Stille – über Gabriela Stellino

Aktuelle Ausstellungen und Projekte von Gabriela Stellino

Stille

Längst ist es Zeit, der argentinischen Künstlerin mit italienischen Wurzeln ein Porträt zu widmen. Seit über 10 Jahren lebt Gabrela Stellino in Riegel, wo sie mir bei einem Besuch in ihrem (nach ihren eigenen Vorstellungen gebauten und) atmosphärisch sehr starken Atelierhaus einen Einblick gibt in ihre künstlerische Arbeit, die meistens in Werkgruppen entsteht.

Neben wenigen Gemälden und Videoarbeiten (auf die wir weiter unten zurückkommen werden), erlebte die Künstlerin zuerst als Zeichnerin. Inzwischen weiß ich, dass diese Schublade viel zu klein ist für Kunst von Gabriela Stellino, deren Arbeit eher als Kombination verschiedener Techniken zu beschreiben ist: Die Künstler erklärt selbst:”Die Kombination verschiedener Techniken eröffnetneue Möglichkeiten, Dies lässt sich deutlich an den aktuellen Projekten erkennen: Beispiele finden wir bei der Serie Tagesfarben, Collage & Aquarell, oder bei Kabinettformat Druck& Relief, oder bei der Serie Papierarbeiten. Schiribizzi ( Aquarell & Relief) .
Ähnlich wie “Zeichnung als Schublade zu eng ist, sprengte auch die Darstellung der beeindruckenden Vielfalt dieser künstlerischen Arbeit den Rahmen unserer Künstlerporträts. Wir verweisen deshalb auf die Website der Künstlerin, die auch gleich auf der Startseite diese Vielfalt benennt: Malerei I Grafik I Neue Medien I Papierarbeiten.
Um auf der Website die Kunst von Gabriela Stellino zu erleben bedarf es der Ruhe des Betrachtens und also auch des Betrachters. Gabriela Stellino arbeitet in leisen Tönen, möchte ich sagen und schon wieder beginne ich mit Assoziationen, die für mein eigenes Kunstwahrnehmen und (hoffentlich:) Kunstverständnis so wichtig sind. Versuchen wir deshalb ein Künstlerporträt in Bildern; in Metaphern

Konsequenz und Kontinuität
nennt die Künstlerin als sehr wichtige Prinzipien ihrer Arbeitsweise.

Bild links: Blatt Nr. 6485 – Projekt – Schiribizzi I 2023 I VG Bild-Kunst Bonn, 2024

Oft entstehen aus einer gestalterischen Idee aufeinander folgend 10 bis 15 Exponate, in denen sie diese Idee genauer erforscht und weiterentwickelt; die gestalterischen Möglichkeiten entwickelt sie im Dialog mit ihrem jeweiligen Material – Aquarellfarben, Kohlestift, Tusche, Schere und Papier – 300mg Hahnemühle-Papier kommt ständig zum Einsatz: das Papier ist (im doppelten Sinne) Grundlage als auch integraler Teil ihrer Kunstwerks. Die besondere Haptik dieses Papiers ist der Künstlerin wichtig. Bei dieser Arbeit in Serien legt sie großen Wert auf Konsequenz und Kontinuität. Durch die serielle Arbeit lernt sie das jeweilige Materiel und/oder das Potential der Materialkombination sehr genau kennen; wieder einmal sehen wir hier die Verbindung zwischen Kunst und Wissenschaft: die sensible und genaue Wahrnehmung, Sensibilität ist Voraussetzung integraler Bestandteil der anschliessenden Gestaltung. Denken wir an einen improvisierenden Jazzer: Joe Zawinul (Weather Report) etwa nahm sich gerne minutenlang Zeit, um den Raum, die Atmosphäre zu spüren, bevor er den ersten Ton plazierte; manchmal entwickelte sich dann daraus ein Thema, das als “Standard” inzwischen zur Musikgeschichte zählt – wie etwa Heavy Weather.

Bildende Künstler arbeiten oft ganz ähnlich: zuerst wahrnehmend und forschend, nicht voranpreschend und aggressiv; stattdessen aber konsequent und kontinuierlich – eher leise als laut und: Schritt für Schritt vorangehend.

Dies gilt sicher auch für ihre künstlerische Karriere: Konsequenz und Fleiß führen zu einer ständig wachsenden Präsenz der Künstlerin hier in der Region und darüber hinaus:
Seit einigen Jahren schon entdecken wir immer wieder hochinteressante Arbeiten der in Riegel lebenden Künstlerin Gabriela Stellino. Die Liste der Ausstellungen (mehrere Einzelausstellungen und zahlreiche Ausstellungsbeteiligungen, die sie alleine im laufenden Jahr präsentiert, veranschaulicht deutlich, wie präsent dieKünstlerin überall im Lande derzeit ist.

