Willi Siber – B.A.R.O.C.K.E.P.R.A.C.H.T

Galerie im Prediger Schwäbisch-Gmünd | 18. Juni bis 20. August 2023

Sonntag, 18. Juni 2023, 11 Uhr, Prediger Festsaal

BegrüßungKurt Abele, Vorstandsvorsitzender der VR-Bank Ostalb eG
GrußwortRichard Arnold, Oberbürgermeister der Stadt Schwäbisch Gmünd
EinführungDr. Sabine Heilig, Kunsthistorikerin und Mitglied der Kunstpreis-Jury
Verleihung KunstpreisKurt Abele, Vorstandsvorsitzender der VR-Bank Ostalb eG
MusikAndreas Holdenried, Saxophon & Sigi Köster, Akkordeon

20. August 2023, 15:00: Künstlergespräch mit Willi Siber zur Finissage der Ausstellung b.a.r.o.c.k.e.p.r.a.c.h.t
Zum Abschluss seiner Ausstellung b.a.r.o.c.k.e.p.r.a.c.h.t in der Galerie im Prediger kommt Willi Siber zum Künstlergespräch. Die Moderation hat Kurator Joachim Haller. Der Eintritt ist frei.

Bild rechts: Willi Siber, Wandobjekt, 2020, Bronze patiniert, 38 × 28 ×10 cm. © VG Bild-Kunst, Bonn 2023

„Ich will faszinieren, was die Ästhetik und die Sinnlichkeit, was die Wechselwirkung von Licht und Raum, was den Zauber angeht, der uns wegführt von unserer funktionalen, nüchternen Welt“, sagt Willi Siber. Der 1949 geborene Bildhauer, Maler und Zeichner zählt zu den wichtigsten süddeutschen Künstlern von internationalem Renommee. In über 40 Jahren schuf er ein unverwechselbares Œuvre, das immer wieder durch neue Bild- und Formfindungen überrascht. Für sein in über 40 Jahren gewachsenes, ebenso facettenreiches wie originäres Werk erhält der Bildhauer, Maler und Zeichner in diesem Jahr den Kunstpreis der VR-Bank Ostalb. Die seit 2005 verliehene und mit 5.000 Euro dotierte Auszeichnung richtet sich an Künstlerinnen und Künstler, die sich innerhalb der Kunstszene in Südwestdeutschland hervorheben.

Bild links: Willi Siber,: Tafelobjekt, 2023, PIR und Chromlack, 100 × 100 × 10 cm. © VG Bild-Kunst Bonn, 2023

Bild lrechts Willi Siber: Installation Wandobjekte, 9-teilig, 2020, MDF, Chromlack, 145 × 40 × 10 cm. © VG Bild-Kunst,

Die Kunst von Willi Siber lässt sich in keiner Stilrichtung verorten – so groß wie die Bandbreite seiner künstlerischen Ausdrucksformen ist auch die Variationskraft seiner Bilder, Skulpturen und Objekte. Diese resultiert aus der steten Erforschung materialimmanenter Eigenschaften und der Erörterung fundamentaler Themen, die Willi Siber auf unterschiedlichsten Ebenen in seiner Kunst verfolgt: die Fragen nach dem Werkstoff, seiner Bearbeitung und Verwandlung, dem verwendeten Farben- und Formenkanon und die Fragen nach Raum, Licht und Ästhetik. In serieller Erarbeitung sucht er nach immer neuen Möglichkeiten, die Grundlagen sinnlicher Wahrnehmung auszuloten, das optische Wechselspiel von Zwei- und Dreidimensionalität, von Materialisierung und Entkörperlichung künstlerisch auszuschöpfen und weiterzuentwickeln.

Bild links: Installationsansicht Galerie im Prediger: Wandobjekte, 14-teilig, 2023 / Tafelobjekt, 2022 / Bodenobjekt, 1996. © VG Bild-Kunst, Bonn 2023. Foto: Frank Kleinbach, Stuttgart.

Die Intention, dem Material unerwartete Formen und Optiken zu entlocken, zeigt sich im Werk von Willi Siber von Anbeginn seines künstlerischen Schaffens. Beispielhaft dafür stehen in der Ausstellung drei frühe Arbeiten. Dazu gehört ein 1996 datiertes, gitterartiges Bodenobjekt, in welchem der Künstler das bildhauerische Prinzip von Hülle und Kern thematisiert. Die Arbeit setzt sich additiv aus unzähligen einzelnen, geweißten Holzteilen zusammen. Durch die raue, farbige Fassung wird die Maserung getilgt, ohne den Holzcharakter ganz aufzugeben. Mit ihrem filigranen, einen Leerraum umschreibenden Gittergeflecht wirkt die Skulptur luftig und leicht, einem Luftkissen gleich. Im Ineinandergreifen von innerer und äußerer Form eröffnet sich ein dynamisches Wechselspiel mit dem Umraum, das die damit verbundenen Wahrnehmungsveränderungen und -wirkungen im Raum einschließt.

