website: www.lilomaisch.de
Anläßlich der Ausstellung von Lilo Maisch in der Galerie SWO wurde dieses Porträt ergänzt um einen Redetext von Elke Schneider M.A., den diese zur Eröffnung einer Ausstellung von Lilo Maisch 1997 geschrieben hat. Vielen Dank dafür!
So kann ich mich auf meine eigenen Eindrücke konzentrieren:
ENERGIE ist dabei ein wesentliches Element; Energie hat Lilo Maisch – immer wieder auch als Thema ihrer Arbeit; energetisch ist aber auch der Eindruck, den sie persönlich auf mich macht.
Es gab einige Gespräche mit Lilo und natürlich auch Besuche in ihrem Atelier:
Lilos „Atelier“ ist eine Wohnung, in der eine Reihe von Räumen einen Kreis beschreibt. Zuerst kommt das eigentliche Atelier, der Arbeitsraum mit von ihr so genannten „morphischen Feldern“ an den Wänden.
In einem der folgenden Zimmer findet sich, als Teil des Zyklus „Indian Summer“, eine Gruppe von Skulpturen, die – indianischen Totems vergleichbar – eine ausgesprochen freundliche Atmosphäre verbreiten.
In folgenden Raum befinden sich die Schätze, für die kein Platz mehr an den Wänden ist: eine Serie von Bildern sind die „Fluglandschaften“, die von oben gesehene Landschaft und die Dynamik des Fliegens zum Thema haben.
Ihr Leben als Künstlerin begann für Lilo 1970 mit dem Studium an der Staatlichen Akademie für bildende Künste in Karlsruhe.
Die Liste der Einzelausstellungen und Beteiligungen der Preisträgerin des „Heinrich von Zügel“-Kunstförderpreises der Stadt Wörth (1984) ist viel zu lang, um alle aufzuzählen.
Für Lilo, die die Beschäftigung mit philosophischen Fragen als Voraussetzung für künstlerisches Arbeiten sieht, ist jeder Tag eine neue Aufgabe: es gilt, Arbeit und Leben zu gestalten. Den Optimismus, den sie in die Zukunft und in die junge Generation setzt, schien mir zuerst fast naiv, doch mit ihrer Energie beweist Lilo, daß die Gestaltung der Zukunft an uns liegt.
Gestaltung ist dabei mehr noch eine Frage der Inhalte als eine der Form; so strahlen etwa die Bilder des Zyklus „morphische Felder“ Energie aus, die aus einem Spannungsverhältnis der Inhalte resultiert, wobei Lilo uns gerade durch die radikale Verfremdung – die Texte in einer Winkelschrift aus dem England des 18. Jahrhunderts sind unmittelbar nicht lesbar – die eigentlichen Fragen nahelegt. Das schwarzgelbe Bild (siehe rechts) etwa, das wie viele andere ohne Titel auskommt, enthält und realisiert einen in Winkelschrift übersetzten Anspruch von Paul Klee:
„Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, Kunst macht sichtbar“
Was auf dem Bildschirm nach Öl auf Leinwand aussehen mag, ist tatsächlich Acrylfarbe auf Offsetplatte.
Offsetplatte? Auf eigenwillige und auch einzigartige Weise verbindet Lilo Maisch Inhalt und Form; auch die Materialien, die sie verwendet, haben Bedeutung.
Richtig, jetzt wird es schwierig.
Lassen wir am besten Lilo selbst ihre Arbeit erläutern:
Seit einiger Zeit arbeite ich mit gebrauchten Offsetplatten, die ich mit Acrylfarben, Kunstharzfarben und Sand bemale. Dabei ist es für mich wichtig, daß der metallische Untergrund der Platten im Bild mit zur Sprache kommt.
Einem Großteil meiner Arbeiten, die aus mehreren Offsetplatten zusammengesetzt sind, lege ich einen Text, ein Textfragment oder ein Gedicht zugrunde, durch welche der Gesamtcharakter des Bildes bestimmt wird. Die ausgesuchten Texte übertrage ich in eine Winkelschrift; wodurch das Vordergründig-Inhaltliche wegfällt, das formal-strukturelle Element jedoch verstärkt wird.
