Malerische Poesie in der Kunsthalle Weishaupt

Kunstausflüge mit Sigrid Balke |
zur Ausstellung von 13.02.- 09.10.2022 | Kunsthalle Weishaupt Ulm

… ein Widerspruch in sich oder die Liebeserklärung eines Sammlers? 2007 eröffneten Siegfried und Jutta Weishaupt ihre Kunsthalle in Ulm und geben seitdem mit wechselnden Ausstellungen Einblicke in eine private Sammlung von weltweiter Bedeutung.

Siegfried Weishaupt und Kathrin Weishaupt-Theopold in der Ausstellung
© Foto: | Sigrid Balke,, VG Bildkunst Bonn, 2022

Nicht nur bei den großen Amerikanern – Robert Rauschenberg, Andy Warhol, Jean-Michel Basquiat, Mark Rothko,  Robert Longo und anderen sind Vergleiche mit dem Bestand internationaler Museen durchaus angemessen.

Die Sammlung ist in Bewegung. Der strengen Ausrichtung der Sammlung  vor allem mit Konkreter Kunst und Farbfeldmalerei, stellt sie in ihren Ausstellungen zunehmend ausgewählte Arbeiten junger Künstler gegenüber, die Minimalismus und Op Art mit eigener Handschrift fortführen und sie bietet etablierten Künstlern wie Gerold Miller, Klaus Peter Reuter, Ben Willkens oder Robert Longo eine angemessene Bühne. Unerwartetes, Überraschendes ergänzt bekannte Werke, ermöglicht im neuen Kontext andere Perspektiven und neue Sichtweisen. Themen und  unterschiedliche künstlerische Positionen werden mit dem Gespür für Zusammenhänge, Gegensätze und kongeniale Ergänzungen hervorragend kuratiert. Diesmal sind Werke von Marc Chagall, dem Jahrhundertkünstler aus Weißrussland, das Unerwartete in der Sammlung.

Die aktuelle Ausstellung Malerische Poesie – Chagall und Zeitgenossen –  ist der Auftakt zu einer neuen Reihe mit dem Thema Papierarbeiten, und zugleich ein Rückblick auf die Anfänge. Mit 20 Jahren und geringem Budget erwarb Siegfried Weishaupt 42 Farblithografien von Chagall aus den Mappenwerken  Daphnis und Chloe und Zirkus. Seine ersten Kunstwerke und die Initialzündung einer bis heute andauernden Sammelleidenschaft.

Der markante Bau der Kunsthalle inszeniert die Werke der Sammlung in einer zurückgenommenen Architektur mit großzügigen lichtdurchfluteten Räumen. Einzige Ausnahme: das Kabinett im unteren Geschoss, das auch kleineren Werken einen passenden Rahmen bietet. Hier beginnt der Gang durch die Ausstellung mit einem Stadtbummel durch das Paris des frühen 20.Jahrhunderts.  33 Arbeiten aus dem Mappenwerk Regards sur Paris von Zeitgenossen Chagalls wie Braque, Rodin oder Picasso, ergänzt mit poetischen Texten von Literaten der Académie Concourt porträtieren die Seinestadt mit teils intimen Sujets und lassen den Besucher eintauchen in Pariser Stadtszenen und den Flair der Montmatre-Boheme.

Farbige Bänder führen die Besucher weiter in den großen Raum und geben den Farblithografien Chagalls ihren angemessenen Rahmen. Im Dialog mit den Bildern aus dem Zyklus Daphnis und Chloe fasziniert die Choreografie, der bewusste Verzicht von Kunsthallendirektorin Kathrin Weishaupt-Theopold und ihrem Team, die Arbeiten nicht in chronologischer Reihenfolge zu hängen. So entstand ein lebendiger Rhythmus der jedem Bild seine Wirkung  gibt. Unabhängig davon, wie es weitergeht in diesem Zyklus, der die Liebesgeschichte zweier Hirtenkinder symbolträchtig in Szene setzt und den antiken Roman Longos als malerische Poesie illustriert. Der Raum wird zu einem Gesamterlebnis aus faszinierenden Farben und bildnerischer Erzählkunst.

Charles Sorbier aus der berühmten Druckwerkstatt von Ferdinand Mourlot, war der kongeniale Partner um Chagalls geradezu rauschhafte Farbträumereien in außergewöhnlicher Qualität umzusetzen. In dem lichtdurchfluteten Raum der Kunsthalle beeindruckt die Leuchtkraft der Farben wie ein visueller Rausch. Sorbier benutzte 20-25 Farben pro Druck, seine Arbeiten gelten als ein Höhepunkt in der Geschichte der Lithografie.

Die Frage wie die meterhohe freistehende Wand bespielt wird, die das erste und das zweite Stockwerk mit einer offenen Architektur verbindet, löst ein Bild des italienischen Künstlers Nicola de Maria mit dem Titel “Torino + Nicola” von 1983. Einmal mehr  zeigt diese Kombination den Stellenwert von Farbe als übergreifendes Motiv der Sammlung Weishaupt.

Copyright Fotos: VG Bild-Kunst, Bonn, Sigrid Balke  

Ausstellungsdauer: bis 09.Oktober 2022

Im oberen Stockwerk zeigt die Kunsthalle Werke aus der Sammlung.