Es gibt Zeitgenossen, die fühlen sich von Bahnhöfen oder Flughäfen stark angezogen. Dabei geht es nicht nur um die „großen Maschinen“, denen man an solchen Orten staunend begegnen kann; es geht – zumindest den Schriftstellern – dabei vornehmlich auch um Menschen, die man an Orten, die weg-, aber auch heranführen, treffen kann. Denn – es mag ziemlich abgedroschen klingen – irgendwie sind wir ja alle auf Reisen. Auch wenn wir nicht immer genau wissen, wohin uns der Weg führt. Zum Trost: Der Weg ist das Ziel. Meistens jedenfalls.
Zu den ständig Reisenden gehört auch der Schweizer Autor und Kabarettist Franz Hohler. Schon von Berufs wegen. Hohler schreibt und berichtet seit Jahrzehnten von Reisen, die nicht immer zu unserer Vorstellung nach ganz konkreten Zielen führen. Und das müssen sie auch nicht. Es handelt sich schließlich um Literatur und zu der gehört auch immer die Phantasie.
Zum Reisen gehört natürlich auch immer der Aufenthalt, gehört das Warten. Wer kennt das nicht, von der DB, von Flughäfen und verwandten Situationen? Warten und Innehalten beinhaltet auch immer die Chance, die Richtung, die Haltung zu ändern. Das bedingt ein gewisses Maß an Empfindsamkeit und Nachdenken. Genau davon handeln – in sehr persönlicher und kurzer Form – auch die jüngsten Hohler-Geschichten (und -len). Wie immer pointiert und direkt aus unser aller Wirklichkeit gegriffen. Wann diese kurzen Erzählungen vom Konkreten in das Reich der Phantasie abschweifen, bleibt wo es hingehört: im Nebulösen. Hohler ist schon immer ein Meister der wenigen Worte, kann in vier Zeilen mehr erzählen und vermitteln, als andere in vier Stunden. Beim Warten, auf was, auf wen auch immer, lässt sich sehr viel entdecken. Vor allem neue Welten. Reisen beginnt im Kopf. Aber nicht garantiert fahrplanmäßig. Ein Buch zum Immer-wieder-lesen.
Franz Hohler, Fahrplanmäßiger Aufenthalt, Luchterhand, 112 S., 18 Euro