Harald Schwiers im kunstportal-bw
Verleger, die schreiben hat es immer wieder gegeben (allen voran „Übervater“ Suhrkamp); sie sind und werden es voraussichtlich auch bleiben eher die Ausnahme. Schließlich ist des Verlegers Geschäft neben der Produktion und dem Verkauf von Büchern die Hege und Pflege der Autorenschaft und das fordert. Unter anderem und vor allem auch ein pekuniäres Polster.
Zu den schreibenden Verlegern gehört auch der Badener Hubert Klöpfer, der einst den vielfach ausgezeichneten Tübinger Verlag Klöpfer & Meyer leitete. Den Verlag gibt es zum Leidwesen Vieler nicht mehr, aber Klöpfer hat eines seiner Steckenpferde nicht aufgegeben und editiert im Stuttgarter Alfred Kröner Verlag ausgesuchte Bücher weiter. Aber nicht nur Bücher. Seit ein paar Jahren gibt es auch seinen sehr persönlich gehaltenen Gedichtekalender.
Klöpfer mag nicht nur gute Gedichte, er liebt auch eine gepflegte Handschrift. Und man muss kein Graphologe sein, um in einer Schrift, in ihrer Größe, ihrem Duktus, ihrer „Windrichtung“ durchaus Wesenszüge der die Hand führenden Person zumindest zu vermuten.
Klöpfer schreibt mit breiter Feder, die allein schon bei schwungvollem Auf- oder Abstrich so was wie Charakter hat. Der kaligraphisch äußerst talentierte Verleger bricht mit seinem Kalender (je zwei Blätter pro Monat) nicht nur eine Lanze für eine schier vergessene Kunst – wir tippen ja nur noch meist auf allen möglichen Geräten herum – die mit der Schönschreiberei in den alten Grundschulklassen eins bis vier nichts gemein hat, sondern auch für das Gedicht. Dem Vertreter einer ebenso bald vergessenen „Untergrund-Kunst“.
Schön dabei ist nicht nur die Schrift; Klöpfer wechselt zwischen zeitgenössischen Dichtern wie Walle Sayer, Robert Gernhardt, Kurt Marti und Christoph Meckel und „alten Größen“ wie Goethe, Sappho oder Emily Dickinson. Und wer die sorgsam und liebevoll gedruckten Faksimiles nicht lesen kann, für den gibt es Extrablatt, das zweifelsfrei lesbar ist. Ausgewählt wurden die 25 Gedichte (Deckblatt) von bekannten deutschen Patinnen und Paten von allen Seiten der Literaturszene.
Apropos Deckblatt. So fängt der Gedichtekalender 2022 an:
Auf ein Neues
Wenn‘s alte Jahr / erfolgreich war, / dann freue dich / auf‘s Neue.
Und war es schlecht, / ja dann: erst recht.
Albert Einstein
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Der Gedichtekalender 2022, Kröner Verlag, Edition Klöpfer, Munken Pure Papier, Spiralbindung, ISBN 978-3-520-79922-7, € 25