: “Die Auseinandersetzung mit den traditionellen Medien Malerei und Fotografie spielte damals eine große Rolle“ schreibt sie rückblickend.

Nun erscheint uns gerade der Siebdruck als optimal geeignet, um diese Thematik zu veranschaulichen: Diese Technik betrachten wir als eine frühe, eben noch handwerkliche – also vorindustrielle – Form der Bildproduktion.

Zwar geht es dabei um Reproduktion, um Wiederholung, und wer schon mal per Siebdruck Plakate gedruckt hat, wird die Vorteile der modernen Offset- und Digitaldrucktechniken, bei denen alle Produkte einer Auflage wirklich identisch aussehen, zu schätzen wissen.

Unterschiede von Ausdruck zu Ausdruck stören hier nur.

Bei der künstlerischen Produktion hingegen geht es eben um die Unterschiede, um das Einmalige. Die “fehlerfreie“ industrielle Reproduktion von der Idee her antizipierend, macht der Siebdruck eben gerade die Individualität, die Authentizität des einzelnen Kunstwerks auf besondere Weise erkennbar.

Ebendies erst können wir erleben – und nennen wir es, da wir schon bei Benjamin sind, beim Namen – als “Aura”.

Pferde 1_13 | Foto: Künstlerin, VG Bildkunst Bonn 2020

Der Verlust der Aura des Kunstwerks, den Walter Benjamin befürchtete, ist nicht eingetreten. Anstelle einer “Entwertung des Originals“ haben wir heute wohl eine andere Sicht auf das Original.
Mit ihrem besonderen Blick auf und ihrem Interesse für die Technik erinnert uns Barbara Fuchs-Schneeweiss mit ihrer Kunst an all diese grundsätzlichen Fragen, die manche vielleicht längst beantwortet glauben, die aber als Fragen präsent bleiben müssen in guter Kunst.
Genau um diese geht es auch heute- im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit.

Für die Erinnerung daran Dank an Barbara Fuchs-Schneeweiss und einen
Gruß an Walter Benjamin.

Jürgen Linde im Oktober 2009