Jürgen Linde zur aktuellen Ausstellung der KunsthalleTübingen | 07.06.- 19.10.2025 | Schöner wohnen – Architekturvisionen von 1900 bis heute

Bild rechts: Fassadeninstallation von Bernd Ribbeck anlässlich des AUSSER HAUS-Projekts der Kunsthalle Tübingen
© Bernd Ribbeck, VG Bild-Kunst, Bonn 2025; Foto: Ulrich Metz

Bei bei der Anreise zu einer neuen Ausstellung der Kunsthalle Tübingen bin ich voller positiver Erwartung und gut gelaunt: bisher verwöhnt von immer wieder neuen Kunsterlebnissen, die hier zelebriert werden von der Leiterin der Kunsthalle Nicole Fritz und ihrem Team.
Schöner wohnen – Architekturvisionen von 1900 bis heute – ein allein schon vielversprechendes Ausstellungsthema:
– Wohnen – aktuell ein brennend wichtiges soziales Thema, dessen politische Aspekte hier bestimmt thematisiert werden und dann die
– vielfältigen Verbindungen zwischen Architektur und Kunst, die zu behandeln schon die vorab erhaltene Presseinformation verspricht.

Zwei Themenaspekte also, die auch unmittelbar zu tun haben mit der eigentlichen Hauptaufgabe unseres kunstportals baden-württemberg – der Kunstvermittlung. Bevor ich weiter unten auf die Ausstellung selbst, die ja hier im kunstportal-bw [ Schöner wohnen – Architekturvisionen von 1900 bis heute ] wie auch auf der Website der Kunsthalle umfangreich dokumentiert wird, deshalb hier nur anhand zweier Ausstellungsexponate eingehe, möchte ich darauf hinweisen, dass die Kunsthallen-Leiterin und Kuratorin auch dieser Ausstellung, Dr. Nicole Fritz, hier ein weiteres Meisterstück liefert für klug gedachte und hervorragend gemachte Kunstvermittlung. Der Ausstellungsbesuch ist wieder unbedingt zu empfehlen.

Die Themen Kunst und Architektur, (der vielzitierte, vermeintliche(?) Widerspruch) zwischen Kunst und Leben, Kunst und Wohnen nehmen ja tatsächlich eben die Mitte, die Verbindung zwischen den beiden Welten in den Fokus, wobei ich hier doch schon verrate, dass die Kunst ständig präsent ist in dieser Ausstellung, die mit Architekturvisionen von genial bis wunderschön, von praktisch bis absurd und von utopisch bis dystopisch im besten Sinne auch sehr unterhaltsam ist und ja: selbstverständlich für die ganze Familie. Rund 150 Veranstaltungen in der und rund um die Ausstellung zeigen, wie sehr die Kunstvermitlung als Schwerpunkt der Arbeit der Tübinger Kunsthalle gesehen werden darf.

1. Immer schon sind ja Kunst und Architektur inhaltlich miteinander verbunden; nicht wenige Künstler (insbesondere Bildhauer) haben als Architekten begonnen, um sich dann die Kunst zur Hauptaufgabe zu machen. Und um dann manchmal im Rahmen ihrer künstlerischen Arbeit zurückzukommen auf architektonische Themen. Als Beispiele aus unserer umfangreichen kunstportal-bw-Künstlerliste nenne ich hier nur zwei Beispiele:

Bild rechts: OMI Riesterer: Roter Würfel, Eiche-Lack
© OMI Riesterer
Ausstellung: 13.04. – 05.10.2025 | Barbara JägerJürgen KnubbenOMI RiestererManuela TirlerGünter Wagner, u.a.: | GFjK Baden-Baden: | scultura 2025

Bild links: KunstWerkeFeger
© Haus und Foto: Bruno Feger

Bruno Feger, der Stahlbildhauer, der sich – sprachkreativ firmierend unter der Adresse „Kunst-Werke Feger“, hat sich den inzwischen fertiggestellten Bau seines eigenen Hauses zur künstlerischen Lebensaufgabe gemacht, die er mit enormer Energie selbst bauend (Stein für Stein) leistete, während er neben diesem bauhauslich strengen Werk gleichzeitig wunderbare Stahlskulpturen geschaffen hat, die wir als pflanzlich und sehr lebendig erleben.

