Reiner Maria Matysik -Institut für postevolutionäre Lebensformen

21. August – 24. Oktober 2021 | Kunstmuseum Heidenheim

Foto: Installationsansicht: Sexuelles Begetieren, Installation, Galerie Weisser Elefant, Berlin 2019, © VG Bild-Kunst, Bonn, 2021

Das neugegründete Institut für postevolutionäre Lebewesen im Kunstmuseum Heidenheim gewährt Besucherinnen und Besuchern spannende Einblicke in die Zukunft.

Diese wird am Beispiel unterschiedlicher neuartiger Organismen deutlich, die sich durch spezifische Eigenschaften und Fähigkeiten den veränderten Bedingungen unserer Erde angepasst haben. Entwickelt wurden die Exponate aus Wachs, Keramik, Styrodur oder 3D-Druck vom Künstler Reiner Maria Matysik, der damit Brücken zwischen naturwissenschaftlicher Forschung und künstlerischer Tätigkeit schlägt. Er fragt damit nach Möglichkeiten und Folgen der Evolution sowie der menschlichen Einflussnahme auf diese.

Im Kunstmuseum Heidenheim sind mehrere Gruppen dieser spekulativen Wesen präsentiert. Besucherinnen und Besucher können durch Texte und Führungen mehr über deren außergewöhnliche Lebens- und Wuchsformen erhalten. Hierbei ist auffällig, dass die Grenzen zwischen Mensch, Pflanze und Tier nicht mehr so eindeutig sind, wie wir dies bisher gewohnt sind. Stattdessen begegnen wir Hybriden, die mehrere evolutionär entwickelte Fähigkeiten in sich vereinen. So kann es sein, dass kaktusähnliches Gebilde sich mit seinen kräftigen Armen fortbewegt und sich danach ähnlich einer Fledermaus an seinen Extremitäten aufhängt [fas deletum] oder ein blumenhaftes Wesen Eiskristalle an seinem Körper wachsen lässt, um so tiefe Temperaturen überstehen zu können [udicola turgida].

00005 caecus occultus (verborgener blinder), 2016, Plastillin, ©VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Diese sogenannten Bionten sind nicht nur hinsichtlich der Auswirkungen des Klimawandels interessant, sondern basieren auch auf der Annahme Matysiks, dass der Mensch aktiv in das evolutionäre Geschehen eingreifen wird und soll. Die unglaubliche Geschwindigkeit der Entwicklung in der Gentechnik und der Molekularbiologie lässt schon heute erahnen, dass die Zukunft völlig neue Denkprozesse voraussetzt. Hierbei steht vor allem der menschliche Herrschaftsanspruch zur Disposition. Der Mensch kann sich nicht länger über andere Lebensformen erheben, sondern muss vermehrt zu einem symbiotischen Verständnis gelangen, in dem Technik, Flora, Fauna und Wissenschaft in einem Gleichgewicht zueinander sind. In diesem Zusammenhang steht auch Matysiks Reihe Sexuelles Vegetieren, bei dem er durch gesprochene Texte und intime Räumlichkeiten dazu animiert, die neuen Lebewesen körperlich zu erfahren und sich mit ihnen zu vereinen.

Wie viele Möglichkeiten die jetzige Forschung schon hat, zeigt das Projekt Lebende Skulptur. Hierfür ließ sich Matysik im Labor eigene Hautzellen entfernen. Mit Unterstützung des Deutschen Instituts für Zell- und Gewebeersatz ließ er das Gewebe wachsen und präsentiert es nun als gewachsene Arbeit in Alkohol eingelegt im Kabinett des Kunstmuseums.

Auch während der Ausstellung werden neue Lebewesen produziert. In einem hochmodernen 3D Drucker der Firma Voith werden im ersten Monat der Schau im Museumsfoyer Entwürfe des Künstler gedruckt und in die Ausstellung integriert.

Mit seinen vielgestaltigen visuellen Überlegungen motiviert Reiner Maria Matysik das Publikum, über die biologische Entwicklung der Welt nachzudenken und darüber zu reflektieren, wie stark der Mensch in diese eingreifen darf oder soll.