Hinkelstein – eine Art Tagebuch vielleicht – über alles und das Nichts.
Hinkelstein II – Gedanken zur Digitalisierung von Kunst und Kultur
Während die Corona-Pandemie die Nachrichtenkanäle aller Medien weitgehend dominiert, sind andere wichtige Entwicklungen, die unsere Gesellschaft, unser Leben nicht weniger nachhaltig verändern werden, “kein Thema“.
Die Gefahr eines entstehenden technologischen Totalitarismus, die Frank Schirrmacher in der FAZ umfangreich, tiefsinnig und – hoffentlich – rechtzeitig veranschaulicht hatte oder die Entwicklungen und Potentiale der Biogenetik, die nicht nur die Pflanzen- und die Tierwelt, sondern perspektivisch auch uns Menschen selbst verändern kann und wird, sind ja eigentlich kein Thema im Fernsehen oder anderen Massenmedien.
Diese schwierigen Themen waren bislang einigen wissenschaftlich-technisch orientierten Diskussionszirkeln und den Feuilletons der immer schon eher elitären bildungsbürgerlichen Presse vorbehalten.
“Strukturwandel der Öffentlichkeit“ war 1961 der Titel der Habilitationsschrift des Philosophen Jürgen Habermas. Einen erneuten Strukturwandel der Öffentlichkeit erleben wir, seit 1995 das Internet als WWW (World Wide Web) die Welt zu erobern begann. Ein Siegeszug ohnegleichen.
Die kritische Öffentlichkeit, die hier von Anfang an möglich war (und noch ist), auf die Viele damals gehofft hatten, hat hier leider keinen Raum gefunden – außer erneut in bislang kleinen und recht elitären Wissenschaftlerkreisen. Das ZKM Karlsruhe versucht auf vorbildliche Weise, mit zahlreichen Veranstaltungen, die teilweise unter dem Dach des Projekts “Critical Zones“ stattfinden, hier einen Einblick zu geben – als vielleicht bestes Beispiel nenne ich hier das Online-Festival „Driving the Human“ …
In der Breite betrachtet, erscheint die Öffentlichkeit des Internets eher als Spiegelbild der Zeitschriftenauswahl im Wartezimmer des Hausarztes: Die schwer vermeidbaren Nachrichtenseiten etwa von Microsoft News oder Web.de liefern schlimmstes Boulevardpresse-Niveau. Dagegen ist die Bildzeitung ein intellektuelles Blatt. Über den Beitrag der sogenannten “sozialen Medien“ zu einer kritischen Öffentlichkeit ersparen wir uns den Kommentar.
Daran wird sich wohl auch nichts ändern. Die Öffentlichkeit heute ist eigentlich einfach strukturiert: Im Fernsehen finden Politik und Gesellschaft fast ausschließlich in Talk-Shows statt, wo die immer wieder selben Teilnehmer ihre jeweils vorhersehbaren Statements abgeben,
Die Zivilgesellschaft aber braucht eine kritische Öffentlichkeit. Wünschenswert ist es, die heute (technisch/potentiell) unbegrenzten Denk- und Kommunikationsräume zu nutzen für mehr Vielfalt und Differenzierungen – stattdessen ist ein Trend auszumachen in der gerade entgegengesetzten Richtung: Politische Korrektheit verhindert freies Denken, manchmal will man von Gleichschaltung sprechen.
Angst könnte man bekommen. “Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch”:
Denn es gibt es, wie schon zu Asterix ‘und Obelix‘ Zeiten, auch heute in der Sphäre der Gesellschaft und der Kommunikation, ein kleines gallisches Dorf – unbezwingbar trotz alledem.
Während aber das kleine gallische Dorf – trotz seiner Berühmtheit – soweit ich weiß, keinen Namen hat, hat der unbezwingbare Teil unserer Gesellschaft durchaus einen Namen: Kunst.
Wie immer schon und heute wichtiger denn je, befasst sich die Kunst unter anderem mit der Entwicklung unserer Welt, der Gesellschaft, der menschlichen Existenz.
Schon ein kurzer aktueller Rundblick in das baden-württembergische Kunstgeschehen zeigt, wie intensiv sich die Kunst mit dem oben beschriebenen Themenspektrum auseinandersetzt:
ZKM Karlsruhe, 11. und 12. November 2020:
[ leider abgesagt, trotzdem interessant ] Van Grimde Corps Secrets: Eve 2050 | Eine interaktive Performance über den Körper im Zeitalter digitaler Technologie
20.11 – 22.11.2020: | Driving the Human – Online-Festival
23.05.2020 – 08.02.2021: | Critical Zones
Kunsthalle Tübingen: 10. Oktober 2020 bis 07. März 2021: Supernatural
Und im Museum Ulm: Transhumanismus
Die Kunst befasst sich intensiv mit unserer Zukunft. Künstler sehen die Veränderungen und suchen intensiv nach Möglichkeiten, diese zu fassen – in der eigenen Wahrnehmung und im künstlerischen Ausdruck. Die Kunst maßt sich nicht an, diese Veränderungen zu erklären oder zu bewerten, doch Kunst macht sichtbar, welche Entwicklungen stattfinden – mal mit Fokus auf den Gefahren, mal auch mit den positiven Chancen im Blickfeld.
Mit dem im Juni neu eingerichteten kunstportal-Ressort Feuilleton haben wir begonnen, diesen Themen auch im kunstportal-bw Raum zu geben.
Nun bin ich selbst Texter, kein Bildender – oder Video-Künstler und auf der Suche nach einer geeigneten Form, an diesem Themenkomplex zu arbeiten, hatte ich die Idee, ein launiges Tagebuch zu schreiben. Immer wieder, in loser Folge mit aktuellen Bezügen.
Als Hommage an Obelix nenne ich diese Rubrik Hinkelstein.
Angesichts der anhaltenden Pandemie machen wir uns verstärkt Gedanken zur Digitalisierung von Kunst und Kultur: Hinkelstein II.
.