Die Provinz lebt

Thomas C. Breuer: Als Champion Jack Dupree mir half, im strömenden Regen einen Opel anzuschieben

Irgendwie sind wir doch alle in der Provinz aufgewachsen. Zumindest fast alle. Selbst die großen Städte des Südwestens, Stuttgart, Mannheim und Karlsruhe waren in den 60er- und 70er-Jahren überwiegend provinziell oder kommt ein Leser aus Hamburg, West-Berlin oder München? Wahrscheinlich nicht.

Folglich geht es dem Autor Thomas C. Breuer mit seiner Herkunft Eisenach, das bald von Bad Ems abgelöst wurde, wie vielen seines Jahrgangs 1952. Später verschlug es Breuer dann nach Koblenz (ein wahnsinniger Schritt Richtung Weltstadt), jetzt lebt der Autor und einstige – sehr erfolgreiche – Kabarettist in einer schwäbischen Metropole, in Rottweil. Da liegt der Hund begraben, also nicht Breuer, sondern eher der berühmt-berüchtigte…

Denn der Jahrgang (und ein paar davor und danach) leidet unter erheblichen Adoleszenzschmerzen. Während die Beatles abrockten („Sie liebt dick“) und die Stones bluesten, was das Repertoire Muddy Waters‘ hergab, träumten die Jungs in Bad Ems (Emser Erlass und Pastillen – das wars dann) von der großen weiten Welt und dem Besuch von Ringo. Nix wars.

Musik musste man damals meist selbst machen, ebenso wie Sex. Und irgendwann lernte es jeder, auch Thomas C., meist mithilfe von Gleichgesinnten. In diesem Fall auch auf der Mundharmonika zu blue(a)sen, das kann in Sachen Sex helfen. Kann. Immerhin gab es dann Konzerte von Steamhammer oder ein Wahnsinns-Festival auf der Insel Grün bei Germersheim (1972). Irgendeiner hatte einen alten klapprigen Käfer, aber dessen Sitzplatzkapazität war gegenüber dem Andrang sehr begrenzt. Kein Wunder bei Pink Floyd, Frumpy, PG&E, Uriah Heep, Buddy Miles Express und Incredible String Band undundund. Woodstock in Rheinland-Pfalz. ThCB war dabei.

Und er kann einfach begeistert über diese Zeit schreiben, ebenso über seine zahllosen Erlebnisse als Roadie, Fahrer und Mädchen für alles für die Veranstalter von Blues-Konzerten mit teils besoffenen Musikern, die – noch ganz im alten Stil – nur mit Anzug auftraten. Oder eben Champion Jack Dupree (den ein gewisser John Mayall „ausgegraben“ hatte), der schieben musste.

Breuers Stories sind alle wahr, ein wenig übertrieben vielleicht, geprägt vom jugendlichen Hochgefühl jener Zeit, von ein wenig rückschauender Euphorie, aber wahr, sehr sogar. So oder ähnlich jedenfalls. Und zu jeder der Stories, die Breuer für den Band überarbeitet und einige dazu geschrieben hat, gibt es Hörempfehlungen. Denen sollte man Folge leisten. Dann kann man auch einen so großartigen Musiker wie Julian Dawson kennenlernen. Breuer wird gerne mit Nick Hornby verglichen. Da ist einiges dran.

Also: Alte Scheiben raus, lesen, hören und staunen (Dawson gibt es auch auf CD).

Thomas C. Breuer, Als Champion Jack Dupree mir half, im strömenden Regen einen Opel anzuschieben, 208 S, ISBN: 978-3-87512-496-5, MaroVerlag, 18 €.

PS: Der Autor dieses Schmökertipps freut sich, dass er mal vor zig Jahren (1982) zusammen mit Breuer und Dawson auf der Bühne des Stuttgarter Renitenztheaters gestanden hat.