Buchtipps von Harald Schwiers im kunstportal-bw
Porträt einer Zeit
In wenigen Wochen geht das Jahr zu Ende, das Jahr, in dem 70er 50 wurden, die 70er, die angeblich den Sound eines Jahrhunderts prägten. Das kann man so sehen. Wer dieses doch sehr bunte Jahrzehnt bei vollem Bewusstsein erlebt hat, schwärmt sicher nicht in Superlativen. Denn in dieser Dekade gab es eine Menge Ereignisse, die die Glorifizierung 50 Jahre später mehr als fragwürdig erscheinen lassen. Beispiele: Immer noch Vietnam-Krieg, die Black-Power-Bewegung in den USA, der Nordirland-Konflikt brennt lichterloh, in Deutschland dreht die Studentenbewegung mächtig am Rad, gleichzeitig herrscht Aufbruchstimmung, weil der SPD-Mann Willy Brandt zusammen mit der FDP erstmals die Regierung in der Bundesrepublik übernimmt und die Parole „Mehr Demokratie wagen!“ von Brandt postuliert wird. Das Wort Frieden macht die Runde.
Was danach in Sachen RAF auf Brandt und die Republik zukommen sollte, das ahnte man zu Beginn des Jahrzehnts nicht. In Sachen Popmusik und Modestil allerdings waren diese berühmt-berüchtigten 70er, je nach Perspektive, durchaus mehr als nur bewegend.
Diesem Phänomen geht Ernst Hofacker mit seinem gut aufgemachten (nicht nur die üblichen Woodstock-Fotos u.a.) Werk auf den Grund und rückt ihm zu Leibe. Er analysiert die Bewegungen in Deutschland, Europa (inklusive Großbritannien) und den USA sehr genau und zieht auch die richtigen Schlüsse. Kein Wunder: Immerhin hat Hofacker (Jahrgang 1957) einen Gutteil der 70er bewusst miterlebt und gilt als einer der profiliertesten Musikjournalisten des Landes.
Und hier verdient sich Hofacker seine Meriten: Er schreibt eben nicht nur über Musik, gleich welchen Ursprungs, er fügt das Ganze auch auf gesellschaftlich-politischem Hintergrund zu einem Großen und Ganzen zusammen. Und so ist es auch eben das bewegende Jahrzehnt.
Ernst Hofacker, Die 70er – Der Sound eines Jahrzehnts, zahlreiche Fotos, 350 S., Reclam, 28 Euro