Kunst kann glücklich machen

Alexandra Karabelas im kunstportal-bw Kunstvermittlerinnenporträt

Konzeptionell generalüberholt, politisch Korrekte würden wohl sagen: generälinnenüberholt, präsentiert sich die Städtische Galerie „Die Fähre“ Bad Saulgau nach einem Jahr unter neuer Führung: Seit 01. Oktober 2024 leitet Alexandra Karabelas das Kulturamt in Bad Saulgau und gleichzeitig die Städtische Galerie „Fähre“ Bad Saulgau.

Zur neuen Leiterin der Städtischen Galerie „Die Fähre“ Bad Saulgau ein paar Fakten aus der Website der Stadt Bad Saulgau:
Der bisherige Bad Saulgauer „Kulturchef“ Andreas Ruess geht im Sommer in den Ruhestand. Die Nachfolge zum 01. Oktober antreten wird Alexandra Karabelas. Die gebürtige Friedrichshäflerin studierte Neuere Deutsche Literatur- und Politikwissenschaft in Tübingen und Genf sowie Tanzwissenschaft in Bern. Zu ihren bisherigen beruflichen Stationen als Dramaturgin und Programmmacherin zählten das Stuttgarter Ballett, das Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg, das Theater Pforzheim, die Kunsthalle Mannheim und die Staatsgalerie Stuttgart.

Bild oben: Innenhof des Alten Klosters © Foto: Bad Saulgau

Seit Oktober 2024 hat die Fähre mächtig an Fahrt aufgenommen; den frischen Wind (die Fähre stelle ich mir schon immer als Segelboot vor) selbst mitgebracht hat Alexandra Karabelas , der wir nun ein Kunstvermittlerinnenporträt widmen: Die neue Kulturchefin hat nicht nur ganz neue Gewässer in den Blick genommen, sondern setzt auch einen großen und deutlichen Schwerpunkt bei der Kunstvermittlung. Nicht zuletzt war eine ihrer ersten Entscheidungen, das Ausstellungs- und Kunstvermittlungsprogramm der Fähre nun auch hier im Landeskunstportal baden-württemberg – dessen Hauptaufgabe ja eben die Kunstvermittlung ist – zu präsentieren.

Selbstverständlich findet auch Alexandra Karabelas’ bisheriger beruflicher Hintergrund, die Welt von Tanz, Theater und Ballett, Eingang in ihre Arbeit als Ausstellungsmacherin, so dass wir durchaus die Arrangements ihrer Ausstellungen als dramaturgisch beflügelt, viellleicht gar als Inszenierungen lesen oder erleben dürfen.
Wer das besondere Engagement und die eigene künstlerische Arbeit der Bad Saulgauer Kulturchefin speziell für das Ballett und den zeitgenössischen Tanz genauer kennen lernen möchte, sollte sich ihre Website tanz-denken.de (http://www.tanz-denken.de) anschauen.

Nachdem die Ausstellung (14.12.2024 – 23.022025): | Schöpfungslust – Berthold, Edith, Hendrike und Judith Kösel noch maßgeblich von Andreas Ruess, ihrem „Amtsvorgänger“, kuratiert worden war, präsentierte Alexandra Karabelas dann im März ihre erste eigene Ausstellung: 09.03. – 04.05.2025 | Gerhard Langenfeld – Bilderdenken 1982 – 2025 – eine Jubiläumsausstellung zum 70.ten Geburtstag des Bad Saulgauer Künstlers.

Nicht nur folgte die Ausstellung einem gewissen dramaturgischen Aufbau, auch hatten viele einzelne Werke einen Hauch von Theater: ähnlich einem Bühnenvorgang verbirgt Gerhard Langenfeld seine Bilder, die ich selbst oft als Räume empfinde, hinter dunklen, mehr oder weniger schwarzen Flächen im Vordergrund. Nur dem Betrachter vor Ort enthüllen sich dann die Geheimnisse seiner, wie ich dazu sein kunstportal bw-Künstlerporträt genannt habe, „labyrinthischen Räume„.