Für mich ist die Tatsache von Bedeutung, daß die von mir verwendeten Druckplatten schon einmal zum Drucken verwendet wurden und noch die ursprünglichen Text- und Bildinformationen in einer bestimmten Anordnung tragen.
Selbst wenn zwischen diesen Ursprungstexten und Grundmustern der Offsetplatten und meiner Malerei kein direkter Bezug besteht, gibt es doch zwischen beiden eine Art „morphische Resonanz“:
Die Offsetplatten liefern eine Ausgangsenergie, die das Aufspüren und Finden von neuen Zeichen begünstigt.
Die bemalten Platten werden von mir zu größeren Organisationsmustern zusammengefügt bzw. aneinandergereiht, die ich morphische Felder nenne. Jede einzelne Platte, die auch für sich selbst stehen könnte, gibt ihre Individualität auf und bildet mit vielen anderen Platten zusammen ein großes, geordnetes, gemeinsames Ganzes.
Wer hier eine Verbindung zum menschlichen Zusammenleben sieht, wird von Lilo bestätigt:
„auch im menschlichen Zusammenleben ergänzt man einander, Voraussetzung allerdings ist, daß jeder einen Teil seiner Individualität aufgibt“.
Indem Lilo einen weißen Papprahmen vor einzelne Platten hält, zeigt sie, daß die Individualität jeder einzelnen Platte in der Gemeinschaft nicht verloren gegangen ist, sondern jederzeit
wieder sichtbar gemacht werden kann.
Auch die Texte, die als Motive und als wichtige Inhalte in die Werke einfließen, sind durch die Winkelschrift keineswegs verloren, sie sind lediglich verfremdet:
Den „Entzug“ der direkten Information beschreibt Lilo als Reaktion auf unsere Zeit, auf den Informationsüberfluß: dieser entwertet die einzelne Information und droht, auch Wissen und Ausdruck einzusaugen in eine strukturlose Masse von Information.
Die Verfremdung durch die Winkelschrift bringt zunächst das Strukturelle in den Vordergrund. BetrachterInnen, die mehr wissen wollen, müssen nachfragen, sich bemühen, sich befassen mit Werk und Inhalt.
So finden wir womöglich über die Struktur zurück zu den Inhalten und vor allem zur Wertschätzung der Inhalte, auf die es eigentlich ankommt.
Wenn die Informationsgesellschaft die Gefahr mit sich bringt, daß Inhalte irrelevant – vergessen – werden, so ist Lilo Maischs Kunst ein Aufbegehren dagegen:
Lilos morphische Felder fordern uns auf, über unsere sinnliche Wahrnehmung Sinn neu zu entdecken. Strukturelle Elemente, die durchaus auch von Texten inspiriert sind, führen uns zu Inhalten, die wir als Text kaum noch wahrnehmen könnten.
Elke Schneider, M.A. über Lilo Maisch und ihre Arbeit(*)
Die in Karlsruhe lebende, freischaffende Künstlerin Lilo Maisch begann 1970 ein Studium an der hiesigen Akademie der Bildenden Künste bei Prof. Kitzel, das sie 1975 erfolgreich beendete. 1984 erhielt sie den ersten Preis der Heinrich-von-Zügel Kunstförderung der Stadt Wörth. Zwischen 1979 und 1985 beteiligte sie sich insgesamt viermal an den Großen Kunstausstellungen im Haus der Kunst in München. Eine quasi ‚offizielle‘ und daher hoch einzuschätzende Anerkennung kann der Ankauf eines ihrer Werke gelten, das von diesem renommierten Haus 1984 erworben wurde. Weitere Ankäufe von den Regierungspräsidien in Karlsruhe und Tübingen folgten.
Seit Mitte der 80er Jahre beteiligt sich die Karlsruher Künstlerin bundesweit an zahlreichen Ausstellungen, ab 1992 erstmals auch in den neuen Bundesländern. 1990 folgte sie einer Einladung zu einem dreiwöchigen Symposium und Arbeitsaufenthalt über Kunst und Natur in Italien. Seit 1985 ist Lilo Maisch auch auf internationalen Ausstellungen vertreten, alleine in den letzten vier Jahren waren ihre Werke in London, in Sofia, Thessaloniki und Athen, in Nancy und in Bratislava zu sehen. 1996 erhielt sie den „Kunstpreis für Zeichnung“ der Stadt Bühl.
