„Ver-rückt“ – Die Rekonstruktion der Welt (I)
„…eine Zwischenbetrachtung“ war der Untertitel des letzten Hinkelsteins, Nr. 29. vom 09.03.2025.
Mit dem Kampf der Zivilgesellschaft und der Kunst für die Freiheit und mit meiner Prognose des Scheiterns Trumps – am Rest der Welt und: an sich selbst – beendete ich meinen Beitrag eher positiv, fast hoffnungsvoll.
Nach einer Zwischenbetrachtung wollen und sollten wir zurückkommen auf das zentrale Thema unserer Hinkelstein-Reihe: die Rolle der Kunst für uns jeweils selbst und für unsere Beziehung zu dieser einen Welt, von deren Singularität wir seit vielen Generationen überzeugt waren.
Von den derzeit besonders turbulenten und irritierenden Höhen der Weltpolitik runter zu kommen auf die uns vertraute Ebene der Kunst, ist grundsätzlich nicht so einfach, zumal für mich als gelerntem Politologen – sorry, das hat sich halt damals so ergeben oder, um es mit Nam June Paik zu sagen: “There’s no rewind button for Life“.
Ja genau: die Philosophie bringt uns zurück zur Kunst, aber nicht herunter, sondern eher hinauf zur Kunst: bewegt sich selbige doch laut Hegel in der Sphäre der absoluten Vernunft, worüber wir ja in unserer Reihe der Künstlerporträts immer wieder gemeinsam nachgedacht haben – zuletzt habe ich, im April-Porträt 2024 über den Bildhauer Günter Wagner, die Kunst als Spielraum des Geistes zu identifizieren gewagt.
Lange bevor Hegel uns Philosophie-Nebenfach-Sudenten, die wir oft Hegel verehrten, obwohl oder eher weil wir ihn nicht verstanden haben, mit seiner Phänomenologie des Geistes vollständig verwirrt hat, hatte Immanuel Kant mit seinen berühmten Vernunft-Kritiken noch durchaus verständlichere Texte geliefert, die ebenfalls heute noch hilfreich und klärend wirken.
Im Hinblick auf die oben aufgeworfene Frage nach der Singularität unserer Welt hätte Kant sicherlich nüchtern klar begonnen: Was ist der Fall?; Was kann ich wissen?“ (wir bewegen uns hier in kant’scher Terminologie im Bereich der reinen Vernunft).
Nun, für uns Normalos (deutlich zu unterscheiden von überzeugten Philosophen, die selbst meist nicht wissen, wo sie gerade schweben), für uns normal denkende Menschen („Erzähl mir nix, ich glaub’ nur, was ich seh’“) ist ganz klar, dass wir in einer Welt leben: naja OK: schon halt in verschiedenen Ländern, mit verschiedenen Sprachen – aber eben doch auf einem Planeten.
Auch wenn dieser seinerzeit von Kopernikus in Bewegung gebracht wurde und seither um die Sonne kreist (!), bleibt es doch ein- und derselbe Planet, weil das ja immer schon so war und gar nicht anders sein kann. Man sollte bitte natürlich noch alle Tassen im Schrank haben.
Und doch: nicht nur in der Kunst, sondern auch im ganz gewöhnlichen Alltag unterscheiden wir seit geraumer Zeit zwischen digitaler oder virtueller Welt einerseits und realer Welt andererseits. Gibt es also doch zwei Welten, in denen wir – auf geheimnisvolle Weise gleichzeitig leben oder zumindest abwechselnd in der einen und dann wieder in der anderen?
Bislang hatte ich die letztere These klar bejaht, doch immer stärker beginne ich, zu zweifeln:
Während Putin und Trump derzeit beginnen, die (sagen wir: geopolitisch) reale Welt zu ver-rücken, was zu einem dann ganz realen Krieg führen könnte, so hat dieser Krieg digital längst begonnen: mit gezielten, heute „Fake-News“ genannten Desinformationen über geeignete und zufällig eher autokratisch kontrollierte Social Media-Kanäle manipulieren Geheimdienste Wahlen und Meinungen. Da wir über die Arbeit der Geheimdienste naturgemäß nur spekulieren können, ist uns das Ausmaß dieser Aktivitäten unbekannt ; nur sehr gute Hacker (die besten sind inzwischen vielleicht vom Geheimdienst fest angestellt;, mit Rente?) wissen mehr.