Schon bei dieser Ausstellung in der Fähre, präsentierte die Kuratorin Alexandra Karabelas ein breites und inhaltlich vielfältiges Kunstvermittlungsprogramm; unter anderem auch gleich mit neuen Formaten, die sich inzwischen schon als Routine etabliert haben:

Die Reihe Sein und Zeit – Philosophieren mit Kunstwerken mit Catharina Wittig lädt ein, in sonntäglichen Gesprächen in der Ausstellung neben dem unmittelbar sinnlichen Ausstellungserlebnis auch auf einer philosohpischen Ebene Zugang zur Kunst zu ermöglichen. Das Thema wird natürlich jeweils passend zur Ausstellung ausgewählt. Wer schon einmal einen solchen, sagen wir: moderierten – Ausstellungsrundgang im Gespräch erlebt hat, weiß um die inspiriende und dann bestimmt auch nachhaltige Wirkung. Erfreulicherweise hat sich bereits ein “fester“ Kreis von Teilnehmern gebildet, die immer wieder an den philosophischen Reflexionen zur Ausstellung teilnehmen. Zu jeder Ausstellung gibt es dazu 1 – 3 Termine.

Bild oben: Donnavolta Newmen: UNTAMED; Foto: Daniele-Silingard
25.05. – 17.08.2025 | Altes Kloster Bad Saulgau | dem Paradies entgegen

Der Vollständigkeit halber nennen wir hier auch das Routineprogramm der Kunstvermittlung: Ein umfangreiches Angebot an Führungen für die verschiedensten Ziel- und Altersgruppen; ergänzt zuletzt um die Känguru-Führung: Entspannter Kunstgenuss für Väter und Mütter.
Neben dem sowieso schon umfangreichen Angebot an Ausstellungsführungen können jederzeit individuelle Wunschtermine vereinbart werden. Kindergarten-Gruppen und Schulklassen aus Bad Saulgau sind dank mehrere Förderinnen und Förderer herzlich willkommen, vormittags oder nachmittags kostenlos eine 60 – bis 90-minütige, altersgerechte und dialogorientierte Tour durch die jeweils aktuelle Ausstellung mitzumachen. Entsprechende Gruppen von außerhalb zahlen 50 bzw. 75 €.

Bild rechts: Waltraud Späth: Im Lot, 2023, Beton, Stahl, Birne (75 x 25 x25 cm)
[ bis 23.11.2025: Remembering Nature ]

Auch für Seniorinnen und Senioren gibt es ein besonderes Angebot: Alexandra Karabelas lädt Künstler der Ausstellung ein, die dann im Gespräch mit den Besuchergruppen ihre eigenen Werke und ihre Motive erläutern. Zweifellos war die Erfahrung, dass Kunstvermittlung in dialogischen Formaten einfach nachhaltiger erlebt wird, Grund dafür, das Vermittlungsangebot in dieser Richtung zu erweitern. Bestimmt wird auch der eine oder andere Besucher, der eine solche Kunstbegegnung erlebt hat, gerne wieder kommen – vielleicht mit neuen Teilnehmerinnen aus dem Bekanntenkreis.

Diese Liste hier ließe sich noch verlängern, weil der Galerieleiterin zu jeder neuen Ausstellung auch neue, passende Formate (literarische oder auch mal szenische Lesungen) einfallen. Auch Tanz – Workshops und – Performances gab es inzwischen schon in der Fähre.

Und nicht zuletzt: Musik. Bei Bedarf bestuhlt, wird die Eingangshalle des Klosters (siehe Bild ganz oben) zum schönen Konzertsaal; mit sehr guter Akustik – besonders geeignet, erklärt mir Alexandra Karabelas, für akustische Konzerte (unplugged).

