David Grözinger
mail: zeitwesen@t-online.de
Telefon: 07252/87913
70er Jahre, Comiczeichnungen, frühe Jugend, so meine ersten Assoziatiationen angesichts des Katalogs von David Grözinger. Wild und frei malt er, viele Materialien, launig, nicht zu bunt – irritierend waren die ersten Eindrücke, die ich von Dave Grözingers Arbeit hatte, allemal.
Da ich mit großer Begeisterung (werk-) täglich Volker Reiches Strizz-Comics im Feuilletonteil der FAZ lese, habe ich gegenüber Comics keinerlei Berührungsängste; die Staatsgalerie plant gar eine Ausstellung “Kunst und Comic”. Doch auch wenn Dave Grözinger nicht bestreitet, daß Comics ihn – vor allem in seiner frühen Jugend – beeinflußt haben, wird doch schnell deutlich, daß in seiner heutigen Arbeit Comic-Elemente keine nennenswerte Rolle spielen; es geht vielmehr um Malerei – in einem geradezu umfassenden Sinne:
Barockes, Primitives, Neues Wildes, zeichnerische Elemente, nix, was es nicht gibt. David Grözinger bedient sich überall zielgenau und entwickelt äußerst eigenständige Arbeiten; einen freien Stil, den er souverän spielt. Freejazz ist in den Bildern zu sehen, aber auch Mozart.
Er vermengt zeichnerische, oft gegenständliche und hochabstrakte Elemente gleichermaßen, er malt wild und sinnlich und da fällt mir ein Aufsatz ein – von Jean-Christophe Ammann, den ich gleich nachschlage: “…wer glaubt, er könne nur mit dem Kopf statt mit dem Körper denken, dem entgleitet die Welt in einem Maße, daß er vereinsamt. Welt – nicht die Welt – zu erkennen und zu verstehen, setzt ein übergreifendes Interesse, eine übergreifende Neugier voraus.”
(Quelle: Katalog – zur gleichnamigen Ausstellung der Kunsthalle Würth – “Abstrakte Realitäten”, S.15)
Grözingers Malerei ist nicht abstrakt, auch nicht gegenständlich – insofern befinden wir uns vielleicht, doch , das scheint mir der Fall, auf einem ganz neuen Pfad der Karlsruher Figuration.
Kommt drauf an, was man daraus macht – den bekannten Betonwerbeslogan zitiert Dave selbst, als er meine Frage nach (s)einem Traumprojekt beantwortet: “Ein großes Fabrikgebäude von außen zu gestalten.” Wer eine (noch) graue Fabrik hat, mailde sich bitte bei uns, wir fädeln das auffällig ein.
Apropos Farbe: auch was Materialien angeht, läßt sich Dave Grözinger nicht einschränken: alles kann in einem einzigen Bild vorkommen: Acrylfarbe, die der Künstler als “stumpf, plastikähnlich” charakterisiert, wird ergänzt durch die “leichte, lebendige” Ölfarbe und dann bekommt das Ganze mit Lackfarbe noch “eine luftige Nuance”. Oft malt Grözinger auch auf Holz, wobei dann die Struktur desselben als Element in das Bild einfließen kann.
Angesichts der Vielfalt und Intensität von Grözingers Arbeit, die ich im Atelier des Künstlers erlebe, drängt sich mir der Begriff der “obsessiven Malerei” auf, mit dem das Karlsruher MNK gerade eine Ausstellung tituliert hat. Gemeinsamkeiten sind vorhanden: die Intellektualisierung etwa des Minimalismus, gegen den sich die Neuen Wilden ja gestellt haben, ist auch Grözinger eher fremd. Dies verblüfft, wenn man weiß, daß sich Dave Grözinger etwa mit Wittgensteins “Philosophische(n) Untersuchungen” – beschäftigt hat.
Statt dessen arbeitet Dave Grözinger nach meinem Empfinden intuitiv, sehr emotional und direkt. Es könnte ein Zitat auch von Dave Grözinger sein, wenn der “Neue Wilde” Rainer Fetting in seinem Statement zur o.g. Ausstellung (Ausstellungskatalog Seite 24) rückblickend schreibt:
“Vorher dominierten in der internationalen Kunstszene Minimalismus, Konzeptkunst und Joseph Beuys, der mir wegen seiner permanenten Vorträge ziemlich auf die Nerven ging…Man wollte nicht so intellektuell und ernsthaft daherkommen.”
Dave Grözinger hat gerade sein Studium an der Kunstakademie Karlsruhe abgeschlossen, als Meisterschüler bei Prof. Gerd van Dülmen. Er lebt und arbeitet in Bretten, wo er vom 16. Oktober bis 16. November 2003 seine erste große Einzelausstellung hat. Der Kunstverein Bretten veranstaltet diese in den Räumen der Sparkasse in Bretten.
Als wir in diesem Zusammenhang auf “Texte über Kunst” allgemein und “Vernissagereden” speziell zu sprechen kommen, stellt sich heraus, daß Dave weder zur Vernissage (16.10. um 19 Uhr) noch hier in diesem Porträt einen langen Text haben will, was ich durchaus richtig finde:
Ich denke, daß sich der Geist – an Kopf und Sprache vorbei – in der Kunst direkt ausdrückt oder realisiert. Ansonsten wäre die Kunst Philosophie, womit wir abschweifen könnten zu Adorno, dessen Philosophie mir wiederum als eigenständige Kunst(form) angelegt scheint. Abschweifen aber wollen wir gerade nicht, deshalb ende ich hier mit dem berühmten Zitat von Paul Klee, welches ich (um einen Halb-Satz verlängert) Dave Grözinger als einführende Rede für seine Ausstellung vorschlage:
“Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, Kunst macht sichtbar” – aber sehen, sehr geehrte Damen und Herren, sehen dürfen Sie selbst. Denn auch für uns Beetrachter gilt:
Es kommt drauf an, was man daraus macht.
Jürgen Linde, 2003