Hinkelstein, der wöchentliche Newsletter des kunstportals baden-württemberg: Jeden Sonntag früh frisch auf den Screen
Hinkelstein 39 | 18.05.2025 | Kunst und Freiheit
Der Hinkelstein Nr. 38 letzte Woche endete ja mit dem wunderbaren Gedicht von Lars Gustaffson: Es soll ein Tag sein. Einmal mehr dachten wir letzte Woche gemeinsam darüber nach, wie die verschiedenen Kunstformen miteinander verbunden sind.
Eigentlich hatte ich vor, meine Gedanken hierzu weiter zu entwickeln; von Arvo Pärts faszinierenden Klavierstück „Für Alina“ letzte Woche, haben bestimmt viele unserer Leser dann auf Youtube gleich ein weiteres nicht weniger kunstvolles Werk des großen Komponisten entdeckt: Spiegel im Spiegel. In diesem leisen, sehr spannungsreichen und emphatischen Werk – für Klavier und Cello – erleben wir auf einzigartige und schöne Weise Kunst als ein Herantasten an die Wirklichkeit – vorsichtig, neugierig, sehr zärtlich und eminent bildnerisch – Klang und Skulptur finden zueinander; erscheinen als (ein) Ganzes.
Dass die verschiedenen Formen der Kunst miteinander verbunden sind, erscheint uns schlicht evident: Eine reale Erfahrung aus dem eigenen Leben, die bestimmt viele von Ihnen, die Sie, die sich mit Kunst befassen, schon selbst immer wieder gemacht haben. Dann aber wäre mit dem guten alten Immanuel Kant zu fragen: Wie ist dies möglich? Bei Kant genial exakt: Was ist die Bedingung der Möglichkeit dazu?
Wenn ich nun meine Antwort vorwegnehme, so nur, um die nachfolgenden (diesmal nur ein klein wenig ausschweifenden) Gedanken besser nachvollziehbar zu machen:
Die Bedingung der Möglichkeit der künstlerischen Arbeit, der Kunst allgemein und der Verbindung der verschiedenen Kunstformen – wir denken hier zuerst an die Bildende Kunst, die Musik und die Lyrik – finden wir auf transzendentaler Ebene: Die Bedingung der Möglichkeit von Kunst ist Freiheit.
Wir verzichten hier auf den nun eigentlich indizierten Exkurs zu Hegels Phänomenologie des Geistes und weisen nur kurz darauf hin, dass die verschiedenen Kunstformen bei Hegel selbstverständlich auch zu den Erscheinungsformen des Geistes zählen; wir könnten hier auch von Ausdrucksmöglichkeiten sprechen: eine bestimmte Wahrnehmung oder Empfindung, eine bestimmte Wahrheit, kann ausgedrückt werden in einem (gemalten) Bild, in einem sprachlichen, lyrischen Bild oder eben auch in der Musik und sicher auch in einer tänzerischen Bewegung oder, sehr reduziert, in einer Geste (wie etwa bei Kalin Lindena: Das Gewicht der Linie – über Kalin Lindena.
Nun knüpfen wir an den letzten Hinkelstein Nr. 38 an. Von Gustaffsons Gedicht kommend, entdeckten wir Verbindungslinien zur Musik Arvo Pärts; zu beiden wiederum assozierte ich die bildnerische Arbeit von Gundula Bleckmann. Das “hybride“ Konzept unseres Hinkelsteins – die Doppelexistenz sowohl als Newsletter im Versand als auch gleichzeitig und dauerhaft als Teil unserer redaktionellen Präsentation im Feuilleton des Portals ermöglicht ja bequem, dies in Ruhe nachzulesen, nachzuvollziehen, wenn Sie wollen – immer hier: Hinkelstein
Auch war ja die Freiheit immer wieder ein zentrales Thema nicht nur hier in der Hinkelstein-Serie (Hinkelstein 29 vom 09.03.2025 endete mit Westernhagens berühmter Zeile “Freiheit ist das Einzige, das zählt“), sondern auch in der langjährigen Reihe unserer Künstlerporträts: Mein Porträt über den Karlsruher Maler Sandro Vadim (getextet in 2011) hatte den Titel “Freiheit“. Auch damals ging es schon um die verschiedenen Formen der Kunst und deren Verbindung; ich erlaube mir ein kurzes Selbstzitat:
Freiheit wird hier erkennbar als die Fähigkeit, selbst zu entscheiden und entscheidungsfähig bleiben zu wollen. Ein hoher Anspruch an sich selbst, der immer auch Risikobereitschaft einschließt. Ein Leben mit wenig Sicherheit ist dem Künstler möglich, nicht möglich ist ein Leben ohne Freiheit.
