Ausstellungen und Veranstaltungen von Leo Staigle:
- Bilder der AusstellungVernissage 12.04.2024; 18 Uhr Kunstverein Reutlingen | 12. April – 26. Mai 2024 | New & Coming
- New & ComingKunstverein Reutlingen | 12. April – 26. Mai 2024
- 14. Kunstdorf Unterjesingen.Boris Petrovsky, Leo Staigle u.a. | 22. und 23. Juni 2024: 14. Kunstdorf Unterjesingen: “ist das schön”
- situation 90Seit 24.06.2023 Galerie Santa Lucia Berlin
- habe fragen.ab 11. Mai (Eröffnung um 18 Uhr) im TTR – Technologiepark Tübingen-Reutlingen
Leo Staigle im Internet: | Website: www.leostaigle.de
E-Mail: | leo@leostaigle.de
Zuerst die Bilder, was sonst: Malerei habe ich so noch nie erlebt, ist mein erster Eindruck. Noch bis 29. Januar 2023 präsentiert der in Tübingen lebende Künstler Leo Staigle einen nicht geringen Teil seiner bisherigen malerischen Arbeit in seiner ersten großen Einzelausstellung in der Pforzheim Galerie.
Auch der Titel der Ausstellung „Wie kocht man ein Stück Land?“ lässt erahnen, dass hier etwas besonderes geschieht und geschehen soll.
So wie mancher Staigles Bild zuerst vielleicht als “sehr “aufgeräumt“ wahrnimmt, so wirkt auch Leo Staigle selbst auf mich – im besten Sinne – eher aufgeräumt: dabei harmoniert das bereits deutlich ausgeprägte künstlerische Selbstbewusstsein, das man aus Staigles stets druckreif formulierten Statements herausspürt, problemlos mit seinem insgesamt bescheidenen Auftreten: ein Künstler, der freundlich erklärt, aber auch selbst zuhört und neugierig ist.
Was aber ist nun das Besondere an Leo Staigles Arbeit? Wie gewohnt suchen wir hier einen roten Faden, bereits ahnend, dass dies vielleicht noch schwieriger wird als gewohnt, denn inzwischen weiß ich aus Gesprächen mit Leo Staigle, dass er sich das Durchbrechen bzw. das Ignorieren gängiger Regeln in seinem künstlerischen Schaffen zur Aufgabe, ja: zum Prinzip gemacht hat. Durchaus bewußt ist ihm die “Selbstwidersprüchlichkeit“ dieses Prinzips, das ja auch bereits wieder eine Regel formuliert, die es dann zu brechen gälte – ein womöglich unauflösbares logisches Problem? Philosophen nennen so etwas einen Circulus Vitiosus, was gerne etwas profan, aber durchaus nicht unzutreffend als “Teufelskreis“ übersetzt wird. Wollten wir es uns einfach machen, so hätten wir hier womöglich schon ein Ende (oder den Anfang? – noch so ein logisches Problem) unseres roten Fadens und fasst schon eine erste Idee für unseren zusammenfassenden Porträttitel: vielleicht so:
Kunst aus Tübingen: Produktion: Leo Staigle; Regie: Mephisto?
Doch geht es (uns nicht darum, es uns leicht zu machen, sondern) um den Versuch, zu verstehen, was diese Kunst besonders macht.
Betrachten wir einzelne Aspekte:
(1.) Raum und besonders der Farbraum sind offenbar wichtig. Wir kennen einige Künstler, die “früher mal“ Architektur studiert hatten und von dort dann den Weg zur Kunst fanden. Leo Staigle hat an der Hochschule Pforzheim Industriedesign studiert, um dann schnell zu erkennen, dass tatsächlich die Kunst seine Welt ist. „Industriedesign und Malerei – wie geht dies zusammen?“ frage ich den Künstler .
„Nun, das war letztlich unvermeidlich“ antwortet er in seiner typischen Bescheidenheit und berichtet, dass jeder, der in Pforzheim Industriedesign studiert, auch systematisch mit Kunst konfrontiert wird und entsprechende Seminare besuchen muss. Zum Glück haben dann die Kunst-Professoren an der Hochschule ihn in seiner intuitiven Hinwendung zur Kunst unterstützt/ bestärkt.
In Leo Staigles Räumen entdecken wir nicht ganz stimmige Perspektiven – klar: exakte Perspektiven sind eine Regel, die Staigle jederzeit brechen darf oder gar brechen muss. Dennoch wirken die Räume auf mich meist sehr stimmig, sehr ordentlich, manchmal fast steril- statisch, eingefroren erscheint die Atmoshpäre, die durch exakte Linien definiert und durch scharfe Farbabgrenzungen verstärkt wird.