Bild rechts: Willi Siber, Tafelobjekt, 2022, Metall, PIR, Epoxy, 116 × 152 × 7 cm. © VG Bild-Kunst, Bonn 2023. Foto: Henrik M. Linder, Kisslegg

Die Entdeckung des Werkstoffs Epoxidharz im Jahr 2003 regt Willi Siber in den Folgejahren zu immer neuen Werkserien an, von denen die Ausstellung Beispiele zeigt. Es handelt sich dabei um Objekte, die aus einer eng mit Metallnägel beschlagenen Holz- oder Hartschaumplatte bestehen. Die Nägel bilden eine Verbindungsbrücke und zugleich den Haftgrund für eine zweilagige Beschichtung mit farbpigmentiertem Epoxidharz. Trotz Einfärbung bleibt das glatte, gallertartig Harz, das durch seine Viskosität fließende Formen ermöglicht und im späteren Arbeitsprozess aushärtet, leicht transparent. Durch den Abstand der Nägel zum Untergrund und die unterschiedliche Dicke des eingefärbten Harzes entsteht eine facettenreiche, teils unregelmäßig durchbrochene pastellige Farblandschaft, einer biomorphen Haut ähnlich. Der Blick auf ein solches Nagelbild gleicht „einer Momentaufnahme eines leuchtenden Sees, der mal ruhig und glatt die Umgebung reflektiert, mal bis auf den Grund schauen lässt, Inseln bildet oder undurchdringlich wirkt“ (Sabine Heilig).

Willi Siber, Tafelobjekt, 2021, MDF, Interferenzlack, 120 × 120 × 12 cm. © VG Bild-Kunst, Bonn 2023.
Foto: Henrik M. Linder, Kisslegg


Der innovative Umgang Sibers mit dem Material wird in der Ausstellung im Weiteren in den Objekten mit Interferenz- und Chromlack-Oberflächen deutlich. Die in mehreren Schichten aufgetragenen Lackschichten changieren in ihrer Farbigkeit und erzeugen eine enorme Tiefenwirkung und Plastizität. Die Farbe ist dabei, wie in allen Arbeiten von Willi Siber, nicht bloß dekorative Hülle für die Form, sondern elementarer, plastischer Bestandteil und ebenbürtiger, sogar formgebender Werkstoff. Im Grenzbereich zwischen Malerei und Bildhauerei situiert, konfrontieren die Arbeiten den Betrachtenden bei jedem Standortwechsel mit unterschiedlichen Form-, Licht- und Raumerscheinungen und sich wandelnden Eindrücken: schwer und leicht, massiv und zart, hermetisch und durchlässig, organisch und konstruktiv, einfach und komplex, statisch und dynamisch. Diese Objekte bilden den Höhepunkt einer Werkgenese, deren Anliegen es ist, Phänomene von Farbe, Licht und Raum aufzuzeigen und Themen wie die Veränderbarkeit, Auflösung von Materie und Körperhaftigkeit zu behandeln.

Willi Siber, Bodenobjekt, 2020, Metall, Chromlack, 92 × 35 × 35 cm. © VG Bild-Kunst, Bonn 2023. Foto: Henry M. Linder, Kisslegg.

Auf der Suche nach neuen Materialien gelangt Willi Siber 2011 schließlich zum Stahl. Ausgangsmaterial für die aus diesem Material entstehenden Wand- und Bodenobjekte sind Stahlrohrprofile, von denen er Einzelstücke unter hohem Druck kappt. Die Teile verschweißt er zu bewegten Formen, die an geknickte Strohhalme denken lassen. Den Stahl belässt er allerdings nicht im Rohzustand, sondern er veredelt ihn durch die Bearbeitung mit mehreren Schichten farbigen Lacks. Die Knicke und Kanten entwickeln auf diese Weise ein Licht- und Schattenspiel, in welchem unzählige Farbnuancen entstehen. Durch sein technisch ausgeklügeltes Verfahren verleiht der Bildhauer dem schweren Industriematerial eine kaum für möglich gehaltene Leichtigkeit und Eleganz, wie die Ausstellung exemplarisch zeigt.

Bild links: Installationsansicht Galerie im Prediger: Tafelobjekt, 2022 / Installation Tafelobjekte, 8-teilig, 2022 / Tafelobjekt, 2021 / Wand- bzw. Sockelobjekt, 2022. © VG Bild-Kunst, Bonn 2023. Foto: Frank Kleinbach, Stuttgart.
Egal in welchem Material Willi Siber arbeitet, sein künstlerischer Prozess ist stets mit konsequenter Forschungsarbeit verbunden. Er ist ein Tüftler und verwendet oft Monate darauf, bestimmte Wirkungen zu erreichen und den Werkstoff zu beherrschen. Jede Arbeit begründet sich in einem Prozess vieler aufeinanderfolgender und genauestens aufeinander abgestimmter Arbeitsschritte, die sich letztlich in einem perfekten ästhetischen Ganzen artikulieren. Und ob aus Holz, Hartschaum oder Stahl, aus Bronze, Chromlack oder Harz – Willi Sibers Wand-, Boden- und Raumobjekte ziehen den Betrachter unweigerlich in ihren Bann, suchen ihn mit ihrer ästhetisch-sinnlichen Wirkung zu fesseln.