Hinkelstein, der wöchentliche Newsletter des kunstportals baden-württemberg: Jeden Sonntag früh frisch auf den Screen
Den letzten Hinkelstein (Nr.39) schlossen wir ab mit der Erkenntnis oder zumindest der These: Kunst und Freiheit sind ein Thema.
Auch diese These basiert ja nicht zuletzt auf unserer bildungsbürgerlichen Kultur, wie ich sie – vor allem als (Viel-)Leser und Musik liebender Mensch – leider nicht aus, aber eben seit meiner Kindheit kenne. Hier, wohl ein wenig außerhalb der/meiner realen (und Wahrnehmungs-) Welt, hatte ich (m)eine Heimat gefunden. Ja: ich nehme das alles sehr persönlich; es war ja meine Freiheit.
Thomas Manns Buddenbrooks und Elias Canettis autobiographische Trilogie (Die gerettete Zunge, Die Fackel im Ohr, Das Augenspiel bildeten meine Welt; mit Canettis “Masse und Macht“ trat dann die Politik explizit in den Vordergrund für mich. Vor diesem Hintergrund las ich (in den späten 70ern) George Orwells 1984; eine Lektüre, die meine Wahrnehmungswirklichkeit (geprägt?) beeinflußt und sensibilisiert hat. Bis heute:
Als Hinkelstein-Leser wissen Sie, dass mir George Orwell mit diesem 1948 geschriebenen Buch aus heutiger Sicht nicht als Visionär, sondern eher schon als Prophet erscheint.
Mit diesem Stück persönlicher Geschichte bin ich mit Ihnen wieder mitten im Thema:

Im letzten Hinkelstein 39 hatten wir angekündigt, erneut, und leider sicher nicht zum letzten Mal, den neuen Totalitarismus, dessen Entstehung wir jetzt miterleben, in den Fokus zu rücken: Dieser stellt nicht allein die Grundlagen der demokratischen Gesellschaften, sondern auch unser Menschenbild in Frage.
In meinem oben beschriebenen Weltbild gehören Kunst und Freiheit zusammen; laut Schiller ist Freiheit die “Schwester der Kunst“ und die meisten von Ihnen werden mir wohl zustimmen, dass Kunst und Freiheit gemeinsam auch als Grundvoraussetzungen des Menschseins verstanden werden (müssen, können, sollten? Ja.).
Der hier oft zitierte Prophet George Orwell hat den Beginn der Mediengesellschaft (“Volksempfänger“) schon am Ende des historischen deutschen Faschismus erkannt und deren digitale Entwicklung weitsichtigst vorweggenommen. Seine 1948 geschriebene Dystopie 1984 basiert auf der zutreffenden Annahme, dass die Technik (heute Digitalisierung / Internet und Social Media) – zukünftige totalitäre Systeme unterstützen und für diese eine früher nicht mögliche hoch effiziente (totale) Kontrolle ermöglichen würde.
Offensichtlich hat Orwell auch im “Hitler-Faschismus“ schon die “übergeordnete“ Struktur des Totalitarismus erkannt. Der jetzt entstehende technologische Totalitarismus, der so erst auf der Basis der Digitalisierung möglich ist, und über den ich selbst seit 2018 immer wieder hier im kunstportal baden-württemberg schreibe, konnte bisher als meine persönliche Prognose aufgefasst werden. Inzwischen aber häufen sich die Fakten, die diese Prognose fast schon als überholt erscheinen lassen:
– die weltweite politische Tendenz zu autokratischen Herrschaftssystemen (Russland, China, USA); der Aufstieg autokratischer Parteien in vielen Ländern unterstützt mit Spenden amerikanischer Milliardäre und mit den digitalen Waffen von Putins ausgefeilten Cyberkrieg.
