Tonkunst in Breitwand

Harald Schwiers im kunstportal-bw

Die Kinos sind geschlossen. Leider. Keiner weiß, wann die Paläste der Träume und Illusionen wieder geöffnet werden können. Derzeit findet Kino also vornehmlich in den heimischen vier Wänden statt. Zwar nicht mit den Mitteln der Breitwand-Kunst, aber immerhin. Oft mehr schlecht, als recht…

Dieter Kosslick, in Berlin ansässiger Pforzheimer und über Dezennien bis 2019 Chef und Macher der Berlinale, brachte es unlängst in der Hörfunk-Sendung „SWR 1 Leute“ bei der Frage nach der Zukunft des Kinos auf den Punkt: Es wird sich sehr viel verändern, derzeit schauen die Menschen die Blockbuster per Streamen eben zuhause, statt in den Filmpalästen. Wo das künstlerisch hinführt, müsse man sehen, aber die Veränderungen werden selbst vor dem Speiseangebot der Kinos keinen Halt machen. Ansonsten bleiben die Menschen doch zuhause, schauen Filme im Streamingdienst und kaufen sich eine TK-Pizza. Das sei dann immer noch billiger…

Keine Frage, Kosslick wird Recht behalten. Was das Heimkino allerdings nicht wirklich leisten kann (trotz hervorragender Technik), das ist und bleibt (auch bei frisch selbst gepopptem Korn) der Ton. Filmmusik-Klassiker können auch aus der besten Anlage nicht klingen, wie im großen Raum. Equalizer hin, Equalizer her. Und gerade in Sachen Filmmusik ist das Kino ganz große Klasse.

Was gibt es da nicht alles: Von Puccini über Richard Strauss bis hin zum Panzerkreuzer Potemkin, die Klassiker des Italo-Kinos von Nino Rota oder das Pink-Panther-Thema, das jeder kennt, wobei man sich über den Interpreten und Komponisten ausschweigen muss; über Miles Davis und andere Jazz-Größen in den film noires, Henry Mancini, Lalo Schifrin und John Williams. „Play it again, Sam“ aus „Casablanca“ gehört natürlich auch dazu wie viele, viele andere, wie Charlie Chaplin und Friedrich Hollaender und Oscar Sala, der mit seinem „Pseudo-Ururur-Moog“ den Soundtrack zu Hitchcocks „Vögel“ gezaubert hat. Oder die Altmeister Maurice Jarre und Miklós Rósza. Der „Zauberer von Oz“ gehört dazu wie „Doktor Schiwago“, Walter Carlos mit dem echten Moog für Kubrick „Uhrwerk Orange“, „Easy Rider“ mit (u.a.) den Byrds und Steppenwolf oder „Die Reifeprüfung“ (Mrs. Robinson), „Der weiße Hai“ oder „Blow up“ (Yardbirds), nicht zu vergessen „Apocalypse Now“ mit – einmal mehr! – Richard Wagner, „Titanic“ oder auch die fantastischen Nyman-Kompositionen zu den Filmen von Peter Greenaway. Bernhard Hermann sei ebenso nicht vergessen wie Ennio Morricone und Elmar Bernstein. Auch Sergej Rachmaninow, der sich künstlerisch in Hollywood missbrauchen ließ, um zu überleben. Undundund…

Kurz: Ohne Kino gäbe es die meisten nicht. Es gibt eine wunderbare Quelle, um sich all dies zu vergegenwärtigen. Preiswert. Lesenswert.

Peter Moormann (Hrsg), Klassiker der Filmmusik, Reclam, 40 Notenbeispiele.,329 S., ISBN: 978-3-15-019623-6, 9,80 €