Auch aufgrund ihrer beruflichen Vorerfahrungen verfügt Alexandra Karabelas über ein umfassendes Netzwerk, so dass ihr für jede neue Idee schnell die richtigen Kooperationspartner einfallen. Der Vielfalt in der Kunstvermittlung sind also keine Grenzen gesetzt. Auch das Ausstellungsprogramm selbst, in welchem die Bildende Kunst wohl schon ein Schwerpunkt bleiben wird, begeistert durch ein große formale Bandbreite, was spätestens Karabelas‘ zweite Ausstellung gezeigt hat:
25.05. bis 17.08.2025: | Eröffnung So, 25.05.2025, 17 Uhr: | dem Paradies entgegen – Zeitgenössische Positionen in Fotografie, Film, Cyanotypie, Installation und Skulptur

Noch bis 23. November ist die aktuelle Ausstellung zu sehen:
14.09. bis 23.11.2025: Remembering Nature | Pauline Adler, Jana Bauch, Florian Staudenmaier, Herman De Vries, Frank und Ursula Wendeberg, Waltraut Späth: Werke und Objekte von den Dingen der Natur.
Im September konnte ich selbst diese Schau besuchen, erneut eine Schau für alle Sinne, die man direkt in der Fähre erleben sollte: erste Eindrücke dazu auch in unserem Hausbesuch vom 19.09.2025: Listen to your Eyes – Jürgen Linde zur aktuellen Ausstellung der Galerie „Die Fähre“ in Bad Saulgau: Remembering Nature.

Alexandra Karabelas will mit ihrem vielfältigen Programm alle Menschen ansprechen; alle Altersgruppen, alle Bevölkerungsgruppen; dabei nutzt sie ihre sehr weite Perspektive auch über alle Sparten der Kunst, um die Überschneidungen der verschiedenen Sparten als gegenseitige Inspiration zu aktivieren.

Auf der Website der Fähre finden wir die klare und genau gelesen höchst anspruchsvolle Zielsetzung: Im Mittelpunkt stehen: ALLE.

Bild oben: Alexandra Karabelas; © Schwäbische.de

(aus einem Interview von die Schwäbische.de (https://www.schwaebische.de/ )vom 14.05.2025:

Ein neues Abo soll das junge Publikum anziehen
(Interview mit Alexandra Karabelas:

Schwäbische:
Auffallend viele Kinder sind in den letzten Wochen im Kulturzentrum „Altes Kloster“ in Bad Saulgau ein und aus gegangen. Nicht nur, um die Stadtbibliothek zu besuchen. Ganze Gruppen von Kindergärten und Schulen haben die Türen der städtischen Galerie „Fähre“ geöffnet und sind in eine Welt eingetaucht, die für die meisten gänzlich neu war.
Mit all dem scheinen Sie bewusst starre Strukturen verlassen zu wollen. Statt nur Exponate anzuschauen und sich seine eigenen, meist einsamen Gedanken zu machen, geht es um mehr Austausch, um das Wecken von Neugierde, um Reflexion und Perspektivenwechsel. Kunst kann so viel mehr, als nur zu unterhalten?

(Alexandra Karabelas:)
Und wie! Das Erlebnis von Kunst kann glücklich machen und wirkt darüber hinaus sinnstiftend. Kunst regt das Denken an, ist absoluter Ausdruck von Freiheit und damit unserer Grundwerte. Deswegen sollten wir auch viel über Kunst sprechen und einander zuhören. Das lockere und vielseitige Miteinander im Museum ist insofern ebenso wichtig wie der inspirierende Besuch alleine. Sich darüber auszutauschen, was ein gutes Kunstwerk ist, wie es funktioniert und wie man mit ihm umgehen kann, macht Spaß und kompetent.

Hier wird deutlich, und Alexandra Karabelas sagt es auch deutlich: Die Kunstvermittlung macht nicht nur viel Arbeit auf der Seite, die diese konzipieren, organisieren und schließlich anbieten.
Nein, auch die, die angesprochen sind, sind gefordert, sich aktiv zu befassen mit der Kunst, also mitzuarbeiten – zu arbeiten also.
Nun haben wir heute ja oft den Eindruck, dass viele Arbeit lieber vermeiden – könnte sie doch unmittelbar die Work/Life-Balance gefährden !?

Doch wenn diese Arbeit auf notwendigerweise kommunikative oder gar auf spielerische Weise geschieht, wie jetzt in Bad Saulgau, dann ist das Gegenteil der Fall: Wir lernen erneut, dass Arbeit Freude machen kann, zumal, wenn das Ziel schon in Sichtweite ist: Das Erlebnis von

Kunst kann glücklich machen

Jürgen Linde im November 2025