Buchbesprechung von UliRothfuss
In der Weltsekunde Nürnbergs, am Übergang zur Renaissance, als die Stadt Handels- und intellektuelles Zentrum des deutschsprachigen Raums war, wirkte dieser genialische Geist in seiner Heimatstadt: Willibald Pirckheimer. Michael Waschk, Jurist und Rechtshistoriker, hat sich auf die Spur dieses Universalgeistes gemacht und präsentiert in diesem sehr ansprechend gestalteten Band einen homme de lettres, der mitten in seiner Zeit stand und weit darüber hinausblickte; ein Humanist, juristisch gebildet an den damals für die Rechtswissenschaft führenden italienischen Universitäten in Padua und Pavia, wobei der Vater Pirckheimer, auch vielseitig gebildeter und vernetzter Diplomat, ihn anhielt, sich auch den schönen Wissenschaften zu widmen und zu lernen, Gedichte zu schreiben. Ihn aber auch ermahnte, “erhalte Dir die Furcht vor dem Herrn”, und “halte Dich von leichten Mädchen fern”.
Willibald Pirckheimer trat in Nürnberg das Erbe der alten, superreichen Partizierfamilie an, im großherrschaftlichen Haus am Hauptmarkt und als Ratsherr in der Stadtregierung. Für Geld arbeiten musste er nicht, die Familie war seit Generationen sehr wohlhabend aus den Handelsgeschäften der Vorfahren, und so konnte er sich ganz seinen Bürgermeistergeschäften widmen, wie auch seinen Übersetzungs- und Sammeltätigkeiten der wichtigen Bücher seiner Zeit.
Pirckheimer unterhielt Kontakt zu einem breiten Netzwerk der Intellektuellen seiner Zeit, zu den Refomatoren Luther und Melanchton genauso wie zu Erasmus von Rotterdam, und einer seiner nächsten Freunde war der gleichermaßen genialische, mit ihm in Nürnberg aufgewachsene große Albrecht Dürer, dem Austausch mit ihm widmet Waschk in seiner Biografie ein umfangreiches Kapitel; dabei wird dem Leser auch Dürer als Mensch und nicht nur als Künstlergigant vorgestellt, die im Buch enthaltenen Briefauszüge erlauben einen tiefen Blick in die Zeit, auch in die Drastik der verbalen Äußerungen selbst in gebildeten Kreisen, auch in dem freizügigen Umgang mit dem weiblichen Geschlecht. Wobei auch die Spekulation über eine gewisse homoerotische Beziehung zwischen Pirckheimer und Dürer nicht ausgespart wird, die sich aus einem handschriftlichen, recht drastischen Zitat, speist.
Pirckheimer wird uns vorgestellt als einer aus den Patrizierfamilien Nürnbergs stammenden Stadtregenten, als Diplomat auf Mission für die freie Reichsstadt, als Kriegshauptmann eines im Schweizerkrieg aktiven Nürnberger Truppenteils, es wird ausführlich das engagierte Eintreten Pirckheimers für Überzeugungen wie den Kampf für den Erhalt jüdischer Schriften im berühmten Reuchlinstreit, eingegangen, auch auf seine lebenslang intensiv gepflegte Beziehung und den intellektuellen Austausch mit seiner Schwester Caritas Pirckheimer, der Äbtissin des Klosters St. Klara in Nürnberg, und natürlich wird Pirckheimers Austausch mit Martin Luther thematisiert, Nürnberg stand seit den Nürnberger Religionsgesprächen 1524 fest zur lutherischen Lehre, wenn auch Pirckheimer zeitlebens katholischer Christ blieb.
Der Band versammelt eine Vielzahl historischer Dokumente und Abbildungen, Schriftstücke in Faksimile, die Wiedergabe eines Kupferstichs des Schweizerkrieges, oder eine Abbildung des herausragenden Holzschnitts von 1559 mit Titel „Die Reformatoren vor Nürnberg“ und ist so auch beim Blättern eine Fundgrube der Geschichte des süddeutschen Raums der frühen Renaissance.
Es ist dies ein schönes Buch, eine Augenweide, hervorragend gearbeitet, zum darin Blättern, sich in die hervorragenden Bildwiedergaben zu vertiefen, aber auch zum sich Festlesen in einem überaus spannenden Teil der Nürnberger Geschichten mit vielen, vom Autor erzählerisch gekonnt, spannend und doch mit augenzwinkernder Distanz aufbereiteten Geschichten, die insgesamt ein imposantes Bild eines imposanten Menschen Willibald Pirckheimer ergeben.
Michael Waschk: Willibald Pirckheimer – Jurist, Humanist und Freund Dürers. Geb., 38 Abb., 128 S., Context Verlag, Nürnberg 2019. 19,90 €.
Uli Rothfuss