Der sowieso ziemlich besondere Raum der Galerie im Prediger kommt hier ganz zu sich.
Distelsamen, Flugsamen, Kiefernsamen – ganz ungewöhnlich sind die Materialien, mit denen Angela M. Flaig arbeitet, um uns erst mal ganz und gar zu verzaubern.
Zartheit, Verletzlichkeit, Lebendigkeit, Hier und Jetzt, Leben und Tod, Verschwinden, Erinnern – die Assoziationen, die diese unglaublich intensive Ausstellung auf Anhieb evoziert, sind vielfältig und ich bin froh, Bilder zeigen zu können zu meinem Text, der alleine nicht die geringste Vorstellung geben könnte von dem, was hier präsentiert wird:
Joachim Haller, der Kurator der Ausstellung in Gmünd, beschreibt die Arbeit von Angela M.Flaig:
“Zarter können die Materialien kaum mehr sein, aus denen Angela M. Flaig ihre Werke schafft. Die Künstlerin sammelt, was der Wind sonst wegtragen würde: die Samen von Distel, Löwenzahn und Goldrute, von Waldrebe und Weidenröschen. Daraus fügt sie schlichte, geometrisch klare Objekte, die einerseits fragil, luftig-leicht und verletzlich wirken, andererseits aber auch einen streng geordneten, kompakten Kosmos bilden. Die Zartheit der flüchtigen Naturmaterialien entfaltet eine fast meditative Kraft und lyrische Schönheit…”
Die technisch-handwerklichen Details, die konkrete Arbeitsweise der Künstlerin wollen wir hier nicht verraten – ist es doch schwierig genug, zu versuchen, die Wirkung dieser Kunst zu beschreiben und gar zu versuchen, ihre Bedeutung zu verstehen.
Die schon beschriebene überwältigende Wirkung dieser Arbeiten spürt – oder erahnt zumindest – schon, wer die Bilder der Werke am Bildschirm sieht.
Natürlich geht es hier um Tod und Leben, und Vergänglichkeit und Verschwinden – auch im konkreten Sinne: die Skulpturen etwa aus Distel- und verschiedenen Flugsamen sind derart leicht, dass sie nur unter Plexiglas gezeigt werden können, denn jede Berührung würde sie entschweben lassen.
“Es ist aber die Kunst, die den Windhauch wiegen kann” schreibt Marlies Obier in einem Text über Angela Flaigs Arbeit. Ich denke, das trifft einen zentralen Punkt:
Während wir hier in den Künstlerinnenporträts immer wieder versuchen, Kunst durch Lyrik verständlich zu machen, geht Angela M. Flaig einen in dieser Hinsicht dialektisch genialen Umkehrweg: sie schafft selbst Lyrik und macht uns Lyrik sichtbar.
Mit meiner gewöhnlichen Journalistensprache bin ich dem nicht gewachsen. Die Bilder bewirken Erinnerungen – an Kindheit, an Düfte, an Glück –
Glück, das wir ja so oft erst wahrnehmen können, wenn es vergangen ist.
Es roch nach Regen
als ich das Haus verließ
In diesem Moment
War ich glücklich
Ich beende deshalb meinen Text mit diesem kleinen Gedicht, das ich erst vor zwei Wochen geschrieben habe, und nenne meinen Textbeitrag:
“sichtbar Glück“
Jürgen Linde im Februar 2016