…das Geheimnis bleibt – Kunst und Natur bei Werner Henkel

Werner Henkel im Internet: | Website: | https://www.naturarte-wernerhenkel.de/
E-Mail: naturarte.henkel@t-online.de

Ausstellungsansicht „Werner Henkel. Himmel und Erde – Wasser und Brot“.
© VG Bild-Kunst Bonn, 2022. Foto: Museum im Prediger, Joachim Haller.

Werner Henkel – Himmel und Erde, Wasser und Brot – so der Titel der aktuellen Ausstellung in der Galerie im Prediger Schwäbisch-Gmünd. [ der Link zur Ausstellung führt zu einem hochkompetenten und erhellenden Text des Ausstellungskurators Joachim Haller, dem Leiter der Galerie im Prediger Schwäbisch-Gmünd: Arbeitsweise und Materialität werden veranschaulicht. ]

Beim Aufbau dieser Ausstellung habe ich den Künstler, der in Bremen lebt, in Schwäbisch-Gmünd kennengelernt. Der – zuerst eher unbescheiden anmutende – Ausstellungs-Titel evoziert einen recht umfassenden, vielleicht sollte ich sagen, radikalen Ansatz – die Welt zu verstehen vielleicht und unsere ökologischen Probleme gleich mit.
Natur und Ökologie sind die Themen des Künstlers. Der Kurator des Predigers, Joachim Haller, schreibt: “Sein Interesse gilt ästhetischen Phänomenen in der Natur, ihren Energien und wandelnden Ausdrucksformen.“

Klar, dass Werner Henkel ein politisch denkender Mensch ist, der unseren Umgang mit der Natur thematisiert. Doch der Künstler Werner Henkel ist, bei allem Selbstbewußtsein bescheiden. Nein, Werner Henkel ist eben Künstler und als solcher macht er Zusammenhänge und Prozesse sichtbar; er verkündet keinerlei politische Botschaften; er sagt uns nicht , was wir denken und tun sollen.

Das ist, so glaube ich, gar nicht einfach: in all den Jahren, die ich mich mit Kunst befasse, habe ich für mich gelernt, dass Kunst (nur) dann gut ist, wenn sie wahr ist. Mit dem Thema Mensch und Natur arbeitet Henkel ja
(a )sehr nahe an der Wissenschaft, die ja implizit einen gewissen Anspruch auf objektive Wahrheit erhebt und
(b) an dem so wichtigen politischen Thema Ökologie. Die Frage, wie wir unsere Umwelt bewahren können, so dass die Erde, auf der wir leben, auch für uns bewohnbar bleibt, ist eminent politisch.

Werner Henkel: Wein, lesen, 2018, Weinrispen auf Büttenpapier, 100 x 80 cm. © VG Bild-Kunst, Bonn 2022

Langjährige Leser unserer Künstlerporträts wissen, dass ich Kunst, die explizit (partei-?) politische Ziele verfolgt, hier gar nicht thematisieren würde, doch Werner Henkel ist – selbstverständlich – auch politisch: Dadurch, dass er uns seine philosophischen Reflektionen über die Natur, auf verschiedenen bildnerischen und ästhetischen Wegen präsentiert. Die Interpretation – wahrscheinlich schon: mehr Verantwortung, und – das ist meine persönliche Meinung: ein wenig Demut und Respekt vor der Schöpfung – bleibt uns Betrachtern überlassen.

Werner Henkel arbeitet auf einer mehr philosophischen, reflektierenden Ebene. Henkels Kunst erzählt uns von der Natur, und nicht von deren Zerstörung durch uns Menschen. Auf diese Weise ist Henkels Kunst sehr sinnlich und ansprechend; seine Arbeit macht Zusammenhänge sichtbar, ermöglicht Bewußtseinsprozesse – die dann uns Betrachtern anheim gestellt werden.

Schon im vorletzten Künstlerporträt (Joseph Stephan Wurmer) war unser Thema, dass ein Miteinander von Mensch und Natur möglich ist; man könnte dies – vielleicht auch im Sinne von James Camerons Utopie-Welt Pandora (im Film “Avatar”) als einen Kommunikationsprozess begreifen.

Werner Henkel greift in seiner gestalterischen Arbeit auf ein profundes wissenschaftliches Wissen zurück. Er begreift das Zusammenleben der (organischen wie pflanzlichen) Wesen in der Natur wesentlich als symbiotisch. Alle Lebewesen auf der Erde stehen in Beziehung zueinander oder sind aufeinander angewiesen: Werner Henkel nennt ein Beispiel: “der größte Teil des Sauerstoffs, den wir atmen, wird von Pflanzen durch Fotosynthese produziert”. Ein kluger Philosoph sagte einmal: “Achte den Baum. Der Baum braucht uns nicht.”

Werner Henkel: Ich schenke Dir mein Chlrorophyll, 2014,  Tusche, Collage, Blattschnitt;    41x 28 cm
© VG Bild-Kunst, Bonn 2022

Mit einem sehr schönen Novalis-Zitat beschreibt Werner Henkel sein Verständnis der Natur: “Alles spricht“. Fast hätte ich dieses Zitat auch als Titel für dieses Porträt gewählt, nur fast:
In unserer Zeit der exzessiven (Bilderflut und) Handynutzung würde dies bestimmt falsch verstanden werden: alles spricht=jeder spricht – dauernd, und nicht immer sinnstiftend. Wenn Werner Henkel zitiert „Alles spricht“, dann denkt er dabei sicherlich eher umgekehrt an die sensible, kontemplative Naturwahrnehmung, die durch unsere moderne Mediengesellschaft ja geradezu bekämpft wird.

Henkel entdeckt in der Natur auch eine Welt eigener Sprachen, die er in seiner Kunst dann manchmal symbolhaft darstellt. „Könntest Du, könnten wir Menschen diese Sprache in unsere Sprache übersetzen, oder sollte nicht besser das Geheimnis bewahrt werden?“
frage ich den Künstler. Die Antwort kommt sofort und entschieden: “Das Geheimnis bleibt”, sagt Werner Henkel.

Beim Thema Sprache denke ich an den Turmbau zu Babel; schon damals hat sich gezeigt, dass es nicht gut ist, wenn wir Menschen versuchen, den Himmel zu erreichen, sprich: selbst Schöpfer werden wollen.
Oft versuchen – auch eher konkret arbeitende  – Künstler, durch ihr künstlerisches Schaffen die Welt zu begreifen; sie alle aber wissen, dass dabei Respekt unbedingt notwendig ist.

Wir können uns der Wirklichkeit wissenschaftlich nähern, aber wichtig und klar ist:
das Geheimnis bleibt.

Jürgen Linde im Juli 2022