– der Aufbau einer technischen Infrastruktur mit riesigen Server-Farmen; hier sind mehrere Tech-Riesen sehr aktiv; wahrscheinlich hat oder übernimmt hier Zuckerbergs Meta die Führung: (Mark Zuckerberg gab bekannt, dass Meta 65 Milliarden Dollar in KI investiert. Ein KI-Rechenzentrum in Louisiana soll mit dem Large Language Model (LLM) Llama 4 die Zukunft prägen.
– der Aufbau einer globalen Kommunikations(=auch Kontroll-) infrastruktur (Telekommunikation insgesamt; Internet insbesondere) im Weltall unter der Führung von Elon Musk / Space X: Mit 7302 Starlink-Satelliten im Erdorbit (Stand Ende April 2025) ist SpaceX der mit Abstand größte Satellitenbetreiber weltweit.
– die wachsende Kontrolle aller persönlichen Daten durch Google und facebook (und Klarna und Pay-Pal etc.) ist schon lange keine Nachricht mehr; wir haben uns längst damit abgefunden (ist halt so).
Unsere Darstellung dieser Entwicklung, die wir hier seit Monaten gemeinsam erarbeiten, findet zunehmend erfreuliche Unterstützung / Bestätigung durch das klassische Medium Fernsehen, namentlich das öffentlich-rechtliche ZDF liefert hier journalistisch professionelle und hervorragend gemachte Reportagen, auf die wir einfach per Link empfehlend verweisen; unsere Liste wächst von Woche zu Woche; hier ein Überblick:
Schon vor drei Wochen hier genannt und verlinkt, doch noch immer iformativ/sehenswert: Systemsprenger Trump. Ein wichtiger Schritt der totalitären Gleichschaltung ist die Zerschlagung demokratischer Institutionen in der Innenpolitik: USAID abgeschafft, Entwicklungshilfe und Bildung werden geschrumpft;ganze Ministerien abgeschafft; das Rechtssytem wird personell ausgehöhlt); die Gewaltenteilung wird auf allen Ebenen angegriffen, ist wohl bald faktisch aufgehoben und in der Außenpolitik: UNO und NATO müssen womöglich auf die USA verzichten … wie schon jetzt die Weltgipfel zu Themen wie Klimawandel und Umwelt.
Noch weiter führt der Beitrag von vorletzter Woche: Putins Helfer. Innenpolitisch ist es offenbar Elon Musk, der freie Regierungsmitarbeiter, der nicht nur die Drecksarbeit macht (Argentiniens Javier Milei hat ihm dazu symbolisch eine Kettensäge überreicht). Nebenbei bündelt seine Sonderbehörde D.O.G.E auch alle (personenbezogenen) Daten der inzwischen aufgelösten Ämter/Behörden.
In diesem Szenario fährt Putin, dem es auch um die Rekonstruktion seines früheren Machtbereichs geht, mehrgleisig: der konventionell-altmodische? Krieg gegen die Ukraine steht neben einer schon lange begonnenen geheimdienstlichen Fortsetzung des Kalten Krieges: laut der ZDF-Reportage arbeitet der KGB schon seit Anfang der 80er systematisch an der Rekrutierung geeigneter (=korrupt, egozentrisch, machtgierig, untreu / erpressbar) Führungspersönlichkeiten im Westen – auch Donald Trump sei schon frühzeitig rekrutiert (schöner in KGB-Sprache “kultiviert“) worden.
Und zuletzt dann am 21. Mai 2025: Trump und das Silicon Valley
Noch ist das Bild keineswegs vollständig, weil noch vieles in Bewegung ist, weil wir noch zu wenig wissen: Doch im bisher letzten Teil der Folge von Sendungen liefert der journalistische Altmeister Claus Kleber weitere sehr gewichtige Aspekte und Fakten, eine Analyse, die das Gesamtbild substanziell ergänzt.
Anders als in “Putins Helfer“ entwickelt diese aktuelle Reportage eine andere, weitere Perspektive – die Tech-Giganten schaffen hier ihr eigenes oligarchisches Reich nach ihrer vielleicht eigenen Agenda.