Bild rechts: Plakat zur Ausstellung in der Galerie Brötzinger Art mit einer Arbeit aus der Serie “Papierarbeiten”, 2022-2023
11 Dreidimensionale Papierarbeiten / dreidimensionale Papierarbeiten und Tinte; je 25 x 32,5 cm

2024:
Galerie Brötzinger Art, Pforzheim, Verein für künstlerische Auseinandersetzung (E)
Galerie K1, Freiburg (G)
Tag der Druckkunst / BBK
Projektraum Balagan, mit Ellen Schneider, Basel
Städtische Galerie Weil am Rhein I Kunstverein Weil am Rhein mit Colette Couleau und Verena Thuerkauf I Kurator: Andreas Frick
Kunstverein I Villa Berberich I Hochrhein I Bad Säckingen
Villa Sponte I Bremen

Als leise und hochkonzentriert erlebe ich die meist kleinformatigen Werke der Künstlerin. Die meisten ihrer Werkgruppen können wir als Raumobjekte bezeichnen; die Arbeiten ragen in den Raum hinein.

Musik
Aus vielen unserer Künstlerporträts wissen Sie, dass ich selbst sehr oft musikalische Assoziationen mit den bilderischen Eindrücken verbinde.; wie etwa in dem Beitrag “Farbklänge“ über die Malerin Elly Weiblen (Oktober 2023), die mir auch deshalb gerade einfällt, weil Gabriela Stellino wie diese mit dem Morat-Institut bei Freiburg zusammen arbeitet. Mehrere Projekte und eine umfassende Ausstellung entstanden aus der fortwährenden Zusammenarbeit.

Gabriela Stellino strukturiert oder arrangiert viele ihrer Werkreihen auf Papier in Zeilen – ähnlich einer Schrift – oder eben einer Notenschrift? Auch in ihrer farblichen Zurückhaltung evozieren diese Arbeiten musikalische Verbindungen; ich denke, dass Lyriker am Bass wie etwa Gary Peacock oder Steve Swallow oder ein John Surman mit dem Saxophon, so stelle ich mir vor, diese visuellen Eindrücke intuitiv in Musik umsetzen könnten. Musik; leise konzentriert und intensiv – verdrängen wir die irrationale angst vor Modewörtern: | kontemplativ.

Bild links: Tagesfarben

Farbkorrespondenzen
Einige der deutlich in den Raum greifenden Werke auf Papier, die Gabriela Stellino u..a. in der Galerie Brötzinger Art präsentierte, erscheinen mir als in Raum ragende Schrift – als ob sie Bewegungen der Hand beim Schreiben räumlich “festgehalten“ hätte – sie erinnern mich an die „Schreibübungen“ von Ute Krautkremer; die im Rheinland lebende Künstlerin pflegt (in diesem Fall jedoch mit Draht) einen artverwandten Umgang mit dem Raum.

Farbe
Auch was das Thema Farbe betrifft, arbeitet die Künstlerin sehr verhalten und wohldosiert:
In ihrer früh erkennbaren künstlerischen Begabung von ihren Eltern unterstützt, begann Gabriela Stellino schon mit 15 Jahren, ihre Arbeit zu professionalisieren. Während ihres späteren Kunststudiums in Buenos Aires – Pipo Ferrari nennt sie als einen ihrer wichtigsten Lehrer – hat sie ihre Ausdruckmöglichkeiten ständig weiterentwickelt.

Waren, die Farben am Anfang ihrer künstlerischen Arbeit, oft dominant, so hat sich dies während ihres Studium und danach deutlich geändert.

Nach ihrem Umzug nach Deutschland, wo sie selbst schreibt: “Kontakt mit der Winterlandschaft nahm” hatte sie bald weitgehend auf Farben verzichtet. Waren, so berichtet die Künstlerin, am Anfang ihrer künstlerischen Arbeit, Farben oft dominant, so hat sich dies während ihres Studiums radikal geändert. Immer mehr auf schwarz/weiß reduzierte Werke entstanden. Inzwischen kehren die Farben manchmal wieder zurück – ganz vorsichtig und leise scheinen sie auf – manchmal, so scheint es, um fast schon wieder zu verschwinden.

Besonders intensiv ansprechend erleben wir diese besondere Vorsicht / Achtsamkeit in den Videoarbeiten der Künstlerin; deren Youtube-Kanal einige (darf man das noch sagen: betörende?) Erlebnisse dazu bietet – manchmal ohne Ton:

Nicht Schweigen ist, das wir hier vernehmen, im Gegenteil, es ist Ruhe und Konzentration: Hier ein Beispiel:

Gabriela Stellino – Secuencia Nr. 15 (youtube.com)

Wir begannen mit einem Besuch in Gabriela Stellinos Atelierhaus; es befindet sich in einer ruhigen Wohngegend in einer Sackgasse – ganz ohne jeden Verkehrs- oder sonstigen Lärm:

Bild links: Gabriela Stellino in ihrem Atelier

Einen eignen Eindruck der Arbeitsweise der Künstlerin gewinnen Sie vielleicht am besten in dem hier verlinkten Video, das bei einem Atelier-Besuch bei der Künstlerin zur Eröffnung ihres Atelierhauses im Rahmen des 3. Tages der Druckkunst im Jahr 2020 erschienen ist: Gabriela Stellino zeigt und erläutert selbst neue kleinformatige Druckarbeiten aus dem Jahr 2020.

Genau dies ist Qualität dieser Arbeits- und Ateliersituation; eine Atmosphäre der Ruhe und Kontemplation. Was die Kunst von Gabriela Stellino besonders auszeichnet und was sie, die bei der Arbeit definitiv nie Musik hört, als eine notwendige Voraussetzung für ihre künstlerische Arbeit nennt:

Stille
Jürgen Linde im Mai 2024