Paul Blau zum Jahresende 2025 / 20262
Manchmal denke ich: endlich das Große sagen, die zentrale Botschaft hinaustragen, die Essenz aus den Jahren Leben, in denen ich nun schon um den Jahreswechsel herum meine seltsamen Grüße und Gedanken verschicke. Mittlerweile ist das zu einer echten Sammlung angewachsen – wir befinden uns im 15.Jahr. Erstaunlich. Übers Jahr schreibe ich mir tatsächlich immer wieder Gedanken auf, die mir manchmal einfallen, damit sie nicht wieder verschwinden, – wo doch irgendwann einmal das Große dabei sein könnte…
Zeilen und Seiten könnte ich füllen mit Politischem, mit Ängsten und Vorstellungen, mit der Erkenntnis einer gesellschaftlichen und humanistischen Rückentwicklung, ohne auch nur den Dunst einer Idee dazu zu haben, warum die Menschheit nun in diese Richtung steuert. Es ist nicht das Schicksal, es sind oft Mehrheiten, die etwas
verursachen, es sind meistens: Menschen…wie wir. Nur dass wir hier in unserer Zeit das Glück und das Privileg gehabt haben, so denkend und empfindend sein zu dürfen, – es zu dürfen! Wir durften uns weiterentwickeln. Andere nicht. Und diese Anderen stellen dann, vielleicht enttäuscht, Manches auf den Kopf und fragen uns nicht. Sie machen es. Anstand und Anständigkeit stehen auf dem Kopf. Die Wahrheit steht auf dem Kopf. Was gestern noch alternative Fakten waren, sind heute bereits Wahrheiten. Also haben wir uns ja doch weiterentwickelt… Es geht nicht darum, ob einer recht hat, sondern darum, wer stärker ist. Denn der legt fest, dass er recht hat.
Sollen wir uns vielleicht auch alle auf den Kopf stellen?
Was von uns blieb
Ich träumte, ein Mann wäre eingetreten, ohne zu grüßen, ein bleicher, lauter und unanständiger. Ab heute ist alles anders, sagte er.
Er nahm uns das Wort, und er gab uns das Schweigen.
Er nahm uns den Schreibtisch und verweigerte das Papier.
Er nahm uns die Arbeit, unseren Lohn verleibte er sich ein.
Er nahm uns die Schlüssel und schickte uns vor die Tür.
Er nahm uns die Aufgabe, denn er gab uns auf.
Er nahm uns die Bleibe, denn er blieb einfach da.
Er nahm uns den Raum, denn er räumte uns weg.
Er nahm uns den Respekt, denn er beschimpfte uns ständig.
Er nahm uns die Wahrheit, denn er bediente uns mit Lügen.
Er nahm uns das Recht, denn Recht hatte er allein.
Er nahm uns die Achtung und erklärte uns für nutzlos.
Er nahm uns den Wert, denn bedeutsam war nur er.
Und am Ende lungerten wir wie Überbleibsel einer anderen Zeit dort unten herum mit der Würde vonBettlern, aßen das verschimmelte Brot des Vortags und trugen die schlechte Kleidung, die uns zustand.
Aber wir spürten doch etwas unter all den Verschüttungen und den Zerwürfnissen und unter all der Not – so ein Flackern im Innern.
Wir hatten so eine kleine Empfindung, die in uns hochkam wie aus dem Halbschlaf. Es gab da noch etwas, das blieb uns erhalten, das konnte niemand aus uns herausradieren. Und wir schauten uns in die klebrigen, verquollenen Augen und verzogen die eingetrockneten Lippen zu einem Lächeln, das wir noch irgendwo für uns fanden – wie die kleine Flamme eines beinah leeren Feuerzeugs.
Wie ich dieses schöne, möglichkeitsdurchtränkte kleine Gedicht da unten im letzten Januar schreiben konnte, wo ich doch so niedergeschlagen war, das ist mir ein echtes Rätsel, aber es zeigt doch, dass da wohl trotz allem eine kleine Pflanze irgendwo beharrlich am Werk ist.
Bin ich manchmal vielleicht hoffnungsvoll – und merke nichts davon?

Das noch junge Jahr
20.01.2025
Das noch junge Jahr beginnt
licht- und schatten-hungrig.
So ganz neu
laufen wir
wohin auch immer.
Jeder Tag könnte
der nächste sein,
wartend
auf seine Entdeckung.
Das noch junge Jahr läuft,
das Helle,
das Dunkle spiegelnd
von heute
nach morgen,
nach übermorgen,
ein Stück weiter
in die Welt hinaus
und schaut sich um
nach dem,
was möglich ist.
Und hier nun der große Gedanke, (wenn er es denn ist), den ich bestimmt nicht das
erste Mal äußere, aber der mir (fast ein wenig poetisch) auf meiner Suche danach
unter die Augen gekommen ist:
Wir haben uns im Leben eingerichtet wie in einem einfachen Hotelzimmer. Manche Ideen sind in
Vergessenheit geraten, andere wurden Welt. Der Sturm und Drang hat sich in einen freundlichen
Luftstrom verwandelt. Wir sagen Allerweltszeug vor uns hin, unsere Botschaften werden kleiner,
bescheidener, weiser gar.
Wir sprechen nur noch von Liebe und Liebe und Liebe. Wenn uns jemand nach dem Sinn fragt, dann
sagen wir: Liebe und Liebe und lächeln uns zu.
Das haben wir erkannt, sonst nichts.
Nachdem sich das Unwetter gelegt hat: nur das.
Ich bin froh, obwohl ich ja für meine Begriffe gerade eher wenig schreibe und im
Moment eher dem nachgehe, wonach mir ist – auf der Suche nach der Mitte oder
danach, seiltanzend nicht in die Tiefe zu stürzen, oder damit beschäftigt bin, das
Fehlen auszugleichen und damit zu leben, dennoch ein paar Texte gefunden zu
haben, die etwas sein können, was als Geschenk taugt. Und Schenken kann kein
Fehler sein…
Wir sind alle aufeinander angewiesen. Nur so können wir leben.
Wir erkannten uns als Menschen, – und wir waren doch einige und nicht allein. Wie ich dieses schöne, möglichkeitsdurchtränkte kleine Gedicht da unten im letzten Januar schreiben konnte, wo ich doch so niedergeschlagen war, das ist mir ein echtes Rätsel, aber es zeigt doch, dass da wohl trotz allem eine kleine Pflanze irgendwo beharrlich am Werk ist. Bin ich manchmal vielleicht hoffnungsvoll – und merke nichts davon?
Alles Liebe für Euch!