Gut wird hier auch beleuchtet, wie sehr der deutschstämmige Tech-Milliardär Peter Thiel als Stratege im Hintergrund aktiv ist: reich geworden mit facebook-Anteilen und dann als Mitbegründer von Pay-Pal ist Thiel öffentlich wenig präsent, aber dennoch sehr mächtig: viele Figuren in Trumps Führungsmannschaft kommen aus Peter Thiels Imperium, wie diese Reportage anhand zahlreicher Beispiele belegt.
Thiel kontrolliert ein ganzes Konglomerat von Unternehmen, deren strategisch wohl wichtigstes Palantir ist. Die Erläuterung der umfangreichen Angebote und Aktivitäten von Palantir würde unseren Rahmen sprengen, weshalb wir auf den Wikipedia-Eintrag dazu verweisen.
Zusammengefasst geht es bei Palantir um Big Data – die Erfassung und Analyse von Massendaten (Personen und Unternehmensdaten). Softare von Palantir hilft polizeilichen Behörden bei Ermittlungen, was uns an Science Fiction Filme erinnert; hier etwa Minority Report(mit Tom Cruise) .
Immer wieder entdecken wir hier in unserer Hinkesteinreihe Verbindungen zwischen Hollywood, Science Fiction und Fantasy einerseits und der sehr ernsten Realität andererseits. Palantir pflegt selbst solche Assoziationen durch die Namen der verschiedenen Unternehmensbereiche [ Der Firmenname Palantir stammt von der Bezeichnung der sehenden Steine in J. R. R. Tolkiens Fantasy-Saga „Herr der Ringe“. ] und auch die von Produkten Palantir Gotham (früher bekannt als Palantir Government) integriert strukturierte und unstrukturierte Daten und stellt sowohl Such- und Ermittlungsfunktionen als auch Wissensmanagement und sichere Zusammenarbeit unter verschiedenen Parteien zur Verfügung.
Auch gibt es Palantir Metropolis. Wer früher Comics „gelesen“ hat, kann die Städte-Namen selbst zuordnen.
Mit Palantir Technologies steuert er ein Unternehmen, dessen machtpolitische Bedeutung kaum zu überschätzen ist. Und anders als bei Etwa Elon Musk basiert Peter Thiels Handeln auf einer festen ideologischen Basis, dem Libertarismus: „Ich glaube nicht mehr länger, dass Demokratie und Freiheit kompatibel sind.“
Claus Kleber fragt in seinem Beitrag zu recht, ob oder in welchem Maß Donald Trump selbst nur als reine Marionette (als nützlicher Idiot) gesehen werden sollte …?
In jedem Fall verbindet die „Übermächtigen“ ein gemeinsames Welt- und Menschenbild, in welchem das Recht des Stärkeren entscheidend ist. Dies erinnert uns an frühere Zeiten, die ja längst wieder modern sind, wie zuletzt die Buchmesse gezeigt hat: Im Buchmarkt ist ja das Marktsegment Fantasy einer der wenigen Wachstumsbereiche, wie auch in Hollywood, wo die Zukunft, spätestens seit Star Wars, gerne märchenhaft daherkommt – Fantasy boomt – rückwärtsgewandt oder zukunftsweisend?
Klar ist jedenfalls: Donald Trump tritt derzeit auf als der King.
Hierzu ein passender Musiktipp – espacially 4 Donald Trump verlinken wir hier in die graue Vorzeit, als Rockmusik (noch nicht KI-generiert, sondern Hand-Arbeit war:) zu Wishbone Ash live im Rockpalast: The King will come (1976)
Kleine persönliche Anmerkung von Obelixa (Der Hinkelstein ist meine Rubrik, Chef, Ich darf das!)
Selbst wir hier im uneinnehmbaren gallischen Dorf (der Kunst) bekommen jetzt (nur manchmal und auch nur ein klein wenig) Angst, denn im Text von Wishbone Ash heißt es:
The sky will fall, the earth will pray
When judgment comes to claim its day
Asterix-Leser wissen, dass unser Chef Majestix ja grundsätzlich vor nix Angst hat, nur halt davor, dass ihm eines Tages der Himmel auf den Kopf fallen könnte .
