Einfach schön! – Einfach schön?
Kunstausflüge mit Sigrid Balke | Schöner betörender Schein – Ausstellung im Edwin Scharff Museum Neu-Ulm
Einfach schön – die Jugenstil-Kronleuchter glitzern im Licht, die edlen Gewänder strahlen Wertigkeit aus und zeugen mit ihrer hingebungsvollen Verarbeitung von handwerklicher Schneiderkunst.
Das Edwin Scharff Museum in Neu-Ulm verlässt mit der aktuellen Ausstellung sein Konzept im Wesentlichen Zeitgenossen des Künstlers Edwin Scharff zu zeigen, und lässt die Besucher eintauchen in eine Welt sinnlicher Schönheit inspiriert von globalen, landestypischen Traditionen. Die Berliner Künstlerin Patricia Thoma irritiert durch die skulpturale Größe der Gewänder, überhöht dadurch ihre wertige Ausstrahlung, aber auf den zweiten Blick sind sie nichts wert. Die schimmernde Seide des chinesischen Quipao stellt sich bei genauem Hinsehen als Verpackungsmaterial ohne Wert heraus, die üppig gestalteten Capes bestehen aus alten Zeitungen.
Aber ist es tatsächlich so? Diese Frage beschäftigte die Künstlerin Patricia Thoma mit Blick auf bunte Bonbonpapiere und aufwändige gestaltete Verpackungen und ihre Antwort überrascht. „Jede Verpackung die im Müll landet, wurde bewusst für das jeweilige Produkt konzipiert, es steckt also vom Design bis zur Produktion Arbeit darin. Nicht anders bei den Zeitungen, deren Artikel geschrieben wurden um gelesen zu werden“. Patricia Thoma verarbeitet sie zu glamourösen Capes, behandelt die Oberflächen, bemalt sie mit ornamentalen Mustern, spielt mit der Wirkung von Cut-outs und gibt den Objekten eine faszinierend vergängliche Schönheit. Das unterscheidet ihre Kunst von Upcycling. Ihre Kunst hat keine Funktion aber sie vertritt eine Position. Wertschätzung von Arbeit, von Materialien, von Traditionen, aber auch das Hinterfragen einer Wegwerfkultur.
Auf eine wunderbar leichte Art, die die Schönheit des ursprünglichen Materials in den Fokus stellt. Was daraus wird und mit welchen Ergebnissen stehen angesichts einer zunehmenden Vermüllung und des Plastikmüllexports in Entwicklungs-und Schwellenländer als Denkanstoß im Raum. Ein Brautkleid mit Nerzbesatz und Perlen wird meist nur einmal verwendet – wie die Mülltüten aus denen es besteht – Schöner, betörender Schein einer konsumorientierten Welt. Wie weit der Betrachter die Assoziationskette weiterführt, bleibt ihm überlassen. Sich nur von der handwerklichen Verarbeitung und der künstlerischen Bearbeitung faszinieren zu lassen, einzutauchen in eine schöne Welt des Scheins, warum nicht? Ergänzt wird die generationenübergreifende Ausstellung von melancholischen Zeichnungen mit Eindrücken die Patricia Thoma von ihren zahlreichen Auslandsaufenthalten vor allem aus dem asiatischen Raum mitgebracht hat. Slums im weichgezeichneten Licht, Alltagssituationen die ohne Worte vieles sagen. Die Künstlerin, die auch erfolgreich als Autorin und Illustratorin arbeitet, zeigt im Edwin Scharff Museum ergänzend zur Ausstellung ein Making-of ihrer Arbeiten, Ideen, Bearbeitungsschritte und Farbzusammenstellungen als eine Art Materialarchiv. Eine verführerisch schöne Ausstellung mit vielen Anregungen zum Weiterdenken.
Ausstellungsdauer: bis 08.Oktober 2023