Hinkelstein, der wöchentliche Newsletter des kunstportals baden-württemberg:
Jeden Sonntag frisch auf den Screen

Bild oben: Johanna Jakowlev: Ein neuer Tag, 2023, 120 x 140 cm
Ab Heute: Gedanken darüber , was (internetgetriebene und sonstige) Pop-Kultur, Verschwörungstheorien, Schwachsinn insgesamt, und künstliche Intelligenz miteinander zu tun haben.
Liebe Leserinnen und Leser,
bewährterweise knüpfen wir wieder an an den Hinkelstein der letzten Woche:
1. hatten wir ja den Blick zu erweitern versucht – durch die kosmoploitische Perspektive von Peter Gelb, dem Leiter der New Yorker MET, der in Europa und in den USA zuhause ist.
Peter Gelb forderte uns alle auf zur Veränderung:
Die bildende Kunst hat sich immer wieder verändert, das Theater genauso. Auch die Oper muss sich verändern.
Die Unterscheidung von Politik und Kunst ist viel geringer als je zuvor. Die kulturellen Einrichtungen müssen zusammenarbeiten, um die kulturelle Freiheit unserer Länder zu schützen.“ (Peter Gelb im Interview mit dem Bayrischen Rundfunk)
Und beendeten den Hinkelstein dann
2. mit einem weniger globalen Blick. als Landeskunstportal-baden-württemberg wollen wir – ab und zu jedenfalls – auch mal die Kirche im Dorf lassen und wieder ins eigene Gelände blicken: Und dies in zwei Schritten:
Wir beginnen heute mit einigen kritischen Gedanken über die Reformfähigkeit unseres Landes um im nächsten Hinkelstein (Nr. 56 am 14.09.2025) dann wieder die hiesige Medienwirklichkeit ins Auge zu fassen – mit Neuigkeiten aus der fortschreitenden Popkultur …
Hier bleibt alles anders. Wie immer kämpfen die Kultureinrichtungen der Länder und der Kommunen mit Kürzungen ihrer sowieso immer schon viel zu kleinen Budgets. Ob/inwieweit sie selbst dafür (mit)verantwortlich sind, ob sie gar selbst daran etwas ändern könnten? Dies wäre allemal diskussionswürdig.
Doch die Kultur in Deutschland muss nicht um ihre Freiheit kämpfen: anders als in den USA, wo ja die im letzten Hinkelstein beschriebene ideologische Gleichschaltung weiter voran getrieben wird. Wenn aber Peter Gelb Veränderungen fordert, um die Freiheit zu schützen, so stellt sich aus meiner Sicht die Frage, ob wir Deutschen überhaupt fähig und willens sind zu Veränderungen. Auch dies ist eine Frage der Kultur.
Ich glaube, uns Deutschen fällt es verdammt schwer, „ins Handeln zu kommen“ – eine modische und genau treffende Formulierung.
Aus der Politik kennen wir dies ja seit Ewigkeiten: eine neue Regierung wird gewählt, unter anderem weil sie durchgreifende Reformen versprochen hat, oder weil sie lange überfällige Reformen endlich angehen will. Etwa Entbürokratisierung und Derugulierung, über deren Notwendigkeit sich immer schon alle einig sind, die aber dennoch nicht „stattfindet“.
Nichts passiert – und keiner wundert sich wirklich oder „regt sich gar groß auf„:
In der FAZ vom 21.08.25 („Bereit für einen Ruck?“; S.8 – Zeitgeschehen) wurde eine aktuelle Studie des Instituts für Demoskopie Allenbach zusammengefasst, die unser paradoxes Verhältnis zu Reformen/Veränderungen gut beleuchtet; die Umfrage bezieht sich exlplizit auf die berühmte „Ruck-Rede“ des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog, der unter anderem schrieb: „Um deutsche Regulierungswut kennenzulernen, reicht schon der Versuch, ein simples Einfamilienhaus zu bauen“. Damals (1997) stimmten der Behauptung einer Über-Regulierung unseres Landes 68% der Menschen zu; heute sind es 64%. Bei der Aussage „Wir müssen endlich die Reformhausaufgaben machen, über die wir schon so lange reden“ ist die Zustimmung gestiegen – von 59 auf 73%!
Nach der letzten Bundestagswahl wurden erst mal > 500 Milliarden Euro frisches Geld (Sondermögen=neue Schulden …) verteilt, da war für Reformen halt keine Zeit. Jetzt blockieren sich die Fraktionen in alter Manier; zu den vielen, drängenden Problemen/Themen werden immer neue Expertenkomissionen einberufen, um zu beraten und (Kompromiß-) Vorschläge auszuarbeiten, die dann irgendwann vielleicht(dies erinnert an Nena: Irgendwie, irgendwo, irgendwann?) in Gesetzesvorhaben einzufließen oder eben auch nicht – die nächste Wahl steht inzwischen bevor und der alte Mist ist vergessen. Nach der Wahl geht es dann wieder genau so weiter.
