Wirklichkeit bleibt analog – über Jan-Hendrik Pelz

Aktuelle Ausstellungen und Projekte von Jan-Hendrik Pelz

Jan-Hendrik Pelz im Internet: | Website: http://www.jan-pelz.de/
E-Mail: | j.pelz@yahoo.de

Wirklichkeit bleibt analog – über Jan-Hendrik Pelz

“Jan-Hendrik Pelz. Präsentiert: Paula Pelz.“ Dieser Titel der Ausstellung (Galerie im Prediger Schwäisch-Gmünd) des Künstlers war das erste, was ich über Jan-Hendrik Pelz las.
Verwirrung und Irritationen scheinen zum künstlerischen Konzept zu gehören, was man gleich erahnt, wenn man dann liest, dass Paula Pelz nicht eigentlich existiert, jedenfalls nicht in gewöhnlichem Sinne: Paula Pelz ist das Alter Ego von Jan-Hendrik Pelz, eine Art fiktive Schwester.

Blick in die Ausstellung; Jan-Hendrik Pelz präsentiert: Paula Pelz
Galerie im Prediger Schwäbisch-Gmünd bis 01.11.2020.
© Jan-Hendrik Pelz, Foto: Joachim Haller

Bild Links: Jan-Hendrik Pelz: aus der Serie: every-day-people, 2019, Öl auf Leinwand, 30 × 20 cm.
© arist; VG Bildkunst Bonn, 2023

Paula Pelz nun ist Malerin und als solche offenbar sehr fleißig: 365 Porträts werden in dieser Ausstellung präsentiert;, entstanden in genau einem Jahr – jeden Tag ein Bild. Insofern ein klares Konzept, das Paula streng durchgehalten hat. “Every day people“ nennen Paula und Jan-Hendrik diese Porträtserie.

Alle Arbeiten haben das gleiche Format – 30 x 20 cm und zeigen jedes Mal ganz verschiedene Gesichter, die jeweils von real existierenden – aber im Bild nicht wiedererkennbaren – Personen inspiriert sind.

Jan-Hendrik Pelz, aus der Serie: Paula Pelz, every-day-people, 2019, Öl auf Leinwand, 30 x 20 cm.

Hintergrund dieser Ausstellung ist auch, dass Jan- Hendrik Pelz den Kunstpreis der VR-Bank Ostalb bekommen hat, der zum 16. Mal vergeben wird. Am Sonntag, dem 04.10. wird diese Auszeichnung dem Künstler überreicht; Pelz ist der bislang jüngste Preisträger.

Wer die Galerie im Prediger kennt, weiß, dass der sehr besondere Raum – Teil einer ehemaligen Klosterkirche aus dem 14. Jahrhundert – von einer Kunstausstellung mehr verlangt als “nur“ Bilder an den Wänden: Oft kombiniert Joachim Haller, der Kurator der Galerie im Prediger, deshalb zwei- und dreidimensionale Kunst: Einen Maler und einen Bildhauer – oder einen Maler-Bildhauer, der beide Sparten ausfüllt.

Jan-Hendrik Pelz: 2020-Portraits

Zwei Varianten, zwei Möglichkeiten, die Jan-Hendrik Pelz gleichzeitig umzusetzen vermag: Neben seiner Alter-Ego-Schwester, der Malerin, präsentiert sich Jan-Hendrik Pelz hier auch selbst als Künstler: Großformatige Porträts werden als Malerei-Skulpturen gezeigt. Jeweils auf drei Hohlwänden im Dreieck präsentiert wird hier inhaltlich sichtbar, dass der Künstler auch, oder wohl vor allem, sehr medienübergreifend arbeitet. Ganz aktuell hat Pelz diese Arbeiten – die (insgesamt 21) “2020-Porträts“speziell für diesen Raum entwickelt. Eines dieser überdimensionalen Porträts, das auch das Plakatmotiv zur Ausstellung ist, erscheint, wenn man es zuerst nur auf dem Bildschirm sieht, als stark vergrößertes “Pixelbild“ – wie eine schlechte digitale Aufnahme, grotesk vergrößert.

“Selfporträt“ (Dreaming)

Vor Ort in der Ausstellung sehe ich dann, dass diese Arbeit komplett gemalt ist. Diese Kunst, die hier einmal mehr auch Fleißarbeit ist, zeigt Jan-Hendrik Pelz‘ Interesse an Medienbrüchen.

Medienbrüche, die wir ja etwa von Gerhard Richter mit seinen übermalten Fotografien schon lange kennen, bekommen im Werk unseres Künstlers jedoch den Charakter einer fast schon wissenschaftlichen Reflektion:

In vielen seiner Arbeiten, die zwischen Videokunst/-präsentation und Installation oszillieren, hinterfragt Jan-Hendrik Pelz radikal unsere Begrifflichkeiten:

So erklärt der Künstler selbst – zu seiner Arbeit “Selfporträt“ (Dreaming)

Die Installation „Selfportrait (Dreaming)“ besteht aus einem (vom Künstler in der Vergangenheit genutzten) Bett und einem anstelle einer Matratze eingesetztem Ölgemälde. Die Illusion des im Bett liegenden Schläfers löst sich bei genauerem Hinsehen auf und sorgt für Irritation: Die Plastizität des textilen, faltigen Untergrunds sowie des Körpers lösen sich in der Zweidimensionalität eines Gemäldes auf und werfen Fragen zum Bildverständnis auf: Liegt das Gemälde im Bett oder ist das Gemälde ein Teil des Bettes? Ist die Malerei Bestandteil einer Installation oder ein eigenständiges Bild, das sich liegend außerhalb der klassischen Präsentationsformen von Malerei befindet und somit die Grenzen des Begriffes „Tafelbild“ auslotet?
Jan-Hendrik Pelz

Jan-Hendrik Pelz, aus der Serie: Paula Pelz, every-day-people, 2019, Öl auf Leinwand, 30 x 20 cm.

Wir wissen zunächst nicht, was wir eigentlich sehen.
Ist dies künstlerische Spielerei oder, und das denke ich, geht es eher um semantische oder wahrnehmungsphysiologische Fragen?

Sicher jedenfalls erscheint mir: Dies ist ganz neue Kunst, die sowohl Freude macht als auch zum Nachdenken zwingend anregt. Abschließen möchte ich mit einem Tipp:
Behalten Sie im Blick, was Sie sehen und schauen Sie immer wieder mal darauf, was dieser noch junge Künstler noch alles zeigen wird. Auch wenn die Bilder immer pixeliger werden und die Digitalisierung voranschreitet:
Paula und Jan-Hendrik Pelz beweisen es in ihrer Kunst:

Wirklichkeit bleibt analog.
Jürgen Linde im August 2020

Im Jahr 2023 ist ein hierzu ein “Fortsetzungs-Porträt” erschienen:
Identity – der Konzeptkünstler Jan-Hendrik Pelz