Ihr künstlerisches Oeuvre umfaßt zahlreiche graphische und plastische Werke, die hier nicht gezeigt werden. Zu sehen ist bei der heutigen Ausstellung Malerei auf Aluminium-Platten, auf Leinwand und Karton. Ausgestellt werden Arbeiten aus zwei Zyklen.
*Die Rede wurde zur Eröffnung der Ausstellung von Lilo Maisch in der Firma CAS 1997 gehalten.
Der Beginn des ersten Zyklus‘, der sogenannten „Fluglandschaften“, fällt in die Mitte der 80er Jahre, aus diesem Themenkreis werden Werke gezeigt, die nach 1988 geschaffen wurden, Die „Fluglandschaften“ sind als konsequente Weiterentwicklung zuvor entstandener Landschaftsdarstellungen anzusehen. Ausgeführt sind sie mit Acrylfarben auf Leinwand oder Karton. Dieser Zyklus wurde in der ersten Hälfte der 90er Jahre beendet.
Bei den Arbeiten aus dem Zyklus „Morphische Felder“ besteht der Bildträger aus Offset-Platten, die als Druckformen im Produktionsprozeß einer Druckerei Verwendung finden. Gearbeitet wird mit Acryl- sowie Kunstharzfarben und mit Sand. „Morphische Felder“ nennen sich alle Arbeiten, ob ein-, zwei- oder mehrteilig, die in dieser Technik ausgeführt sind. Erste Werke aus diesem Themenkreis entstanden 1992; die Arbeit daran ist noch nicht abgeschlossen.
Lilo Maisch:
Metall/Mischtechnik, 70 x 50 cm
Vitalität und Dynamik bei der Bildgestaltung und zugleich Reflexion und Transzendenz als künstlerisches Anliegen kennzeichnen wesentliche Momente in der Kunst Lilo Maischs. Als sie erstmals 1990 Aluminiumplatten als geeignete Bildträger für sich entdeckte, gelang es ihr, das Reflektierende des Materials in die angestrebte Bildaussage miteinzubeziehen. Hauptsächliche Verwendung fanden in der darauffolgenden Zeit gebrauchte, aus Aluminium bestehende Offset-Platten, die ihrer primären Nutzung gemäß, noch schriftliche oder sonstige Mitteilungen besitzen, nun aber – ihrer ursprünglichen Bedeutung entledigt – in einen neuen, veränderten Kontext gestellt werden.
Beim Bearbeiten dieser Platten fügte Lilo Maisch archaisch anmutende Chiffren, später dann Texte hinzu, die sie in eine altenglische Winkelschrift übertrug. Sofern überhaupt möglich, sind ihre Mitteilungen nun ohne Vorinformationen nicht mehr lesbar, ähnlich den ursprünglichen, verstehbaren Texten, die wegen Übermalung nur noch fragmentarisch zu sehen sind.
Das vordergründig Inhaltliche der Offset-Platten wird somit in seinem informativen Charakter zurückgenommen und durch Chiffren oder auch verschlüsselte Schriftzeichen ersetzt, die sich in ihrem Bedeutungsgehalt dem Verständnis des Betrachters weitgehend entziehen. Auf diese Weise wird dem Vertrauen in die Vermittlung von Informationen, einem nicht mehr wegzudenkenden, gleichwohl funktionalen Bestandteil unserer Gesellschaft, die Basis entzogen. Mitteilungen, losgelöst von einer spontanen oder überhaupt ablesbaren Ebene, erhalten eine veränderte Dimension, da sie nicht primär darauf zielen, Informationen verständlich werden zu lassen.
Diese Dimension dehnt sich auch auf eine Interaktion zwischen den durch Übermalung weitgehend verdeckten Mitteilungen und ihrer Malweise aus. Lilo Maisch spricht in diesem Zusammenhang von „Morphischer Resonanz… die das Aufspüren und Finden neuer Formen und Zeichen begünstigt.“
Vorgefundene Informationen auf den Offset-Platten sind für sie nicht primär Träger von Ideen, sondern – wenn man so will – energetisches Potential, das genutzt und umgesetzt werden kann.
*Die Rede von Elke Schneider M.A. wurde zur Eröffnung der Ausstellung von Lilo Maisch in der Firma CAS (1997) gehalten.