Bleibe warm und hüte das Feuer

Beitrag von Paul Blau für das Feuilleton des kunstportals-bw.

Gedicht, Bild und Text von Paul Blau zu Weihnachten 2021

Mit Eisblumen in der Hand bist du schnell erfror´n. Bleibe warm und hüte das Feuer.

In den Tälern des Herzens bist du nie verlor´n. Bleibe warm und hüte das Feuer.

In deinen beiden Händen trägst du dich umher.

Manchmal verschenkst du ein kleines Stück, und bekommst dich zurück.

Da läufst du durch die bittre Nacht, suchst eine Zuflucht und ein Wort,

und wenn du heimkommst, bist du schon dort – bei Wein und Brot.

Mit Eisblumen in der Hand bist du schnell erfror´n. Bleibe warm und hüte das Feuer.

In den Tälern des Herzens bist du nie verlor´n. Bleibe warm und hüte das Feuer.

Du irrst dich ständig, fragst nach dem Weg und findest endlich einen Ort,

der bist du selber – und der bleibt – wie ein alter Freund.

Da wartet Einer am Notausgang, der zu dir gehört,

der dich schützt und der dich hält in den Umdrehungen der Welt.

Paul Blau |2021 |

Hallo Ihr Lieben, 

da sitze ich wieder mit der Idee, Euch etwas zu schreiben zum Ende dieses Jahres, Gedanken zu verschenken. Es ist Spätherbst, reichlich Zeit noch, aber dies könnte der richtige Abend dafür sein. Manchmal denk ich ja, das alles ist nur eine abwechslungsreiche Wiederholung, möglicherweise ist ja alles schon gesagt in den bisherigen Jahren. Es kommt ja immer aus meiner Person heraus, aus dem Erlebten und Gedachten zwar, doch immer aus meiner Person, die aus ihrer eigenen Haltung heraus lebt und auch die Ereignisse eben durch eine ganz bestimmte Brille sieht. Ob das auch Eure Brille ist? Das frage ich mich ja oft, und komme zu dem Ergebnis, es ist nie die Brille der Andern, es ist ein Wunder überhaupt, sich zu verstehen und sich zu kennen, und es ist eine Sache der Schnittmengen. Alles ist immer reflektiert oder erfühlt in Verbindung mit dem, was dieses Jahr ausgemacht hat. So hänge ich eines an das andere, ungeordnet, unsortiert, sei´s drum, Leben ist so.

Ab und zu erhalte ich von einem befreundeten Menschen Photographien auf mein mobiles Telefon geschickt, die mit Licht und Leuchten zu tun haben. Fast entschuldigend dazu der Kommentar: ich komme daran einfach nicht vorbei. Wie wunderbar, manchmal ungefragt und spontan mit einer solchen Energie versorgt zu werden. Erst heute bekam ich wieder ein solches Bild. Leuchten… So habe ich hier an den Anfang einen Chansontext gestellt, entstanden vor fast einem Jahr, Gedichte oder Lyrisches habe ich in den letzten Monaten nahezu keine geschrieben, dafür aber zahlreiche Liedertexte. Diese Phase hält nun schon sehr lange an, und ich lasse es geschehen. Mal ist es diese und mal eine andere Ausdrucksform in der Kunst. Aber sie ist immer vorhanden, begleitet mich und nimmt mich an der Hand – durch mein Leben.

Ein anderer Freund stellt jeden Tag eine 30-Sekunden-lange Mini-Videosequenz auf Whatsapp, und das nun schon mehrere Jahre. Eine Spinnerei? Manchmal. Weisheit? Manchmal auch. Jedenfalls ein kleines tägliches Geschenk, das zutiefst anrührend ist, und das ich und viele Andere so nebenbei erhalten; ich schaue es täglich beim Frühstück an, es ist mir fast schon ein Ritual, und ich erwache dabei immer einmal wieder. Selbstverständlich ist diese Beschenkung überhaupt nicht. Sie tut einfach gut in einer Zeit, die ich als sehr dunkel, dumpf und bisweilen sogar lebensfeindlich empfinde. Wir lesen es täglich in der Zeitung. Daran könnte man tatsächlich verzweifeln.