Oft erinnern mich Staigles Arbeiten in ihrer statischen Stimmung und auch in den Farbräumen an die berühmten Werke Edward Hoppers.
Neben den besonderen Farben, die der Künstler wählt- und für jede Bildfläche selbst mischt, dominiert auch (2.) der Bildraum den Gesamteindruck der Werke Staigles. Prof. Dr. Evelyn Echle, die an an der Hochschule Pforzheim den Fachbereich Kunst und Kulturwissenschaften leitet, hat für Leo Staigles Katalog “Landschaften” hierzu einen erhellenden und analytisch klaren Text geschrieben. Wir danken ihr daür, sie hier ausführlich zitieren zu dürfen:
Die Struktur des Bildraums erfährt durch die formale Strenge der Sujets eine Überzeichnung. Es gibt keine Unschärfen, Staigles Kompositionen. scheinen sich gerade nicht an phänomenologischen Erfahrungen zu orientieren, die Konstruktion von Raum als Gebiet aus einem Innen und Außen ist dagegen klar als manifeste Begrenzung zu verstehen.
Das Werk «Freiland» (Acryl auf Leinwand/ 200 x 140 cm) ist ein gutes Beispiel hierfür. Die Zerlegung der Bildfläche in akribisch definierte Lebenswelten – das Innen einer nüchternen Behausung, bodentiefe Fenster, die den Blick auf eine Landschaft freigeben, Schichtungen von lebensfreundlichen und lebensfeindlichen Zonen und ein Horizont, monochrom einsilbig wie die Wandfarbe des dargestellten Innenraums. Das Werk greift perspektivisch einerseits Erfahrungsstrukturen auf und dockt mit der Blickachse an das etablierte Verständnis von Raum als klar umrahmtes Gebiet an.
Für mich selbst evoziert in Staigles Bildern das Zusammenwirken von Farben, Form und Raum in Verbindung mit den eigenwilligen Bildtiteln einen Gesamteindruck der (.3) Lyrik – hier in einer neuen Form: “Gestern Rosa“ oder “Kurz vor Mittwoch“ haben zweifellos lyrische Anmutung.
(4.) Natur ist der letzte Punkt, weil mir dies das wichtigste Element in Staigles Malerei ist – mir also wichtig erscheint. Im Gespräch bestätigt er meine Vermutung, dass er tatsächlich ein sehr naturverbundener Mensch ist. Was insofern verblüfft, als biologische / pflanzliche Elemente eher als Fremdkörper i den Bildern erscheinen – etwa (in “Gestern Rosa“) als Kakteen oder kraftvoll grün blühende Hecken im Wohnraum oder – (etwa in “Kurz vor Mittwoch“) als erfundene, Obst und Gemüse assoziierende pflanzliche Körper in zkm-like komponierten digitalen Welten.
In Leo Staigles Arbeiten erschienen die Landschaften, oft nur durch Fenster/Glastüren sichtbar, in den Hintergrund gedrängt. Der Mensch erlebt hier als Betrachter, wie weit entfernt er ist von der Natur, zu der er, (so dachten wir früher?), ja eigentlich gehörte. Dies erinnert mich an eine These des international renommierten Licht- und Installationskünstlers Boris Petrovsky, der mir in einem Ateliergespräch dazu sagte: „Es gibt keine Natur, die Natur ist eine Erfindung des Menschen“.
Der Mensch selbst sei, so schreibt es Evelyn Echle in ihrem oben zitierten Text, in Staigles „Anordnungen nur durch seine Abwesenheit präsent“. Tatsächlich ist es so, dass die Kunst uns aus der Wirklichkeit mehr erzählt und sichtbar macht, als wir ahnten; oft vielleicht mehr, als wir wahrhaben wollen.
Vielleicht ist ja dieser dialektische Denkansatz der Kernpunkt der Vorgehensweise in Leo Staigles Kunst:
Dialektik bedeutet, in meinen einfachen Worten, unter anderem, dass man etwas erst dann ganz denkt, wenn man gleichzeitig das Gegenteil mitdenkt. Ein einfaches Beispiel:
“Das Leben ist einfach.” “Das Leben ist schwer.” Beide Aussagen sind jeweils, das wissen wir alle, ganz unstrittig wahr. Doch widersprechen beide Aussagen einander diametral und können nicht gleichzeig wahr sein …?
Kunst jedoch kann sich damit nicht zufrieden geben. Besser sie arbeitet auch mal der Logik
entgegen.
Jürgen Linde im Januar 2023