Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt – über Moon Kwan Park

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Moon-Kwan Park | © Foto: privat

“1 ZU 1” war der Name der Ausstellung in der Städtischen Galerie Rastatt von Oktober 2001 bis Januar 2002 “Leben” war der Titel des Bildes von Moon Kwan Park, den ich ebendort, vor seinem Bild kennengelernt habe. Seltsame, aber doch wenige Zeichen auf umso komplexeren (Mal-)Grund. Als “Ganz einfach“ könnte man seine Malerei empfinden, jedoch nur auf den allerersten Blick.

Seitdem haben wir losen Kontakt und jetzt endlich habe ich Gelegenheit, mich genauer mit Moon-Kwan Park und seiner Kunst zu befassen.

ist gleich unendlich
“Wie kommen Sie auf diese Formel?“ wird Moon-Kwan Park immer wieder mal von Mathematikern gefragt, wenn das gleichnamige Bild zu sehen ist. “Das weiß ich auch nicht genau“ antwortet er dann, gleichermaßen ehrlich und ironisch.

Moon-Kwan Park, ein koreanischer Künstler, der seit 1982 in Deutschland lebt und hier auch studiert hat, wirft viele Fragen auf, gibt aber – er ist im besten Sinne auch Vermittler seiner Kunst – auch Antworten, zeigt zumindest die Wege auf, auf denen dann jeder selbst Antworten suchen kann.

“Ist gleich unendlich“ ist so ein Hinweis: durchaus nicht unphilosophisch, ist dieser Titel schlicht auch witzig; vielleicht ein Hinweis auf die Kürze des Lebens, gleich ist’s unendlich.

“ist gleich unendlich”, 2004 | 120 x 150 cm, Öl auf Leinwand
© Moon Kwan Park, VG Bildkunst Bonn 2020

e=mc2
fällt uns da ein. Bekannt und klar erscheinend, unbestritten, leicht zu zitieren und, für den Normalmenschen jedenfalls, dennoch kaum zu erklären. Werden doch hier zwei Dinge äquivalent gesetzt, die auf den ersten unbedarften – naiv-intuitiven?- Blick doch gar nichts miteinenader zu tun zu haben scheinen: Energie und Masse.

Daß es sich nur um zwei verschiedene Erscheinungsformen einer Sache handelt, ist ein dialektisches Phänomen, welches schon in der doch bodenständig geglaubten Physik schwierig genug vorzustellen ist. Wie erst in Kunst und Philosophie, die uns von vornherein noch weiter entfernt und kaum erreichbar anmuten?
Die westlichen Altmeister wie Manet, Matisse oder Max Ernst hat er studiert und immer wieder erscheint es mir so, als ob er der westlichen Kunst fernöstliche Philosophie gegenüberstellt.

Asiatische Schriftzeichen, die mal wirklich (von jedem Kundigen) lesbare Schriftzeichen sein können, aber auch mal kalligrafisch anmutende freie Zeichnungen sind, bewirken hier auf spielerische Weise den fernöstlichen Zauber, dem wir uns kaum entziehen können. Oft entstehen dies Zeichen und Symbole als Schlußpunkt auf bis dahin monochromen oder in komplexen Strukturen angelegten Bildflächen, die Moon-Kwan Park in handwerklich perfekter Routine entwickelt. Als Mallehrer mit regelmäßigen Kursen ist ihm das Handwerk Routine, Ausgangsbasis für die individuellen Erzählungen, die danach das Kunstwerk schaffen.

Ohne Bedeutung, 2004 | 180 x 160 cm, Öl auf Leinwand
© Moon Kwan Park, VG Bildkunst Bonn 2020

Mir scheint, daß der Künstler mit diesen Schlußpunkten einerseits die Arbeit vollendet, andererseits aber eine Distanz re-produziert, die im Moment vorher verschwunden schien. Der Prozeß der farblichen Strukturierung des Malgrundes ist eine Art Erzählung im Material.

Sensibel, oft auch sehr emotional erscheint meist die erstere, der dann – eher reflektiert und geordnet – die zweitere gegenübergestellt wird. Ein gemeinsamer Farbraum entsteht; eine Einheit, die nicht so überraschend wirkt, wie man sie erwartet hätte. Offenbar war sie bereits schon vorhanden; genau: Kunst macht sichtbar.

Um nicht weniger als um Geist und Materie scheint es zu gehen, warum aber auch nicht: wo, wenn nicht in der Kunst, sollte diese Dialektik ihre Aufhebung finden? Vielleicht, daß Farbe und Malgrund zusammensetzen, was Maler und Betrachter dann gemeinsam (wir hatten schon öfter gesehen, dass Bildende Kunst längst interaktiv war bevor diese Vokabel so modisch geworden war) verbinden. Eine Integrationsleistung, bei der in Prozeß und Ergebnis Materie und Geist gleichermaßen notwendig beteiligt sind.

Im Gespräch in Moon-Kwan Parks Karlsruher Atelier kommen wir schließlich auf den unterschiedlichen Umgang der verschiedenen Kulturkreise mit dem Tod:

Im Westen massiv tabuisiert, stirbt niemand einfach so, weil er alt geworden ist: auch ein ein Hundertjähriger verstirbt an Lungenentzündung oder an Herzinfarkt oder an irgendwas – aber nicht einfach so.
Geprägt von den Denkschulen eines Konfuzius oder eines Buddhas ist die (dialektisch unmögliche) Trennung zwischen Leben und Tod weniger präsent: mit lauten Festen hilft man den Angehörigen eines Gestorbenen über die Trauer hinweg.

Selbst in der Wirtschaft sind die verschiedenen Denkweisen sichtbar: während wir im Westen in Vierteljahreszeiträumen planen, geht es etwa in Japan um Jahrzehnte oder noch deutlich längere Zeiträume. Der individuelle Tod ist ein Teil dieses Zyklus, kein Bruch. Der Horizont des Denkens greift über die jeweils eigene Generation weit hinaus.

“Zwei Gedankenbegegnungen”, 1998 | 60 x 80 cm, Öl auf Leinwand
© Moon Kwan Park, VG Bildkunst Bonn 2020

Solcherart fernöstliches Denken und Kunst passen zusammen: ohne sagen zu können, was Kunst ist, gehe ich doch davon aus, daß gute Kunst Qualität und Nachhaltigkeit anstrebt, bzw. beansprucht. Transzendenz ergibt sich hier zwangsläufig und eine gewisse Fröhlichkeit stellt sich ein. Und so ist Moon-Kwan Parks “Vergänglichkeit“ für mich ein ausgesprochen ernsthaftes und eminent fröhliches Bild.

“Vergänglichkeit”, 2004 | 130 x 125 cm, Mischtechnik
© Moon Kwan Park, VG Bildkunst Bonn 2020

Mit emotionalen, spielerischen Elementen und planvollen, reflektierten Gegenzügen entwickelt der Künstler seine Arbeiten.
Ich glaube, Moon-Kwan Park agiert hier auch als Spieler; jedes Bild ein eigenes Stück Konzeptkunst. “Das Leben an sich ist bedeutungslos“, sagt er einmal,.was genau gelesen werden will: es gibt keine Bedeutung unserer Existenz, die vor oder ohne uns da wäre, auf die wir bauen oder vertrauen könnten; es ist viel schwieriger und auch leichter: es liegt an uns selbst.

Ich formuliere das mal mit Schillers weisen Worten:
der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt

Jürgen Linde im April 2005