Endlich. Endlich gehen Menschen auf die Straße.

Für das Dagegen. Keinen Schritt nach rechts.

Gegen Unmenschlichkeit. Gegen Hass. Für das Miteinander.

Ein Essay.

von Uli Rothfuss, PEN-Zentrum Deutschland.

Endlich. Endlich gehen Menschen auf die Straße.

Unglaubliches ist geschehen; kaum verhohlen Pläne, Menschen, die in meinem Land und mit mir, mit uns, leben, auszuweisen; Herrenmensch, wollen sie wieder mal spielen, diese ‚aufrechten‘ Deutschen, und Menschen das Lebe- und Existenzrecht hier, in meinem Land, nehmen.
Und als würden nun die Schlafwandelnden aufwachen, gehen sie endlich und das dann gleich in Massen, auf die Straße, um zu protestieren gegen diese schier unglaubliche Mixtur aus Weltfremdheit, Rückwärtsgerichtetsein, peinlicher Deutschtümelei, die nichts mit der Realität unserer Welt zu tun hat. Will ich das, will ich so ein Land? Und was bedeutet der Protest auf der Straße? Ist er echt gemeint?

Nie habe ich es verstanden, dieses Denken in so abgegrenzten Schubladen. Und mich entsetzte immer wieder, wie die offizielle Politik dieses perfide Denken für sich zu nutzen versucht; wenig Aufrechte mehr in der offiziellen Politik, dachte ich damals, und denke ich oft heute noch viel mehr.

Bild links: Demonstration in Calw; Foto: Uli Rothfuss

Ich war heute beeindruckt. War in meiner kleinen Stadt, Provinz im Schwarzwald, im Südwesten Deutschlands. Die Zivilgesellschaft hat zur Demonstration aufgerufen, gegen das immer unverhohlener geäußerte Gedankengut der neuen Nazis, die immer frecher und offener auftreten, die subtil hineinwirken in die Herzen der Menschen, um sie dem Unmenschlichen zugänglich zu machen; die großen Kirchen waren es vor allem, die aufriefen, geleitet vom christlichen Menschenbild der Nächstenliebe, die kommunalen Instanzen, die genau um den Wert des Zusammenlebens wissen, und die Menschen kamen zu Hunderten, vielleicht tausend, fünfzehnhundert auf den Marktplatz der Kleinstadt, am kalten Winterabend. Es gibt keinen, keinen einzigen Grund, diese sogenannte Partei der neuen Rechten, der Unmenschlichkeit und der in ihren Vertretern personifizierten Intoleranz zu wählen.

Und stattdessen alles zu tun, dass dem Bösen etwas entgegengesetzt wird, das verbindend, das genauso und immer mehr wachsend wirkt: das Gefühl für Vielfalt zu stärken, die Haltung für Toleranz, für das Verbindende im Menschlichen, im aufeinander Zugehen, Stoppschild gegen jeden Hass und gegen die Ausgrenzung.
Es gibt Menschen, die hinstehen, auch wenn sie dann Angriffe erleiden, Einschüchterungen. Die Täter, die braunen Täter, sind feige, sie scheuen das Licht; sie agieren im Zwielicht, geheim, und hinterhältig. Wir sollen keine Angst davor haben, wenn wir zusammenstehen, wenn wir sie entlarven, ihre Pläne öffentlich machen, wenn ihr Sumpf ausgetrocknet wird, und sie, die unsere freiheitliche Ordnung umstürzen wollen, mit Härte offenlegen, und mit den Mitteln des Rechtsstaats verfolgen. Keine Nachsicht, wir hatten solch ein Regime der Unmenschlichkeit, des Hasses und des Mordens in Deutschland, in meinem Land; nie wieder, das sollte sich uns allen eingeschweißt haben, nie wieder wollen wir solches Leid verursachen, nie wieder Menschen, egal welcher Herkunft, ausgrenzen. Und denen, die es versuchen, Grenze setzen. In Worten, in legalen Taten, mit den Mitteln des Rechtsstaats der Strafverfolgung. Konsequent. Nichts, nichts dulden, was der Intoleranz, der Ausgrenzung in irgendeiner Form Vorschub leistet.

Seien wir auf der Hut. Die unsere Freiheit Hintertreibenden agieren aus purem Eigennutz, sie wollen die Gewinnler der Krisen sein, die Nutznießer, mit Posten und Pöstchen, mit ihrem Mäusebiss in die Macht. Halten wir dagegen, mit Worten, und mit Taten – des aufeinander Zugehens, und wenn das nicht geht, mit konsequenter Abgrenzung.

Wir wollen das nicht, diese Ausgrenzung unserer Freunde; wir wollen Vielfalt, wir wollen ein Miteinander, das sich befruchtet. Ja, kämpfen wir für die Vielfalt. Mit Worten. Mit der Tat.
Ja, kämpfen wir für unser Land, für die Menschen, für alle, für die Vielfalt. Halten wir uns immer das aufeinander Zugehen offen.

Uli Rothfuss, 28.01.2024