Und immer wieder frage ich mich, ob es wirklich genügt, mit der Schönheit verbündet zu sein und Schönheit, Kunst zu schaffen und diese weiterzugeben. Aber da möchte ich fast mit dem Spruch daherkommen: ich hab halt nichts Besseres gelernt. Das trifft aber auch nicht zu, denn gelernt habe ich es ja gar nicht. Es ist vorhanden, wirkt durch mich durch, es besitzt mich. So ist das, und ich möchte es so. Ich will mit niemandem tauschen. Ich musste Zeiten tiefster innerer Täler durchqueren bis hin zu diesem Punkt in meinem Leben, an dem ich mich mehr oder weniger angenommen habe. Bei sensiblen Menschen enden solche Persönlichkeitsfragestellungen nicht mit dem Erwachsenwerden, sondern sie ziehen sich quasi durch das ganze Leben durch.

Wenn ich auf das nun fast zurückliegende Jahr schaue, dann fällt mir Müdigkeit ein. Aufgrund der besonderen Situation waren und sind wir alle sehr viel daheim, versteckt, zurückgezogen. Was mir sonst so sehr am Herzen lag, mir Eindrücke verschaffte und mich inspirierte, das Reisen, dazu hatte ich lange nicht die Kraft, obwohl es doch nun im Sommer wieder möglich gewesen wäre. Logisch war das nicht. Aber die Ansicht, Menschen würden logisch funktionieren, habe ich mit zunehmender Erkenntnis immer mehr über Bord gekippt. Überhaupt spürte ich bei mir etwas, was mir bisher in dieser ausgeprägten Weise fremd war, nämlich eine überschnelle Resignation, das überstürzte Aufgeben von Dingen, die mich eigentlich begeisterten oder für die ich sogar brannte. Zwar besitze ich schon sehr lang die Fähigkeit, loszulassen, Energie von etwas wegzunehmen, wenn ich bemerke, dass ich alles mir Mögliche dafür getan habe, um etwas zu ändern. Dann kann ich damit meistens Frieden schließen. Auch wenn sich Menschen aus mir nicht erklärlichen Gründen entfernen, einfach verschwinden. Leider geschieht das immer wieder einmal. Und leider relativiert das auch den Begriff von Freundschaft und Beziehung. Oder aber es wertet den Augenblick auf. Und zeigt seine Vergänglichkeit.

Viele Freunde und Bekannte waren in diesem Sommer begierig darauf, die neue, alte Freiheit auszukosten: endlich wieder Urlaub… Ich selber zögerte, ich war irgendwie mutlos geworden. Es hat mich große Überwindung gekostet, dann doch unter den bestehenden Bedingungen eine Zugfahrt und eine Unterkunft in Berlin zu buchen und schließlich auch dorthin zu fahren. Umso schöner, dass ich Vieles nach der langen Zeit wieder fast wie ein erstes Mal empfinden konnte. Bescheiden war ich geworden, mit Wenigem zufrieden… Wenn es etwas gibt, was ich in dieser schwierigen Zeit als besonders ansehe, dann ist es tatsächlich dies: wieder auf den Boden gekommen zu sein in mancher Hinsicht. Kontakte auch und persönliche Begegnungen als besonders zu empfinden aus langer Abwesenheit heraus.

Auch das tägliche Ankommen im neuen Tag, täglich die Möglichkeit, vielleicht mit neuer Kraft bei Null anzufangen, den Tag als Chance zu sehen, als kleines Ganzes, als Offenes. Und mir zu sagen: wenn alles Mögliche schief geht, dann kann ich mir dennoch selber ein Freund sein. Diesen Satz hab ich mir auf einen Zettel geschrieben und in meine Küche gehängt, in der Hoffnung, ab und zu hin zu schauen und diese Botschaft zu beherzigen. Ich merke, ich schreibe viel von mir. Von wem aber sonst? Ich hoffe, in Manchem bei Euch Ähnliches zu erwischen. Wenn nicht, dann habe ich halt viel von mir geschrieben. Ich war ja auch viel für mich…

Hier ende ich für heute, der Abend ist fortgeschritten, das Licht ist der Nacht gewichen und einem Sternenhimmel, einer anderen Art von Licht… Wir sind am Leben, fühlen und empfinden und dürfen uns begegnen, wenn wir es wollen. Und morgen ist ein neuer Tag. In diesem Sinne wünsche ich Euch ein neues Jahr mit vielen neuen Tagen, mit intensivem Erleben, mit Erlebnissen, die sich aus dem Alltäglichen herausschälen. Wir befinden uns in einer besonders schwierigen Zeit, in einer Zeit der Zerreißproben, wir stehen am Rande des Vulkans und können in den Krater schauen. Und doch: es gilt, auch in einer solchen Zeit, in einer solchen Welt, am Leben zu bleiben im übertragenen Sinne.

Alles Liebe für Euch!

Martin / Paul