Immer nach Hause | über Marianne Hopf
E-Mail: mariannehopf@gmx.de
Internet: www.mariannehopf.de
[alle Fotos und Bilder in diesem Beitrag: © Marianne Hopf]
Alles begann mit einer Einladungskarte, die ich von der Werkstatt Galerie Owens bekam, wo Marianne Hopf von März bis April 2007 eine Ausstellung hatte, die ich leider nicht besuchen konnte.
Die Karte war betitelt mit “Körperfragmente | Transparenz“ – Marianne Hopf.
Mir schien klar: dies ist die Fortsetzung der Thematik unserer letzten KünstlerInnenporträts; wieder geht es um Kunst, Natur und Wissenschaft.
Im letzten Porträt – “Das Flüstern der Bäume“ – kamen wir von der Kunst über die Wissenschaft zur Romantik, welche um diese drei Begriffe eine Art paradigmatische Klammer zu bilden vermag. Manche erinnern sich vielleicht, daß schon ein älteres Porträt einen romantischen Titel trug: “Nach innen geht der geheimnisvolle Weg“ (Novalis). Ich komme darauf, weil Marianne Hopf mit ihren aktuellen Arbeiten den Blick nach innen richtet auf eine ganz konkrete Art:
Ein Buch über die forensische Aushebung von Massengräbern in Rwanda und Kroatien motiviert die Künstlerin schließlich, sich sehr intensiv dem menschlichen Körper – seinem Innleben – zu widmen: In dieser vielschichtigen Auseinandersetzung gelingt es der Künstlerin, die Schönheit des Lebens in einem konkreten Sinne sichtbar zu machen. Ein dialektischer Prozess, den zu verfolgen die Mühe lohnen sollte.
Eine Gemeinsamkeit der aktuellen „Körperfragmentarbeiten“ ist, daß diese Bilder am Bildrand scheinbar nicht aufhören – sondern angeschnitten sind. Wir sehen nur einen Ausschnitt aus einem imaginären Ganzen. Und doch sehen wir in sich abgeschlossene Bilder, die einen atmosphärisch dichten Farbraum schaffen.
Der Hinweis darauf, daß die Fläche der Leinwand zwar das Bild begrenzt, nicht aber die Kunst, ist lapidar und doch wichtig – die Kunst überschreitet Grenzen.
Grenzen überschreiten? Das erinnert uns einmal mehr an die gute alte Romantik, denn ebendiese:
Körperfragmente: Triptychon
Mischtechnik / Collage / Leinwand, 250 x 480 cm, © 2007
“Zerbricht die klassischen Grenzen, will Herrschaft der frei schöpferischen Phantasie (ist wichtiger als „edle“ Form und hochgeistiger Inhalt); will Grenzen sprengen: Grenzen des Verstandes, Grenzen zwischen Wissenschaft und Poesie und zwischen den einzelnen Dichtungsgattungen – Streben nach einer „Universalpoesie“, die gleichzeitig Wissenschaft, Religion und Dichtung und lyrisch, episch, dramatisch und musikalisch ist; will Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit niederreißen; will die ganze Welt „romantisieren“ und fordert völlige Subjektivität…“ (Wikipedia)
Grenzen zu sprengen sehe ich als alter Philosoph natürlich als eine dialektische Figur: die Synthese zweier getrennt geglaubter Bereiche macht sichtbar, dass die Trennung nur scheinbar war.
Das Stichwort „Grenzüberschreitung“ erinnert mich an Hermann Hesse, der sich intensiv mit äußeren und inneren Grenzüberschreitungen auseinanergesetzt und auch malerisch damit befasst hat. Ich komme auf Hesse, weil ich kürzlich dessen „Glasperlenspiel“ nach langem wieder gelesen habe.
“Die Idee eines individuellen, aber überzeitlichen Lebenslaufes stand am Anfang. In einer von den Verbrechen des NS-Regimes und den Gräueln des Zweiten Weltkrieges geprägten Zeit verschob sich der Schwerpunkt der Dichtung zur Konzeption einer geordneten Welt der Vernunft und des Humanismus“
(Zitat Dieter Wunderlich; die Quelle ist sehr zu empfehlen:
http://www.dieterwunderlich.de/Hesse_glasperlenspiel.htm)
Hermann Hesses Glasperlenspiel ist nichts anderes, als die Idee, spielerisch-philosophisch eine höhere Einheit der Religionen und der geistigen Ideen insgesamt, zu erkennen. Ein Geistesprojekt des Friedens, geschrieben im Vorfeld und während der Zeit des nazistischen Kriegs und Terrors.
Marianne Hopf erscheint mir manchmal wie eine Glasperlenspielerin, die auf ihrem Weg nach innen zwangsläufig auch die Gesamtsicht in den Blick bringt; Makro- und Mikrokosmos als Teile des Ganzen sichtbar machend.
Mit ihrem hier konkreten Weg nach innen verweist sie uns zurück zur Romantik und zum eingangs zitierten Novalis; dessen berühmte Frage und Antwort jedem Meister des Glasperlenspiels zur Ehre gereicht hätte:
Seine Frage: „Wo gehn wir denn hin?“
Seine Antwort lautet:
„Immer nach Hause“.
Jürgen Linde, im Juni 2007
Im Jahr 2019 ist ein hierzu ein “Fortsetzungs-Porträt” erschienen:
“…durch viele Welten“
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