Zur Ausstellung selbst:

Für jeden, die Kunsthalle Tübingen per ÖPNV besucht, beginnt der Ausstellungsbesuch AUSSER HAUS – im Rahmen dieser unregelmäßigen Ausstellungsreihe hat der in Berlin lebende Künstler Bernd Ribbeck die Aufgabe übernommen, die Fassaden der Wohngebäude gegenüber der Kunsthalle -(„hinter der der Bushaltestelle Kunsthalle“ – besonders erfrischend ist diese künstlerisch sehr assoziationsreiche Installation auch deshalb, weil die vorherige Präsentation von Annett Zinsmeister (coronabedingt) mit über 3 Jahren einfach zu lange zu sehen war.

Bild rechts: Bernd Ribbeck: Fassadenarbeit; © Bernd Ribbeck, VG Bildkunst Bonn, 2025; Foto: Ulrich Metz

Genaueres zu dieser Fassadenarbeit hier: Bernd Ribbeck: Fassadenarbeit. Im Hinkelstein Nr. 42 (08.06.2025) habe ich schon eigene Eindrücke hierzu geäußert zur Arbeit von Bernd Ribbeck, der mit ebenfalls hochinteressanten normalformatigen Werken in der Ausstellung Schöner Wohnen selbst präsent ist.

Die eingangs erwarteten politischen Aspekte oder Implikationen des Themas Wohnen, die in der Ausstellung glücklicherweise dann doch gegenüber der Kunst in den Hintergrund treten, entdecke ich dennoch sehr prägnant anhand des „Nagakin Kapsel Turms“: ein Gebäude, das wie kein anderes Wohnutopie und – dystopie gleichzeitig präsentierte.

Bild rechts: Nakagin Kapsel Turm Gebäude vom japanischen Architekt Kishō Kurokawa, 1972, Foto erstellt vor der Shuto Schnellstraße in Shimbashi, Tokyo Japan Juli 05 2021.
© Kuremo | Dreamstime.com

Die einzelnen Kapseln des Capsule Towers sind wirklich sehr kleine Wohncontainer – mit nicht ganz 10 Quadratmeter Grundfläche eine logische Antwort auf den globalen Trend zur Stadtflucht, die naheliegenderweise in Japan gegeben wurde: Tokio iat mit derzeit 37 Millionen Einwohnern die größte Stadt des Planeten – so ein Tower ist da doch gar nicht so schlecht.

Wie bisher jeder meiner Hausbesuche endet aus diese wieder mit der Heimreise. Also auch wieder AUSSER HAUS. Und damit bei einem letzten Exponat: die Kunsthalle hat nach dem Abriss des Nakagin Capsule Towers einen der Wohncontainer als Leihgabe bekommen – und zeigt diese im Außenbereich der Kunsthalle.

Wohnkapsel des Nagakin Capsule Tower, 1972 (Tokio)
Dauerleihgabe, Stiftung Kunsthalle Tübingen
Foto: SWR

Angenehm, nach dem Kapselbesuch (3 Journalisten passten gleichzeitig rein!) wieder in den Bus Nr. 5 zum HBH zu steigen. Zur Not könnte man hier schlafen, aber arbeiten schon kaum; nicht mal ein Bild aufhängen. (M)ein Vorurteil wird bestätigt: Wir brauchen
Mehr Raum für Kunst

Diesen finden Sie reichlich in den Hallen der Kunsthalle, genügend Raum zum Sehen und sogar zum Denken.

Jürgen Linde am 08. Juni 2025