Literarische Kunststücke: Der Streletz-Schuber, von Werner Streletz

Buchtipp von Uli Rothfuss

– Unterwegs mit Georg Trakl, Robert Desnos und Edgar Allan Poe.

Drei Bücher in einem Schuber, Bücher, die Werner Streletz zur Feier seines 70. Geburtstages in hervorragender Ausgabe von seinem projektverlag, in dem er lange Jahre veröffentlicht, zum Jubiläumsgeschenk gemacht worden sind. Es sind dies hervorragende kleine Lesestücke, die viel von des Autors Sicht auf die Literatur und damit auf die Welt verraten – seine Auseinandersetzung mit ihn prägenden Literaten über die Jahre, Jahrzehnte hinweg, und, das eint alle drei Bände, in genau dieser sehr persönlich beschriebenen Annäherung an die Werke großartiger Schriftsteller, die freilich unterschiedlicher kaum sein könnten.

Im ersten Band „Meine Tage mit Georg Trakl“ wird diese begleitende poetische Erforschung des Betrachteten, Georg Trakl, eindringlicher, greifbar. Der Dichter Trakl wird als Zeitgenosse erlebt, in einer „ungefähren Gegenwart“, wie auf dem Klappentext zu lesen ist, Streletz versucht eine literarisch-musikalische Annäherung, musikalisch bis hinein in die poetischen Texte von und über Trakl. Am Ende wird dem Leser dieser betrachtete Dichter zum Freund, zum unverzichtbaren Begleiter durch den Alltag. Man gerät in den Sog der Streletzerzählweise (auch in seinen poetischen Texten) und entdeckt, dass jeder Autor, den ich mir erschließe, mit mir in einer ungefähren Gegenwart lebt, da ich ihn in meinen Alltag einbaue, in Dialog mit ihm trete, auch über das, was mich alltäglich bewegt.

Noch eindringlicher wird dies mit „unterwegs mit robert desnos“ wo der Franzose, Robert Desnos, hierzulande nicht sehr bekannt, näher gebracht wird, und Werner Streletz erzählt dessen „abenteuerliches und tragisches Schicksal“ aus der Perspektive des Gefährten, des Begleiters, der Desnos Leben erfährt, indem er mit ihm sich auf sehr erlebende Weise austauscht, der seinen Alltag teilt, auch seine Literatur sehr nahe mit ihm erfährt. So erschließt sich ein Literat sehr nahe, anschaulich, und Werner Streletz versteht es, uns diesen französischen Literaturgranden subtil nahezubringen, eben über seine sehr eindringliche Erzählweise, die uns in vielem mit dem Werk von Desnos verwebt.

Und das verstärkt sich noch in Spitzen hinein im letzten Band, „Eine Begegnung mit Edgar Allan Poe“, in dem der Autor als Protagonist diesem zeitgenössischen Poe begegnet, immer wieder, in Wettstreit und Streit mit ihm tritt, fasziniert und sich immer wieder abkehrend zugleich. Auch hier erfahre ich viel über Poe und sein Werk, und indem dieser sehr vorsichtig in das Tägliche eingebaut wird, lässt es diesen heutigen Poe zum Begleiter werden. Mit einer soghaften Erzählkraft geschrieben, lässt uns diese kleine Erzählung nicht los, und wir erleben etwas seltenes, dass drei so unterschiedliche Bücher über sehr unterschiedliche Protagonisten doch als Einheit aufgefasst werden, die in vielem auf den Verfasser der drei Bände zurückweisen – als jemand, der nicht nur liest und Erfahrungen verbreitet, sondern jemand, der seine Lektüren in sein Leben hinein transferiert, verarbeitet und dann etwas völlig neues, kleine literarische Kunststücke, daraus generiert.

Ein großer Lesegenuss, den ich möglichst vielen Leserinnen und Lesern wünsche.

Werner Streletz: Der Streletz-Schuber. Unterwegs mit Georg Trakl, Robert Desnos und Edgar Allan Poe. Eine Trilogie. 188 S., Projektverlag, Bochum/Freiburg, 2019, 28,80 €.