Einblicke in das Werden eines großen Museums

Einblicke in das Werden eines großen Museums – Leiners Erben: Biografie eines Museums, das Rosgarten Museum in Konstanz, von Tobias Engelsing

Buchtipps von Uli Rothfuss im kunstportal-bw

Der Titel dieses Prachtbandes ist wohl gewählt: Leiners Erben; ein Buch über ein Museum, das in seiner Vielfältigkeit, in seinen Bezügen zur Wissenschaft wie zum Leben, kaum überschätzt werden kann: das Rosgarten Museum in Konstanz, vor 150 Jahren von Ludwig Leiner gegründet, und verfasst von Tobias Engelsing, seit 2007 Leiter der Konstanzer Museen und sensibler Seismograph nicht nur museumsdidaktischer und -pädagogischer Feinheiten, sondern auch süddeutscher, Konstanzer Details der alltäglichen Kultur – studierter Historiker, Autor und gelernter Lokaljournalist, und von daher schon vertraut mit lokal- und regionalkulturellen Spezialitäten, aber auch mit trickreichen Methoden der Recherche; all das kommt dem heutigen Museum zugute; und auch diesem herrlichen Buch.

Das Buch gibt detailliert Einblicke in das Werden des Museums, in die Herausentwicklung von einer zunächst wenig definierten, geschweige denn wissenschaftlich aufgearbeiteten Sammlung hin zu einem heute unverzichtbaren Mittler zwischen Region, historischen Bezügen und Zeugnissen, und moderner wissenschaftlicher Recherche und Aufarbeitung. Die Gründung der Konstanzer Universität Mitte der 60er gab weitere, entscheidende Impulse, gemeinsam mit der zeitgleichen Erweiterung des Kulturbegriffs weg vom abgehobenen Vorbehalt für Gebildete und Vermögende, hin zu einer, wie es Hilmar Hofmann und Hermann Glaser formulierten, „Kultur für alle“; das Museum, und zumal ein Museum, das eine Mischung aus Kulturhistorik, Ethnologie, Sammlungen der Regionalkultur und vieles mehr umfasst, muss in diesem Spannungsverhältnis seine Bestimmung, auch seinen Bildungsauftrag finden. 

Die Zeitenwirrungen dazwischen, zwischen der Gründung vor über 150 Jahren und dem Heute, die Prägungen durch die Gründerfamilie Leiner – insbesondere den ersten Museumsleiter und Apotheker Ludwig, dann seinen Sohn Otto Leiner, die dritte Generation, Bruno Leiner und seine Museumsreform, dann das Lavieren durch die NS-Diktatur, Nachkriegszeit, dann die letzte Leiner in der Museumsspitze, Sigrid von Blanckenhagen geb. Leiner – die das Museum neu ordnete und aufstellte, ihr gelang es nach persönlich existenz- und lebensgefährdenden Zeiten, das Erbe des bewunderten Vaters im Museum und seiner Charakteristik zu bewahren und es dennoch behutsam aber entscheidend für die nächsten Jahre aufzustellen. Wie vorher schon mehrfach ein Glücksfall für das Museum, für die Stadt und die Region.

Kenntnisreiche Beiträge geben durchweg differenzierte Einblicke in die Entwicklung des Museums, begleitet von einer Vielzahl von Fotografien und Abbildungen, die veranschaulichen – das Buch kann so wahrlich als Museumsbiografie durchblättert und gelesen werden; zugleich auch als Geschichtsbuch auch der Region am und um den Bodensee bis hinein in Schwarzwald und nach Oberschwaben, und überhaupt – ein Ritt durch die Zeitgeschichte, an der Hand eines Museumsgeschichtsführers, vom Journalisten und Museumsleiter Tobias Engelsing flott, anschaulich, spannend geschrieben, die Abbildungen in ausnahmsguter Qualität, eine wahre Fundgrube der Anmerkungsteil, die Literaturhinweise und das Namensregiser, das gesamte Buch, die herausragende, zurückgenommene, ästhetisch korrespondierende Gestaltung, all das, – schon wenn man es in die Hand nimmt, lässt Gewicht, Qualität, hervorragende Verarbeitug geradezu fühlen. Hervorragend!

Tobias Engelsing: Leiners Erben. Biografie eines Museums. Geb., 250 S., zahlr. Abb., Südverlag, Konstanz 2020, 24.80 €.