Hinkelstein, der wöchentliche Newsletter des kunstportals baden-württemberg:
Jeden Sonntag früh frisch auf den Screen
Die Dekadenz unseres kapitalistischen Westens war unser Thema im letzten Hinkelstein; im Mittelpunkt standen natürlich Donald Trump und sein Freundeskreis der übermächtigen Tech-Milliardäre und deren Way of Life, der uns an unsere Vorstellungen römischer Orgien erinnert.
Noch immer stehen offene Fragen im Raum:
Wie wichtig ist diese „Dekadenz-Blase“ (das Parallel-Universum der Superreichen) für unsere reale Welt?
Überschätzen wir die Rolle des US-Präsidenten als dem mächtigsten Mann der Welt?
Donald Trump steht im guten wie im schlechten für den American Way of Life.
Einen Way of Life, den ich selbst in meiner Jugend bewundert habe: wir waren eine kleine Truppe begeisterter Skateboardfahrer in Mannheim und hatten, aufwachsend nahe dem amerikanischen Benjamin-Franklin-Village, ebendort amerikainsche Freunde. Gemeinsam haben wir vorgestern vor 36 Jahren, also am 04. Juli 1979 200 Jahre amerikanische Unabhängigkeit gefeiert – im Rahmen des in Mannheim traditionellen großen jährlichen German-American-Friendship-Volksfestes („Carnival“) . Ich selbst hatte dort dann für den Folgetag einen Job als Kellner ergattert und verdiente in 6 Stunden schweißtreibender (schon vor der Erfindung des Klimawandel konnte es am 05. Juli verdammt heiss werden) und bestgelaunter Arbeit über 220 $; ich musste nur Tabletts mit Bierbechern an der Theke abholen und 1,5$ pro Becher direkt bar bezahlen; für 2 $ pro Becher wurden die mir dann aus der Hand gerissen (50 Cent Lohn für mich pro Becher; Trinkgeld gab es großzügig von Deutschen wie von Amerikanern). Meinen ersten selbstverdienten Dollar habe ich heute noch als Andenken.
Die Amerikaner waren immer schon geschäftstüchtig, hatten für uns Youngster den richtigen Spirit, die richtige „Go for it“-Attitude – sie verkörperten den Way of Life, den wir uneingeschränkt toll fanden und den wir pauschal allen anderen – fuckin‘ Germans – schlicht absprachen – die hatten halt absolutely no Way of Life.
Heute, 40 Jahre später und unendlich viel älter, sehe ich das alles deutlicher kritischer und natürlich (nicht ganz) anders:
Noch immer gilt Amerika, anders als Deutschland, als das Land der unbegrenzten Möglichkeiten: Existenzgründer etwa, die eine kapitalintensive Gründung planen, tun dies nicht selten gleich in den USA, wo sie (Finanzierungs-) Chancen (=Risikokapital) finden. Möglichkeiten, die es hierzulande faktisch nicht gibt.
Some Shining Lights of Science may be here, but The Shining Stars of Business are somewhere else.

Bild oben: © KME, Foto: Jürgen Rösner | ZKM I Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe
ZKM Karlsruhe | 14.08 – 14.09.2025 | Schlossplatz Karlsruhe: | »The Shining Lights of Science« | Schlosslichtspiele 2025
Da fällt mir Peter Thiel ein, der als deutschstämmiger PayPal-Mitgründer in den USA zum Milliardär wurde und der heute, als rechts-libertärer Vordenker, in der Runde der übermächtigen Tech-Größen eine wichtige Rolle spielt. Und vielleicht deshalb(?) weniger als andere im Rampenlicht der Öffentlichkeit agiert.
Und gerade am Independence-Day fallen einem ja automatisch der schön bluesige Song von Bruce Springsteen ein und der gleichnamige Film ein von Roland Emmerich, der ja oft als „amerikanischer Spielberg“ bezeichnet wurde, was mir im Hinblick auf das Bombastische seiner Filme und auch Emmerichs Vermarktungstalent betreffend zu passen scheint, weniger aber auf den künstlerischen Anspruch, der bei Spielberg phasenweise in den Hintergrund getreten (Hollywood halt, was soll man machen?), aber nie ganz verloren gegangen ist. Roland Emmerich – eine sehr amerikanische Karriere.
