Buchtipps von Uli Rothfuss. | über den Roman von Kristin Valla

Mit Eigensinn sich Raum schaffen, Raum zum Schreiben, davon handelt dieses Buch, und diesem so eigenen Sinn in Sprache Ausdruck geben; dazu Raum ganz im konkreten Sinn, eine Räumlichkeit, die mir Platz dafür schafft, Gedanken zu fassen, zu sortieren, und diese aufs Papier zu bringen, in einer Umgebung, die ich mir hierfür geschaffen habe; so denkt sich die Schriftstellerin Kristin Valla, und schreibt damit einen Roman des Suchens, des Kreisens um sich selbst, um die eigenen Bedürfnisse, als schreibende Frau, die Einflüsse ihrer Umgebung, auf das eigene Schreiben, direkt aufnimmt und manches Mal ungefiltert einarbeitet – aber eng verbunden mit dieser konkret bezeichenbaren Örtlichkeit ist der weite, der imaginäre, der nicht umgrenzte Raum des Denkens, der darüber hinaus noch benötigt wird für das Schreiben. Ein Raum, der ihr, unserer Schriftstellerin, Freiheit erlaubt, der sie von den Zwängen äußerer Notwendigkeiten befreit, sie hinaufhebt in Sphären des Denkens, des Komponierens im Schreiben, ein Raum, der ihr – und damit kommen beide Räume zusammen – Rahmen gibt, sich ein Leben im Schreiben zu ermöglichen.

Der Weg da hin ist alles andere als einfach, und schon gar nicht geradlinig – weil er eben Erfahrung benötigt und Irren, um Finden zu können. Das Herausfinden aus den familiären Verpflichtungen der jungen Schriftstellerin, die im Täglichen einfach nicht mehr zum Schreiben kommt, seit das beruflich journalistische Schreiben sie beansprucht, seit Familie, Kinder, Familienwohnung ihren Tribut verlangen. Und sie sich innerlich zerreibt zwischen Pflichten und dem immer unbändiger werdenden Wunsch, Zeit, Ruhe, Raum für das Schreiben von in Gedanken immer wieder neu zurecht komponierten Lebenskompositionen zu finden.

Die norwegische Autorin schreibt direkt, sie verklausuliert nicht, sie erzählt im besten Sinn: ihre Eindrücke eins zu eins; freilich die Erzählung gut durchkomponiert, sie verwindet geschickt, was sie – grandiose Arbeit! – recherchiert über Schriftstellerinnen, auch aus der Vergangenheit, und wie sie sich ihre Schreibräume, ihre Häuser, um zu schreiben im Konkreten, geschaffen haben, mit welchen Schwierigkeiten diese zu kämpfen hatten – von Tanja Blixen bis Alice Walker – wie diese sich gegen Widerstände durchsetzen mussten, in der Gesellschaft, aber auch ganz konkret im handwerklichen Umgang mit dem Aus- und Umbau von Häusern. Und sie gleicht das mit den eigenen Erfahrungen ab, den Kampf mit den Handwerkern, die einfache, pragmatische Lösungen vorziehen, sich nichts sagen lassen wollen von ihr, der Frau und Schriftstellerin, zahlreiche Rückschläge entnerven und lassen sie beinah aufgeben. Aber halt nur fast.

Es ist das Buch der Erfahrungen beim Hausum-, -neubau, des Erfahrens von Hilfe, des Alleinseins und Alleingelassenfühlens, und das alles direkt hinein in Literatur verarbeitet; kein bloßer Ratgeber oder Erfahrungsbericht, nein, Kristin Valla versteht es wieder einmal, Alltägliches umzudeuten in literarische Erkenntnis, sie verarbeitet und macht sich selbst, das eigene Denken, die Transformation von Erlebnissen durch Abgleich mit gelesenen Erfahrungen von anderen in ähnlicher Situation, aber auch mit einer Haltung des Wollens, des Gelingens, zum Thema, und sie macht dieses dadurch zu einer sinnlichen Reise des Schaffens eines ganz eigenen Paradieses in dieser so üppigen wie erdnahen Landschaft in Südfrankreich.

Es ist ein Buch zum Hineinfallen, zum atemlos Lesen, und dann am Ende zum Wiederauftauchen, ganz angefüllt vom oft sinnenprallen Hindurchkommen der Autorin, die uns teilhaben lässt an ihren ureigenen Bauerfahrungen des eigenen, uralten, sich zueigen gemachten Häuschens, und zugleich des Zurechtbauens des eigenen Selbst, durch Schreiben, durch die Angleichung äußerer Eindrücke mit inneren Wünschen und Sehnsüchten. Ein Buch, das von der Selbstwerdung der Schriftstellerin berichtet, und das zugleich Literatur darstellt, spannend erzählt, grandios beobachtet, die Landschaft transferiert in die Vorstellungswelt des Lesenden, ein Buch vom Kampf um das angemessene Schreiben, der, wenn man hartnäckig genug ist, Räume schafft und gelingt.

Kristin Valla: Ein Raum zum Schreiben. Roman, geb., aus dem Norwegischen übersetzt von Gabriele Haefs, 272 S., mare Verlag, Hamburg 2025. 25 €.