Kein Wunder von daher, dass der ehemalige Exportweltmeister Deutschland, was die Wettbewerbsfähigkeit angeht, nurmehr in der Kreisklasse spielt; auch was Innovationen, Patente, Existenzgründungen etc. angeht, sind die Zahlen des Niedergangs erschreckend.
Doch offenbar lehnen wir uns lieber zurück und genießen den über Jahrzehnte hinweg gewohnten Wohlstand; bleiben so entspannt, wie Pink Floyd dies schon vor > 50 Jahren beschrieben haben:
Tired of lying in the sunshine, staying home to watch the rain. And you are young and life is long and there is time to kill today: Unvergessen: Pink Floyd – Time (Live at the Albert Hall, 2006)
Verbreitet ist hierzulande die Einstellung/Haltung, die wir mithilfe von der Großstadtgeflüster am Ende des letzten Hinkelsteins zitiert haben: „weil es immer schon so war“ singen die Großstadtflüsterer und beschreiben damit ironisch unsere deutsche Mentalität: gerne und zu recht schimpfen wir auf die Politik, die „nichts wirklich anpackt, nichts wirklich bewegt“ – womit sie aber dem (unserem?) Wählerwillen offenbar auch wieder entspricht:
Lange schon ist uns allen klar, dass, angesichts sinkender Geburtenraten bei immer älter werdenden Menschen (längerer Rentenbezug, wachssende Gesundheits- und Pflege-Kosten …) an der Erhöhung des Renteneintrittsalters kein Weg vorbeigeht wird: Je länger dies aufgeschoben wird, desto schwieriger wird es.
Man braucht kein Abitur, um das zu verstehen.
Doch wir Deutschen sehen all dies gelassen: Einerseits erwarten (nach der oben zitierten Allensbach-Umfrage von Anfang August) 84% der Menschen, dass das Renteneintrittsalter erhöht werden wird, andererseits finden dies nur 23% akzeptabel. Und 63% antworten mit Nein auf die Frage, ob wir mehr und länger arbeiten müssen.
Kein noch so guter Hochabschluss genügt, um dies zu verstehen.
…(Denk ich an Deutschland in der Nacht, …)
Für wirklich jeden in Deutschland ist klar, dass der Sozialstaat dringend reformiert werden muss, wenn wir ihn erhalten wollen: Das Sozialsystem muss neu gedacht, neu gestaltet werden derart, dass Arbeiten immer attraktiver ist als nicht arbeiten.
Der Kabarettist Dieter Nuhr lästert ja hochironisch seit Jahren über (sinngemäß:) die (Deppen), die noch arbeiten.
Womit wir bei der Popkultur sind, die dann kommende Woche endlich mal wieder unser Hauptthema sein wird.
Jetzt aber ist es jetzt erstmal Sonntag. Ain’t no time to kill today, but its smart 2 find some time 4 ART. Wir wünschen also einen kunstsinnigen und angemessen verwirrenden Sonntag (ohne weitere schlechte Reime) mit fast schon erschreckend vielen verschiedenen inspirierenden Eindrücken, die zu verarbeiten der Sonntag kaum genügen wird. Schon deshalb ist klar: Ain’t no time to kill today.
Hilfreich bei der Navigation durch den Tag sind hoffentlich wieder unsere
guten Nachrichten aus der Kunst vom 07. September 2025:
Neu am 07. September 2025: | Künstler | 27.09.2025 – 28.02.2026 | Johannes Braig und Wolfgang Neumann | 27.09.2025 – 28.02.2026 | Vernissage 27.09.2025, 18 – 22 Uhr | Bildzentrale Waiblingen, Schillerstraße 58: | Antlitz – Johannes Braig und Wolfgang Neumann.
Neu am 07. September 2025: | Städtische Galerie Karlsruhe | Fr, 19.09.2025; 16 Uhr: | Führung „Update! Die Sammlung neu sichten –Szenenwechsel 3“ mit Dr. Elke Pastré
Neu am 07. September 2025: | ZKM Karlsruhe | 11.10.2025 – 11.01.2026 | Ort: Lichthof 8 + 9 | Amna Elamin. Unfamiliar Ceilings
Neu am 07. September 2025: | Newsletter Hinkelstein: | Sonntag früh frisch auf den Screen: | 07.09.2025 | Hinkelstein 55 | no time to kill today