Hinkelstein, der wöchentliche Newsletter des kunstportals baden-wuerttemberg: Jeden Sonntag früh frisch auf den Screen
Hinkelstein 37 | 04.05.2025 | Imagination
Nach zwei Hinkelsteinen, die (recht neudeutsch, passt aber halt:) getriggert waren durch Reiseimpressionen und bereichert durch (zu meiner Freude (hier mal auf schwäbisch:) ganz furchtbar oft angeklickten Links zu Youtube-Clips mit richtig guter Musik. Eindrücke vielleicht, mit denen ich uns und mich selbst ablenken wollte von der Politik, die ja mehr denn je die (meine) Wahrnehmungswelt dominiert, auch oder weil sie zunehmend bedrohlich erscheint.
Auch war ja unser neues Mai-Künstlerinnen-Porträt über Tanja Pohl (pünktlich erschienen am 01. Mai!) mehrfach Thema der letzten Hinkelsteine, weil zu meinen erwähnten Reisen auch ein Atelierbesuch bei der Künstlerin Thema war, und eben auch, weil ich Tanja Pohls Kunst als sehr stark verbunden sehe und empfinde mit unserer Thematik der Gefahr einer neuen (technologisch basierten) totalitären Gesellschaft. Nicht zufällig war „MenschMaschine“ auch der Titel einer früheren Ausstellungen unserer neuen Künstlerin.
Menschmaschine ist auch Titel des gleichnamigen Albums von Kraftwerk (1980): OK; weil ja inzwischen meine Musik-Tipps hier erwartet werden, aber auch, weil gerade dieser Song/dieser Videoclip sehr gut (wahrhaft visionär) zeigt, wie Musik vielleicht bald nur noch aussehen wird: Das Model

Ergänzend zur schönen, paradigmatisch perfekten Außenwelt des Models erlebe ich Tanja Pohls „Großen Auftritt“ als möglicherweise des Models Innenwelt:
Bild links: Tanja Pohl: Der große Auftritt, 2017
Öl auf Leinwand, 220 x 160 cm; © Tanja Pohl
Mehrere Werke Tanja Pohls scheinen zu zeigen, wie der Mensch, der dabei wohl als solcher verloren geht, zum Teil der Maschine wird. Dies gilt auch, wenn wir den Begriff Maschine nicht eng begreifen – als Produktionsmaschine (wie bei Charlie Chaplin in „Moderne Zeiten“) oder als Fabrik, sondern in „aktuell moderner“ Zeit: Gesellschaft als digitale Maschine: der Staat als eine KI-gesteuerte Kontrollinstanz, die alles und jeden kontrolliert, rund um die Uhr physisch und auch unsere Gedanken: Der Film „Die Matrix“ beschreibt ja eine Welt, in der wir Menschen als rein digital existierende Avatare unserer eigenen Realität alles andere als sicher sind.
Immer wieder erinnert uns die heutige Entwicklung an George Orwells geniale und düstere Vision der Welt; geopolitisch eingeteilt in drei Machtblöcke (vielleicht sind wir gerade auf dem Weg dorthin), jeweils regiert von einer real nicht existierenden, sondern rein virtuellen Figur; in Ozeanien (1984 spielt in England, das zu Ozeanien gehört) Eurasien ist es „Big Brother“ – dieser Führer dominiert alle Bildschirme, alle medialen Bilder, die ständig überall zu sehen sind: Big Brother kontrolliert auch, dies ist noch wichtiger, unsere Gedanken, unsere Sprache – wie jetzt beginnend, Donald Trump: er ist dabei, die Welt – unser Weltbild – sprachlich seiner eigenen Sichtweise anzupassen- nicht nur heute im Hier und Jetzt: im Künstlerporträt über Tanja Pohl erwähnten wir das „Verbot“, den Golf von America noch immer Golf von Mexico zu nennen. Offenbar ist das nur der Anfang einer wohl doch (trotz der unberechenbar erscheinenden Sprunghaftigkeit Trumps) ausgefeilten Strategie …
Kürzlich erst, (Di, 29.04.; 21:45 Uhr im ZDF: Systemsprenger Trump -über die ersten 100 Tage des Präsidenten im Amt) erläuterte diese ZDF-Auslandsjournal-Reportage (gerne würde ich hier Sendeterminne für die Wiederholungen nennen; es gibt leider keine, aber in der ZDF-Mediathek ist der Beitrag ja leicht zu finden), dass und wie Trump die Welt seinem Weltbild anzupassen versucht: Die Gegenwart und die Zukunft sowieso, aber auch die Vergangenheit: Begriffe wie Polizeigewalt oder Rassismus werden (soweit digital vorhanden) rückwirkend aus den Datenbeständen amerikanischer Regierungsdokumente beseitigt.