Und damit komme ich erneut zurück auf unser zweites (,anderes?) zentrales Thema im Hinkelstein: die Gefahr eines technologischen Totalitarismus. Auch hierzu haben wir einige neue Informationen gesammelt und Gedanken weiterentwickelt, die wir aber dem nächsten Hinkelstein vorbehalten wollen.
Heute nur noch eine kurze Überlegung als Überleitung und “Vorschau“:
Ein Wesenselement totalitärer Herrschaft ist die Kontrolle; spätestens seit Orwells 1984 wissen wir klarerweise, dass dabei die Sprache (Speech-Control) und die Gedanken (Think-Control) sehr wichtig sind. Als wahrhafter Visionär hat Orwell, die Digitalisierung schon 1948 (!) klar und vollständig antizipierend, die Sprachkontrolle genauer ausgeführt: Begriffe wie etwa Liebe oder eben und vor allem: Freiheit gehören zu den streng verbotenen Begriffen („Gedankenverbrechen“), die nach der Etablierung des totalitären Systems gar nicht mehr existieren w(u)erden. George Orwell wußte, dass, wenn ein Begriff nicht mehr gedacht werden kann, auch dessen Inhalt, dessen Bedeutung verschwinden würde und keine Gefahr mehr darstellt. Indem der Begriff Freiheit verboten, abgeschafft ist, wird niemand mehr mangelnde Freiheit beklagen können. Tatsächlich würde dann die Möglichkeit verschwunden sein, Freiheit zu denken, die Vorstellung davon ist weg.

Bild oben: Rainer Zerback, aus der Serie „Contemplationes“ (2000 – 2023): XIX (2002)
Städtische Galerie „Fähre“ Bad Saulgau | 25.05. – 17.08.2025 | Altes Kloster Bad Saulgau | Eröffnung So, 25.05.2025, 17 Uhr: | dem Paradies entgegen
Weitere Informationen und Bilder der Ausstellung: dem Paradies entgegen
Und mit der Vorstellung – der Imagination also – sind wir schon bei unserem aktuellen Künstlerinnenporträt über Tanja Pohl ( Imagination – über Tanja Pohl), das ich ja abschließe mit der Erkenntnis, dass die Imagination ein Wesenselement der Kunst ist.
Kunst und Freiheit sind untrennbar miteinander verbunden. Offenbar sind unsere beiden Hauptthemen im Hinkelstein – die Kunst und die Gefahr totalitärer Herrschaft – auch sehr eng verbunden.
Hier die Video-Tipps – beide aus der ZDF-Mediathek, (vielleicht ist das ZDF – trotz der dreisten Zwangsgebühren – ein FREE-TV?) – zwei Reportagen, die ich unbedingt empfehle:
Schon letzte Woche hier genannt, doch noch immer sehenswert: Systemsprenger Trump
Noch weiter führt der Beitrag von letzter Woche: Putins Helfer
Immer klarer wird: Kunst und Freiheit sind ein Thema.
Jürgen Linde im Mai 2025
Noch sind wir frei, die Kunst zu erleben; wir empfehlen diesbezüglich die guten Nachrichten am Sonntag, dem 18. Mai 2025 im kunstportal baden-württemberg:
Neu am 18. Mai 2025: | Künstler | 25.05. – 28.09.2025 | Sabine Schäfer | Kunststiftung Erich Hauser | Uraufführung und Eröffnung: So, 25.05.2025; 15 Uhr. | Raumklangkomposition “Bats’n’Insects – Version Kunststiftung Erich Hauser“
Neu am 18. Mai 2025: | Städtische Galerie „Fähre“ Bad Saulgau | 25.05. – 17.08.2025 | Altes Kloster Bad Saulgau | Eröffnung So, 25.05.2025, 17 Uhr: | dem Paradies entgegen | Weitere Informationen und Bilder der Ausstellung: dem Paradies entgegen
Neu am 18 Mai 2025: | ZKM Karlsruhe | Mi, 30.07.2025; 18 – 19 Uhr | Vortrag von Prof. Dr. Kurt Möser: | Der Wasserstoffbulli aus dem Kernforschungszentrum
Neu am 18. Mai 2025: | Städtische Galerie Karlsruhe | Do, 05.06.2025; ab 18:45 Uhr: | Erste ARTtoNight 2025: Junge Kunst, Sounds und Szenenwechsel in der SGK
Neu am 18. Mai 2025: | Newsletter Hinkelstein: | Sonntag früh frisch auf den Screen: | Hinkelstein 39 vom 18. Mai 2025: | Kunst und Freiheit.