Und last but not least hat ja auch Donald Trump allemal Entertainment-Qualitäten, die er in seinem politischen Arbeitsalltag manchmal (mal witzig, mal beängstigend) anklingen lässt, vor allem aber in seiner zweiten Heimat: dem Social Web.
Zuletzt machte Trump Schlagzeilen mit dem Video Daddys Home (mit der der Musik „Hey Daddy“ von R&B-Sänger Usher). Hierzu gab es am 30.06. eine sehr gute Glosse in der FAZ: „Trumps Welt„
Autor ist Majd El-Safadi, der als gelernter Kriegs- und Konfliktforscher über den Ernst der aktuellen globalen Gefährdungslage mehr weiß als die meisten von uns. Hier beschreibt er, wie Trump in einer offenbar wilden Mischung von realen und KI-generierten Bildern durchaus realen Humor beweist und die User millionenfach begeistert und zum Schmunzeln bringt:
„Er hat das „Social Media Game“ nun mal verstanden, auch wenn es cringe, also unangenehm ist. Trotzdem überraschen sich viele dabei, dass sie unweigerlich lachen müssen – ob der Komik, der Absurdität, der Surrealität – um dann festzustellen: Das ist doch der Präsident der mächtigsten Nation der Welt„.
Nun gehört es glaube ich zum guten American Way of Life, dass Politiker auch normale Menschen, auch mal witzig sein (etwa als „Superman“ auftreten) dürfen, dass sie auch Humor haben dürfen oder gar sollen, Nicht alles sollten sie bitter ernst nehmen.
Leider kommen bei Trump immer wieder Zweifel auf, ob er sich darüber im klaren ist, dass die wirtschaftliche und militärisch-strategische Lage der Welt eben auch ernst ist. Vielleicht ist er schon zu weit entrückt in die dekandente Lebenswelt seinen superreichen Freunde.
Das Amerika vom 04. Juli 1779, mein Amerika, das einstand für Freiheit und Demokratie, erscheint heute unendlich weit weg: Gute Künstler ahnten dies schon lange: Pat Metheny und David Bowie: (2014) This is not America
Der FAZ-Autor Majd El-Safadi scheint unsere Sorgen zu teilen und es erscheint mir wie ein zweites Schlusswort zu unserem Hinkelstein-Thema Dekadenz, wenn er seinen Artikel so beendet:
„Es ist Trumps bizarre Welt, wir leben nur in ihr – und amüsieren uns zu Tode.“
In diesem Sinne wünschen wir Ihnen einen schönen und gar irrwitzigen Sonntag und liefern dazu wie gewohnt
die guten Nachrichten im kunstportal baden-württemberg am Sonntag, dem 06.07.2025:
Neu am 06. Juli 2025: | Künstler | 11. – 13.07.2025 | Manfred Binzer | Atelier Altes Schulhaus Obrigheim: | Offenes Ateliers Manfred Binzer
Neu am 06. Juli 2025: | ZKM Karlsruhe, Städtische Galerie Karlsruhe, u.a. | KAMUNA 2025 – Wissen schafft Vielfalt! | KAMUNA 2025 im ZKM
Neu am 06. Juli 2025: | ZKM Karlsruhe | 14.08 – 14.09.2025 | Schlossplatz Karlsruhe: | »The Shining Lights of Science« | Schlosslichtspiele 2025
Neu am 06. Juli 2025: | GEDOK Karlsruhe | 18.07. – 27.07.2025 | Vernissage: Donnerstag, 17.07.2025, 19 Uhr: | Aktuelle Arbeiten von Künstlerinnen der HfG Karlsruhe: Amelie Albertine Elders und Isabel Motz
Neu am 06. Juli 2025: | Newsletter Hinkelstein: | Sonntag früh frisch auf den Screen: | Hinkelstein 46 vom 06.07.2025: | Wir amüsieren uns zu Tode
Jürgen Linde am 06.07.2025