Doch Miraculix meint: „Keine Angst, die Dekadenz und die Dummheit der Römer wird sie wieder stolpern lassen, bevor sie hier sind“: Er empfiehlt Bobby Mc Ferrin: Don’t worry …
Im aktuellen Bild erscheint Donald Trump jedenfalls Darth Vader, der im Vordergund agiert entsprechend seiner Selbstinszenierung als König von Amerika – doch wer ist dann der Imperator?
In allen drei Szenarien, die einander ergänzen, erleben wir Trump als Darth Vader – die Frage ist offen: wer ist dann der Imperator: ist es nun Peter Thiel oder am Ende doch Mark Zuckerberg oder eigentlich immer schon Wladimir Putin?.
Obelixa, die sich hier recht frech einmischt, und Miraculix haben ja vielleicht recht: noch leben wir in Freiheit.
Unklar ist, ob und wann genau die digitale Diktatur etabliert sein wird (vielleicht merken wir das ja auch gar nicht): Aus dem Terminator wissen wir, das jeder seine Zukunft selbst bestimmt und unklar ist auch, und ob es vielleicht gar Gegenkräfte gibt, aus Trotz und weil es halt auch sein muss: wir hoffen auf die Rückkehr der Jedi Ritter.
Ehrlicherweise bin ich selbst in diesem Thema nicht wirklich optimistisch: George Orwell erfand seinen Titel 1984 ganz einfach aus einem Zahlendreher – er schrieb das Buch ja 1948.
In der heutigen Zeit geht die Digitalisierung innenpolitisch (die der Behörden etc.) ja furchtbar langsam oder gar nicht voran, aber die Weltpolitik verändert sich recht schnell.
Dennoch wage ich es mit (fast schon krankhaftem kern-) gesundem Zweckoptimismus meinen Beitrag nach dem Vorbild von George Orwell zu betiteln:
2052
(carpe diem)
Wir wünschen – hier bestimmt auch im Sinne von Han Solo, Prinzessin Leia und ihrem Bruder Luke Skywalker und R2D2 Ihnen wieder einen geradezu beängstigend schönen Sonntag, der sich gewaschen hat. Mit Kunst und Freiheit.
Jürgen Linde im Mai 2025
Ach ja, noch leben wir in Freiheit, was nicht zuletzt die Kunst täglich beweist. Hier wie immer
unsere guten Nachrichten aus der Kunst am Sonntag, dem 25. Mai 2025 im kunstportal baden-württemberg:
Neu am 25. Mai 2025: | Stiftung BC pro arte | bis 27.06.2025: | Resonanzen. Henning Eichinger, Yvonne Kendall. Malerei, Objektkunst, Installation
Neu am 25. Mai 2025: | Künstler | Katharina Hinsberg | 13.06. – 28.09.2025 | Städtische Galerie Neunkirchen: | Katharina Hinsberg – Die Teile und das Ganze
Neu am 25 Mai 2025: | Künstler | 25.09. – 09.11.2025 | Leo Staigle und Susanne Immer | Galerie der Stadt Wendlingen | Vernissage Mi, 24.09.2025, 19:30 Uhr: | Skulpturen, Objekte, Malerei
Neu am 25. Mai 2025: | ZKM Karlsruhe | Mi, 16.07.2025 17 – 20 Uhr | Insel Hub auf dem Vorplatz: | Kleider- und Bücherbasar x Mittwochstreff
Neu am 25. Mai 2025: | Städtische Galerie Fruchthalle Rastatt | 20.07. – 02.11.2025: | Eröffnung: 20. Juli 2025: | „DZiKADiVA“
Neu am 25. Mai 2025: | Newsletter Hinkelstein: | Sonntag früh frisch auf den Screen: | Hinkelstein 40 vom 25. Mai 2025: | 2052