Alles also nicht so einfach. Dann kam noch Sigmund Freud und brachte noch eine Welt ins Spiel – unsere Innenwelt. Mit seiner Unterscheidung zwischen Ich, Es und Über-Ich hat er weiter zur Verwirrung beigetragen – und hat die Kunst seiner Zeit sehr beflügelt: die Kunsthalle Tübingen hat dies im letzten Jahr in einer großartigen Schau veranschaulicht: Sigmund Freud und die Kunst: Innenwelten .
Vielleicht sollten wir uns die (noch immer eine) Wirklichkeit denken als mehrdimensionale Matrix, deren inhaltlich zu unterscheidende Ebenen einander überschneiden?
Erschwerend hinzu kommt dann noch die Dimension der Zeit. Ist es ein- und derselbe Krieg, der digital längst begonnen hat und der womöglich bald in der realen Welt auch stattfindet?
Digitalität; Internet und Krieg sind einander historisch eng verbunden: das Internet hat begonnen als amerikanisches Militärprojekt: Ziel war eine dezentrale (und dadurch nicht physikalisch/militärisch zerstörbare) Kommunikationsstruktur.
Bald hat dann die Wissenschaft das Internet für sich entdeckt – als geniale Möglichkeit, zeitverzögerungsfrei und international zu kooperieren. Und ebendiese Möglichkeit nutzt auch die Kunst: vorgestern erst entdeckte ich im ZKM-Newsletter die sehr interessante Ausschreibung »Futureproof Connection«:
(aus dem Ausschreibungstext:)
Wir suchen nach Vorschlägen, die innovative Wege zur »Futureproof Connection« erforschen und sich mit der Frage beschäftigen, wie wir in einer sich schnell verändernden Welt bedeutsame menschliche Beziehungen aufrechterhalten und fördern können.
(hier der vollständige ZKM-Beitrag: Open Call: Global Sonic Research)

Bild oben: KI-generierte Grafik, ZKM | Karlsruhe: | Open Call: Global Sonic Research
Wie vom Militär dereinst angedacht, kann und wird das Internet uns hoffentlich ermöglichen, die Kommunikation aufrecht zu erhalten: genauso wie die Freiheit (siehe bitte Hinkelstein Nr. 29 vom 09.03.2025) ist auch die Kommunikation eine der (nochmal Kant:) Bedingungen der Möglichkeit von Kunst.
Deshalb also unsere Frage: während die reale Welt gerade ver-rückt wird:
welche Rolle kann die Kunst spielen bei der notwendigen Rekonstruktion der Welt?
Bewegen wir uns also aus den Niederungen der realen politischen Wirklichkeit
(s.o.:) hinauf zur Kunst.
Beruhigend ist doch, was wir seit Corona behaupten und fördern: Kunst geht weiter:
Dies zeigen immer unsere Next days Highlights und heute aktuell:
Die guten Nachrichten im kunstportal baden-württemberg am Sonntag, dem 16.03.2025:
Neu am 16. März 2025: | ZKM Karlsruhe | Bewerbungsfrist: bis Dienstag, 25.03.2025, 23:59 Uhr | Futureproofing Connection: | Open Call: Global Sonic Research
Neu am 16. März 2025: | Künstler | Sa, 22.03.2025 um 16:00 Uhr | Fritzi Haußmann | im Atelierhaus Altes Güteramt, Mannheim | Atelierbesuch und Katalogpräsentation am 22. März
Neu am 16. März 2025: | ZKM Karlsruhe | Sa, 05.04.2025; 16 Uhr: | Klanginstallation mit dem Orchester des Wandels: | Tanzendes Meer: Gastspiel des Badischen Staatstheaters
Neu am 16. März 2025: | Künstler | 23.03. – 06.06.2025 | Stefanie Lampert und Werner Pokorny | Galerie Julia Philippi Dossenheim: | Stefanie Lampert & Werner Pokorny
Neu am 16. März 2025 | Städtische Galerie Karlsruhe | Programm April 2025
Neu am 16. März 2025: | Newsletter Hinkelstein: | Sonntag früh frisch auf den Screen: | Hinkelstein 30 am 16.03.2025: | Hinauf zur Kunst