Um treue Leser nicht zu langweilen, erlaube ich mir, zu dem hier eigentlich angezeigten Thema „Bedeutung der Sprache für ide politische Macht“ einen Verweis auf (m)einen früheren Beitrag hier im kunstportal-bw-Feuilleton: Jürgen Linde Juli 2022: | (Wie) ist technologischer Totalitarismus möglich?: | Die affirmative Wolke
Uns heutigen digital mündigen Bürgern ist klar, dass alles, was George Orwell zum Thema Sprache und Macht schreibt, dass seine dazu geprägten Begriffe wie „Thought-Control“ , Gedankenpolizei, Falschdenken, Gedankenverbrechen etc. ja implizit die digitale Wirklichkeit, in der wir längst leben, voraussetzt.
Es geht also nicht um Zukunftsvisionen, um Utopien oder Dystopien, sondern um unsere heutige Wirklichkeit und unseren Umgang mit dieser. Bildende Kunst, wie etwa eben die von Tanja Pohl, reflektiert auf hochkomplexe Weise unser heutiges Menschsein – mit großem fetten Fragezeichen, da wir ja nicht mehr so recht wissen, was das ist.
Einen anderen Umgang mit solch schwierigen Themen liefert uns zuverlässig die Hollywood-IFim-Idustrie, aber eben auch die Filmkunst (es gibt da Schnittmengen):
Keanu Reeves, zurecht berühmt als Neo (in der Matrix-Reihe selbst in einer für uns Normalos nicht verständlichen digitalen Existenz, vielleicht als Blockchain …?), zählt zu den führenden Köpfen einer Revolution der letzten realen Menschen gegen die Virtualisierung alles Wirklichen:
Alles zu upgespaced für mich. Da lobe ich mir doch noch den guten alten John Conner, (der Held im Terminator), der, bestens militärisch ausgebildet von seiner Mutter, Sarah Connor (nein, natürlich nicht die singende Sarah Connor) in James Camerons Terminator II noch mit ganz stinknormalen Strahlengewehren und Sprengladungen das üble Regime der Maschinen bekämpft. Vielleicht ist ja die sehr dystopische Weltsicht der Terminator-Filme altersbedingt: der frühere James Cameron (wie Steven Spielberg auch als Super-Reicher immer noch Künstler) hat zuvor teils wunderbare positive Utopien produziert: etwa „Abyss“; furchtbar schlecht deutsch unterbetitelt mit „Abgrund des Grauens“); bei Gelegenheit: unbedingt anschauen! oder auch das Film-Epos Avatar , das ja auch eine, wohl schon eher verklärte, Utopie liefert – die Welt der Blauen auf Pandora!)
Aus heutiger Sicht ist der Terminator II wohl fast so altmodisch wie ein Western mit John Wayne?
Klares Jein: erst mal umnieten, dann (vielleicht) nachfragen, das geht gar nicht mehr. Rumballern und Leute wegbomben sind out, sind Steinzeit. Ja, früher war halt alles besser.
Die heutige Gefahr ist ein technologisch basierter Totalitarismus, der vielleicht schon da ist, ohne dass wir es bemerkt haben.
Dazu, sorry, nochmal ein Link in eigener Sache: Jürgen Linde zieht in seinem Essay (im April 2020) eine Zwischenbilanz der Totalitarismus-Debatte: Systemstreit digital. Ist eine demokratische Digitalgesellschaft möglich?
Die Kunst, so ist auch zu lesen im neuen Künstlerinnenporträt, liefert uns zu all dem keinen Ausweg.
Vielleicht aber eine Überlebensstrategie : ich nenne diese wie auch das Porträt über Tanja Pohl
Imagination
Jürgen Linde im Mai 2025
Unabhängig davon, ob wir unsere Zukunft eher dystopisch oder eher utopisch sehen, sehen wir gute Chancen für ein anregedes Kunstwochende; hilfreich dabei sind wie immer
die guten Nachrichten am Sonntag, dem 04. Mai 2025 im im kunstportal baden-württemberg:
Neu am 04. Mai 2025: | Künstler | ab 04.09.2025 | Bruno Kurz | von frauenberg art gallery Düsseldorf | Sadhana Stille – Indischer Zyklus / 2025
Neu am 04. Mai 2025: | Städtische Galerie „Fähre“ Bad Saulgau | Do, 15.05.2025; 19.30 Uhr im Lichthof im Alten Kloster: | Kunstvortrag über Emanzipation in der „Fähre“ im Alten Kloster: „Wir wölln frei sein!“ (mit Dr. Bertram. Kaschek)
Neu am 04. Mai 2025: | GEDOK Karlsruhe | 28.06. – 13.07.2025 | Objektkunst, Malerei, Installation | Eröffnung Fr, 27.06.2025, 20 Uhr: | Elke Hennen / Judith Lindner: Geraum
Neu am 04. Mai 2025: | ZKM Karlsruhe | Do, 19.06. – So, 22.06.2025 | Staatliche Hochschule für Gestaltung Karlsruhe (HfG): | 23. Gulaschprogrammiernacht (GPN23)
Neu am 04. Mai 2025: | Newsletter Hinkelstein: | Sonntag früh frisch auf den Screen: | Hinkelstein 37 vom 04. Mai 2025: | Imagination